Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Elterngeld. Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Zuordnung zum laufenden Arbeitslohn oder zu sonstigen Bezügen. Tatsachenfeststellung und Würdigung. Klärungsbedürftigkeit. Bezugnahme auf anhängiges Revisionsverfahren. Darlegungsanforderungen
Orientierungssatz
1. Bei der Zuordnung von Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen zum laufenden Arbeitslohn oder zu sonstigen Bezügen handelt es sich nicht um eine Frage der Rechtsanwendung, sondern um eine vom LSG als Tatsacheninstanz durchzuführende Tatsachenfeststellung sowie deren Würdigung.
2. Allein eine bloße Bezugnahme auf ein anhängiges Revisionsverfahren reicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht aus (vgl BSG vom 10.7.2013 - B 11 AL 59/13 B RdNr 8 mwN).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 163; BEEG § 2c Abs. 1 S. 2, § 2 Abs. 7 S. 2 Fassung: 2010-12-09; LStR R 39 b. 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 1; LStR 2013 R 39 b. 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 1; LStR R 39 b. 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 5; LStR 2013 R 39 b. 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 5; LStR R 39 b. 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 7; LStR 2013 R 39 b. 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 7; LStR R 39 b. 2 Abs. 2 S. 1; LStR 2013 R 39 b. 2 Abs. 2 S. 1; EStG § 38a Abs. 1 S. 3, § 39b Abs. 2-3
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Mit Urteil vom 21.6.2016 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des Klägers auf höheres Elterngeld für den 7. und 11. Lebensmonat seines Sohnes unter Einbeziehung der im November 2011 als Weihnachtsgeld und im Juni 2012 als Urlaubsgeld ausgezahlten Sonderzahlungen verneint, weil das von dem Kläger bezogene Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld bei der Berechnung des Bemessungsentgelts nicht mit zu berücksichtigen seien. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt, die er mit dem Bestehen einer Abweichung (Divergenz) sowie einer grundsätzlichen Bedeutung begründet.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.
1. Eine Abweichung (Divergenz) iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt nur dann vor, wenn das LSG mit einem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz in seinem angegriffenen Urteil von einer genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29, 54). Dazu genügt es nicht darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entspricht, die etwa das BSG oder das BVerfG aufgestellt hat, sondern es ist aufzuzeigen, inwiefern das LSG diesen Kriterien ausdrücklich widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Zudem ist anzugeben, inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67).
Diesen Anforderungen hat der Kläger bereits nicht hinreichend Rechnung getragen. Zwar behauptet er eine Abweichung des LSG von den Urteilen des BSG vom 29.8.2012 (B 10 EG 20/11 R; B 10 EG 8/11 R) und benennt hierzu vermeintliche Rechtssätze sowohl nach den genannten Entscheidungen des BSG als auch aus der angefochtenen Entscheidung des LSG. Das LSG lasse die vom BSG in den genannten Entscheidungen aufgestellten Rechtssätze außer Acht. Ferner sei die Rechtsprechung des BSG nicht auf die nach dem 1.1.2011 bestehende Rechtslage anwendbar. Mit diesem Vorbringen kritisiert der Kläger tatsächlich jedoch die Rechtsanwendung des LSG im konkreten Einzelfall und unterstellt dem LSG lediglich eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG. Der Kläger legt gerade nicht dar, dass das LSG eine eigene, die Entscheidung tragende Rechtsansicht bewusst in Abweichung von der des BSG getroffen hat. Tatsächlich hat sich das LSG - und dies trägt der Kläger selbst vor - gerade auf die Rechtsprechung des BSG mit Entscheidung vom 26.3.2014 (B 10 EG 14/13 R, BSGE 115, 198 = SozR 4-7837 § 2 Nr 25, SozR 4-7410 § 39b Nr 1) bezogen und sich dieser Rechtsprechung ausdrücklich angeschlossen. Damit hat das LSG zu keinem Zeitpunkt den Kriterien des BSG zur Berücksichtigung von Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld bei der Berechnung des Bemessungsentgelts widersprochen oder wollte gar eigene Kriterien für deren Definition entwickeln. Ob das LSG im Einzelfall richtig entschieden hat, ist nicht zulässiger Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
2. Soweit der Kläger als weiteren Zulassungsgrund zur Revision eine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG rügt, so liegt auch dieser Zulassungsgrund nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung. Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
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Der Kläger hält folgende Fragen für Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung: |
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"Sind arbeitsvertraglich vereinbarte Zahlungen an den Kläger im 2. Quartal (Juni) in Höhe von 100 % eines Monatsgehalts als Urlaubsgeld und im letzten Quartal (November) des Kalenderjahres in Höhe von 100 % eines Monatsgehalts als Weihnachtsgeld, die zusätzlich zur Zahlung der übrigen Monatsgehälter ausgezahlt worden sind, als fortlaufender Arbeitslohn anzusehen und daher bei der Bemessung des Elterngelds zu berücksichtigen, wenn der Arbeitsvertrag eine Regelung enthält, nach der Mitarbeiter, die im laufenden Kalenderjahr in den Betrieb ein oder aussteigen, für jeden Monat, den sie im Verlauf des Kalenderjahres dem Betrieb angehören, 1/12 der Sonderzahlung erhalten? Gilt das jedenfalls dann, wenn der Kläger im Rahmen der Einstellungsverhandlungen mit seinem Arbeitgeber ausschließlich über die Höhe des Jahresgesamtarbeitslohnes verhandelt hat und die Zahlung in 14 gleich großen Teilen für die Arbeitsvertragsparteien lediglich eine Zahlungsmodalität darstellt, die den reinen Modus der Auszahlung des Jahresgesamtarbeitslohnes regelt und nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien unabhängig von irgendwelchen faktisch stattfindenden Anlässen ist". |
Zwar hat der Kläger mit der Frage, inwieweit sonstige Bezüge wie Weihnachts- und Urlaubsgeld in die Berechnung des Elterngeldes einkommenserhöhend miteinfließen, eine bestimmte Rechtsfrage aufgeworfen. Er hat indes deren höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit nur behauptet, nicht jedoch schlüssig dargelegt. Hierzu hätte er im Einzelnen darstellen müssen, inwiefern die Rechtsfrage vom BSG noch nicht entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65) und warum sich für die Beantwortung der Frage nicht bereits ausreichende Anhaltspunkte in vorliegenden Entscheidungen finden lassen (vgl BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 und § 160 Nr 8). So fehlt es bereits an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der von dem Kläger selbst genannten Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung sonstiger Bezüge bei der Ermittlung des maßgeblichen Einkommens für das Elterngeld (vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 25 ff; Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R -, SozR 4-7837 § 2 Nr 18, SozR 4-7837 § 4 Nr 4; Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 14/13 R -, BSGE 115, 198 = SozR 4-7837 § 2 Nr 25, SozR 4-7410 § 39b Nr 1). Insoweit hat das BSG bereits entschieden, dass aufgrund des früher in § 2 Abs 2 S 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) enthaltenen eindeutigen Verweises auf die steuerrechtliche Vorschrift des § 38a Abs 1 S 3 Einkommensteuergesetz (EStG) folge, dass zu den sonstigen Bezügen, die bei der Bestimmung des für die Berechnung des Elterngeldanspruchs maßgeblichen Einkommens unberücksichtigt bleiben, grundsätzlich auch das ausgezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld gehört und dass dieser Wille des Gesetzgebers zwischenzeitlich in der zum 1.1.2011 erfolgten Änderung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG durch Art 14 Nr 2 Buchst c, bb des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 - HBeglG 2011 - vom 9.12.2010 (BGBl I 1885) seinen Niederschlag gefunden hat. Denn der bis dahin geltende Verweis auf § 38a Abs 1 S 3 EStG wurde durch folgenden Wortlaut ersetzt: "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt." Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass damit die Auswirkungen der Rechtsprechung des Senats in seinem Urteil vom 3.12.2009 (B 10 EG 3/09 R) korrigiert werden sollten, mit der Folge, dass künftig sonstige Bezüge iS des § 38a Abs 1 S 3 und § 39b EStG als Einnahmen bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs unberücksichtigt bleiben, um eine verwaltungspraktikable Feststellbarkeit der maßgeblichen Bezüge sicherzustellen (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R, aaO, RdNr 58 und 62 mwN). Des Weiteren hat der Senat mit Entscheidung vom 26.3.2014 (B 10 EG 14/13 R, aaO) ausgeführt, dass § 2 Abs 7 S 2 BEEG aF (jetzt § 2c Abs 1 S 2 BEEG) an die lohnsteuerrechtliche Differenzierung zwischen der Einbehaltung der Lohnsteuer vom laufenden Arbeitslohn (§ 39b Abs 2 EStG) und von sonstigen Bezügen (§ 39b Abs 3 EStG) anknüpft. Sonstiger Bezug ist nach den Lohnsteuerrichtlinien (LStR) R 39b.2 Abs 2 Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird. Zu den sonstigen Bezügen gehören nach R 39b.2 Abs 2 S 2 LStR insbesondere auch Urlaubsgelder, die nicht fortlaufend gezahlt werden und Weihnachtszuwendungen. Damit macht der Gesetzgeber deutlich, dass er derartige Zahlungen nicht in die Elterngeldberechnung aufnehmen will (vgl B 10 EG 14/13 R, RdNr 22, 32 und 37 mwN). Im Ergebnis hat das BSG in seinem Urteil vom 29.8.2012 (B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 52) entschieden, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zwar zum Arbeitslohn gehören, sie aber dann nicht bei der Elterngeldberechnung zu berücksichtigen sind, wenn sie kein laufender Arbeitslohn, sondern als sonstige Bezüge anzusehen sind. Es liegen danach lediglich dann keine sonstigen Bezüge, sondern laufender Arbeitslohn vor, wenn es sich um mindestens zwei zusammenhängende Zahlungen innerhalb des Bemessungszeitraums handelt, die nicht anlassgebunden, sondern zeitraumbezogen geleistet werden und eine hinreichende Beziehung zu der tatsächlich erbrachten Arbeit haben (vgl Senatsurteil vom 29.8.2012, aaO, RdNr 48 ff, 52). Bei der Zuordnung der hier streitgegenständlichen Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen zum laufenden Arbeitslohn oder zum sonstigen Bezug handelt es sich nicht um eine Frage der Rechtsanwendung, sondern um eine vom LSG als Tatsacheninstanz durchzuführende Tatsachenfeststellung sowie deren Würdigung. Damit kritisiert die Beschwerde ebenso wie im Rahmen der behaupteten Divergenz lediglich die Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch das LSG im Einzelfall, die aber nicht zulässigerweise zum Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde gemacht werden können (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10). Schließlich ist der Kläger auch auf die Rechtsprechung des Senats zur Nichtberücksichtigung steuerfreier Einkünfte, wie Zuschläge Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, bei der Bemessung des Entgelts nicht eingegangen (BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16).
Darüber hinaus hat die Beschwerde auch nicht ausreichend vorgetragen, dass trotz dieser vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch oder wieder Klärungsbedarf bestehe. Zwar sind die vom Kläger aufgezeigten Rechtsfragen auch Gegenstand einer anhängigen Revision (B 10 EG 5/16 R). Aber auch hierzu macht die Beschwerde keinerlei Ausführungen. Selbst eine bloße Bezugnahme auf ein anhängiges Revisionsverfahren reicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht aus (BSG Beschluss vom 10.7.2013 - B 11 AL 59/13 B - Juris RdNr 8 mwN). Der Beschwerdeführer hat zudem nicht aufgezeigt, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen wird bzw die Beantwortung der Rechtsfragen umstritten ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51).
3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10484680 |