Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 19.06.1996)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Juni 1996 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht der in § 160a Abs 2 Satz 3 SGG vorgeschriebenen Form.

Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 Nrn 1 bis 3 SGG genannten Gründen – grundsätzliche Bedeutung, Abweichung, Verfahrensmangel – zugelassen werden. Der Kläger stützt seine Nichtzulassungsbeschwerde auf grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensmangel. In der Begründung muß aber die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung vom 16. Oktober 1996 nicht.

Soweit der Kläger die Entscheidung des LSG durch Beschluß gemäß § 153 Abs 4 SGG anstatt durch Urteil (§ 125 SGG) als verfahrensfehlerhaft rügt, hält er inhaltlich einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 62 SGG sowie eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) für gegeben. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann ein Verfahrensmangel jedoch auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein solcher ist jedoch vom Kläger im Berufungsverfahren nicht gestellt worden.

Das notwendige rechtliche Gehör hat das LSG durch die in § 153 Abs 4 Satz 2 SGG vorgesehene Anhörung gewährt. Danach muß das Gericht den Beteiligten mitteilen, daß es die Entscheidung durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung erwägt und daß sich die Beteiligten dazu äußern können, wobei der Hinweis nicht formularmäßig erteilt werden darf, sondern konkret und fallbezogen sein muß (vgl Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 5. Aufl 1993, RdNr 19 zu § 153 mwN). Entsprechend ist das LSG in der durch den Berichterstatter unterschriebenen Anhörungsmitteilung vom 6. Juni 1995 verfahren: Danach ist den Beteiligten mitgeteilt worden, daß der Senat eine Entscheidung durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung beabsichtige, wenn er die Berufung einstimmig für unbegründet halte. Den Beteiligten ist sodann dargelegt worden, daß es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf ankomme, mit welchem Einkommen jeder Ehegatte zum Familienunterhalt beigetragen habe, daß sich der Wert der Hausarbeit danach bestimme, wonach jeder Ehegatte gemäß dem Eherecht verpflichtet gewesen sei und welche Ausgaben der Kläger tatsächlich bezahlt habe. Dem Kläger ist Gelegenheit gegeben worden, sich bis zum 10. Juli 1995 zu äußern; hiervon hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht, insbesondere ist ein von seinen Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 12. Juli 1995 angeführter Schriftsatz vom 26. Juni 1995 nicht zu den Akten gelangt.

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es für die Frage der Zulässigkeit der Entscheidung durch Beschluß nicht darauf an, ob der Fall schwierig ist und ob Tatfragen eine erhebliche Bedeutung haben. § 153 Abs 4 Satz 1 SGG stellt die Beschlußentscheidung in das Ermessen des LSG, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält. Weitere Voraussetzungen für eine Beschlußentscheidung werden nicht gefordert. Soweit der Kläger darauf abstellt, daß das – erstinstanzliche – Gericht gemäß § 105 Abs 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nur entscheiden kann, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, sind diese Voraussetzungen auf die Entscheidung des LSG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß gemäß § 153 Abs 4 SGG nicht übertragbar. Dies ergibt sich schon aus der Fassung des § 153 Abs 1 SGG, wonach für das Verfahren vor den LSGen die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug nur mit Ausnahme der §§ 91, 105 SGG entsprechend gelten.

Das rechtliche Gehör ist dem Kläger ferner nicht deshalb abgeschnitten worden, weil sein von seinem damaligen Prozeßbevollmächtigten geäußerter Vorwurf, bei der Verbandsgemeindeverwaltung Kell seien Urkunden unterdrückt und Daten gefälscht worden, nicht protokolliert worden ist. Aus dem angefochtenen Beschluß geht nämlich hervor, daß das LSG seine diesbezüglichen Angaben durchaus verwertet hat: Es hat im Tatbestand auf S 5 des Beschlusses ausgeführt, Angaben des Klägers seien bei der Verbandsgemeinde Kell gefälscht worden. Auch diesbezüglich hätte der Kläger zudem die Möglichkeit gehabt, einen Beweisantrag schriftlich zu formulieren. Mit seinem jetzigen Vortrag, Beweisanträge zu diesem Thema seien überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden, kann er daher keinen Erfolg haben. Darüber hinaus hat er auch nicht hinreichend verdeutlicht, an welchem Vortrag er gehindert worden ist. Der bloße Hinweis, ihm sei „der Vortrag von ihm günstigen Tatsachen abgeschnitten” worden, reicht dazu nicht.

Soweit der Kläger eine überlange Verfahrensdauer als verfahrensfehlerhaft rügt, kann dahinstehen, ob eine gut 19-monatige Verfahrensdauer zwischen Berufungseinlegung und Entscheidung über die Berufung die Grenze der Zumutbarkeit überschreitet. Denn – einen Verfahrensmangel unterstellt – handelte es sich bei der langen Verfahrensdauer nicht um einen solchen Verfahrensfehler, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 1. Halbsatz SGG).

Soweit der Kläger seine Beschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt, hat er weder die klärungsbedürftige Rechtsfrage klar bezeichnet noch das Allgemeininteresse an der Entscheidung über sie dargetan. Für die Begründung einer Grundsatzrevision sind aber Ausführungen darüber erforderlich, weshalb der Klärung der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 5. Aufl 1993, RdNr 14 zu § 160a mwN). Der Kläger hat lediglich ausgeführt, der Anspruch auf Witwerrente nach § 1266 Abs 1 RVO sei von der Feststellung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes abhängig; er halte die Rechtsfrage, wann dieser letzte wirtschaftliche Dauerzustand beginne und ende, für klärungsbedürftig. Indes ist die Rechtsfrage, wann der letzte wirtschaftliche Dauerzustand iS des § 1266 Abs 1 RVO beginnt und endet, in der Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl BSGE 14, 129 ff, 132 = SozR Nr 1 zu § 1266 RVO; BSG SozR 2200 § 1266 Nrn 9, 15, 18; BSG SozR 3-2200 § 1266 Nr 1; BSG ZfS 1995, 102 mwN; stRspr). Für eine Klärungsbedürftigkeit trotz der ständigen Rechtsprechung des BSG zu dieser Rechtsfrage hat der Kläger nichts vorgetragen. Überdies genügt allein der Hinweis auf ein häufiges Auftreten einer Rechtsfrage der Obliegenheit zur Darlegung ihrer grundsätzlichen Bedeutung nicht. Dies gilt insbesondere dann, wenn die grundsätzliche Rechtsfrage durch eine Rechtsvorschrift aufgeworfen worden sein soll, die zwischenzeitlich – wie § 1266 Abs 1 RVO – außer Kraft getreten ist (Senatsbeschluß vom 25. März 1996 – 5 BJ 38/95 – mwN).

Die nicht formgerecht begründete und damit unzulässige Beschwerde des Klägers mußte verworfen werden. Dies konnte gemäß § 202 SGG iVm § 574 ZPO und § 169 SGG analog durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174006

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