Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentliche Gerichtsverhandlung
Orientierungssatz
Das Gebot der Öffentlichkeit der Verhandlung bedeutet, daß die Verhandlung in Räumen stattfinden muß, zu denen während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich jedem der Zutritt offen steht. Eine an jedermann gerichtete Kundmachung, wann und wo eine Gerichtsverhandlung stattfindet, mag je nach Art und Gegenstand der Verhandlung in dieser oder jener Form zweckmäßig sein, eine solche Kundmachung wird aber durch die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlungen nicht gefordert.
Normenkette
GVG § 169 S 1
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 23.08.1988; Aktenzeichen L 12 J 287/87) |
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 23. August 1988 ist unzulässig, weil der Kläger die Beschwerde nicht substantiiert begründet hat. Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 Nrn 1 bis 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung, Divergenz, Verfahrensfehler - zugelassen werden. Der Kläger hat sich auf Verfahrensmängel berufen. In der Beschwerdebegründung muß der Verfahrensmangel "bezeichnet" werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Daran fehlt es.
Der Kläger hat seine Beschwerde darauf gestützt, das angefochtene Urteil sei unter Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit zustande gekommen. Die Terminsmitteilung zur Sitzung, in der das angefochtene Urteil ergangen sei, habe sich auf die mündliche Verhandlung im Gebäude des Verwaltungsgerichtes Darmstadt in der Neckarstraße bezogen. Sein Prozeßbevollmächtigter sei jedoch gewohnheitsmäßig zum Gebäude des Hessischen Landessozialgerichtes in der Rheinstraße in Darmstadt gefahren. Dort seien überraschenderweise die Verhandlungssäle offen gewesen, Terminszettel seien nirgends ausgehängt gewesen und alles habe so ausgesehen, als würde das Gericht ausgeräumt. Da sich nirgends ein Hinweis darauf gefunden habe, daß die Verhandlungen im Gebäude des Verwaltungsgerichtes in Darmstadt durchgeführt würden, habe sein Prozeßbevollmächtigter eine der anwesenden Personen angesprochen und erfahren, daß das Gericht umziehe und der Termin, wie ein nachträglicher Blick auf die Terminsmitteilung auch bestätigt habe, im Gebäude des Verwaltungsgerichtes angesetzt gewesen sei und dort auch stattgefunden habe.
Die vom Kläger vorgebrachten Umstände ergeben aber keinen Verfahrensmangel. Nach § 61 SGG, § 169 Gerichtsverfassungsgesetz finden die Gerichtsverhandlungen öffentlich statt. Dieser Grundsatz ist nicht verletzt. Das Gebot der Öffentlichkeit der Verhandlung bedeutet, daß die Verhandlung in Räumen stattfinden muß, zu denen während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich jedem der Zutritt offen steht. Eine an jedermann gerichtete Kundmachung, wann und wo eine Gerichtsverhandlung stattfindet, mag je nach Art und Gegenstand der Verhandlung in dieser oder jener Form zweckmäßig sein, eine solche Kundmachung wird aber durch die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlungen nicht gefordert (Bundesverwaltungsgericht DVBl 1973, 370). Das Prinzip der Öffentlichkeit soll insbesondere gewährleisten, daß sich die Rechtsprechung der Gerichte grundsätzlich "in aller Öffentlichkeit" und nicht hinter verschlossenen Türen abspielt. Der Grundsatz dient damit der Kontrolle der Gerichte. Entsprechend diesem Sinn der Öffentlichkeit genügt es, wenn ein Interessierter den Sitzungssaal ohne Schwierigkeit erfragen kann (Bundesfinanzhof, Bundessteuerblatt 1977 Teil II S 432). Es genügt, daß jedermann die Möglichkeit hat, sich Kenntnis von Ort und Zeit der Verhandlung zu verschaffen (Bundesgerichtshof DRiZ 1981, 193). Wie der Kläger selbst vorgetragen hat, war sein Prozeßbevollmächtigter richtig geladen. Auch als er sich an den falschen Ort begeben hat, konnte er durch Nachfragen den richtigen Sitzungssaal erfahren. Das konnte somit auch jeder andere.
Die Beschwerde des Klägers ist damit unzulässig und durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 202 SGG iVm § 574 der Zivilprozeßordnung und § 163 SGG analog; vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1, 5; BVerfG aaO Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen