Verfahrensgang
Tenor
Der für M gestellte Antrag, diesem für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. Juli 2021 vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Der zugrunde liegende Rechtsstreit betrifft eine Todeserklärung und Festlegung des Todeszeitpunkts durch den beklagten Rentenversicherungsträger.
Der am 18.1.1934 geborene M (im Folgenden: Versicherter) bezog eine Altersrente und eine Witwerrente von der Beklagten. Das letzte Mal gesehen wurde er am 21.7.2010, als er nach dem Baden im B regungslos im Wasser trieb. Danach galt er als verschollen. Im Rahmen der eingerichteten Abwesenheitspflegschaft wurden seine beiden Töchter als Pflegerinnen bestellt (im Folgenden: vormalige Abwesenheitspflegerinnen). Ihr Aufgabenkreis umfasste vermögensrechtliche Aufgabengebiete einschließlich der Geltendmachung von Rentenansprüchen (Bestallungsurkunde des Notariats Schramberg II - Betreuungsgericht - vom 26.8.2014). Die in der Folgezeit erfolgte Bestellung einer weiteren Pflegerin wurde inzwischen aufgehoben.
Die Beklagte zahlte die Renten zunächst weiter. Nach Anhörung der vormaligen Abwesenheitspflegerinnen stellte sie den Tod des Versicherten auf den 21.7.2010 fest und verfügte eine Einstellung der Rentenzahlungen zum 31.5.2015 (Bescheid vom 18.5.2015; Widerspruchsbescheid vom 5.2.2018). Sie stützte sich auf § 102 Abs 6 Satz 1 SGB VI.
Das SG Reutlingen hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 18.10.2018). Während des von den vormaligen Abwesenheitspflegerinnen angestrengten Berufungsverfahrens ist der Beklagten ein Teil der über den Juli 2010 hinaus gezahlten Renten von der kontoführenden Bank zurücküberwiesen worden. Hinsichtlich des noch offenen Teils, den sie mit 32 517,09 Euro beziffert, bereitet sie eine Erstattungsforderung gegenüber den Erben, Verfügenden oder Empfängern nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI vor. In dem von ihr deswegen angestrengten betreuungsrechtlichen Verfahren ist der Versicherte für tot erklärt und als Todeszeitpunkt der 21.7.2010 festgesetzt worden (Beschluss des AG Oberndorf vom 9.7.2019 - 3 UR II 15/18 -; Beschluss des OLG Stuttgart vom 31.3.2021 - 8 W 3335/19 -; der Beschluss des AG Oberndorf ist seit dem 12.4.2021 rechtskräftig).
Ein von den vormaligen Abwesenheitspflegerinnen angestrengtes sozialgerichtliches Eilverfahren ist erfolglos geblieben (Beschluss des SG vom 2.9.2019 - S 10 R 1727/19 ER; Beschlüsse des LSG vom 8.10.2019 - L 13 R 3205/19 ER B - und vom 8.11.2019 - L 13 R 3663/19 RG -; Beschluss des BSG vom 17.12.2019 - B 13 R 59/19 S). Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG hat das LSG mit Urteil vom 7.7.2021 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte könne sich bei Feststellung des mutmaßlichen Todestags und Einstellung der Rentenzahlungen auf § 102 Abs 6 Satz 1 SGB VI stützen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Vorschrift erst am 22.4.2015 und damit knapp fünf Jahre nach dem Eintritt der Verschollenheit in Kraft getreten sei. § 300 Abs 1 SGB VI lasse sich der Grundsatz entnehmen, dass ein Rechtsanwender das neue Recht auch für Zeiten vor dessen Geltung heranzuziehen habe, wenn nach dem Inkrafttreten eine rentenversicherungsrechtliche Entscheidung zu treffen sei. Die von der Beklagten beabsichtigte weitere Rückforderung der überzahlten Rente sei nicht Gegenstand des Verfahrens.
Das LSG hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen. Die vormaligen Abwesenheitspflegerinnen haben am 11.8.2021 für den Versicherten Prozesskostenhilfe (PKH) für eine dagegen noch einzulegende Beschwerde beantragt. Zugleich haben sie eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe nebst verschiedener Unterlagen vorgelegt, ua ein zum Stichtag 23.7.2019 erstelltes, auf den Versicherten bezogenes Vermögensverzeichnis. Zur inhaltlichen Begründung ihres Antrags haben sie eine Beschwerdeschrift im Entwurf vorlegt.
Der Senat hat die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im betreuungsrechtlichen Verfahren sowie die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Er hat den vormaligen Abwesenheitspflegerinnen mit Schreiben vom 3.2.2022 einen Hinweis erteilt und Gelegenheit zur Äußerung bis letztlich zum 30.3.2022 gegeben. Diese haben sich mit Schreiben vom 23.2.2022 und 28.3.2022 geäußert.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.
1. Der von den vormaligen Abwesenheitspflegerinnen unter Bezugnahme auf diese Funktion gestellte Antrag ist unzulässig. Die vormaligen Abwesenheitspflegerinnen sind nicht länger zur Vertretung des Versicherten befugt. Die Abwesenheitspflegschaft hat gemäß § 1921 Abs 3 BGB am 12.4.2021 mit der Rechtskraft des Beschlusses des AG Oberndorf vom 9.7.2019 geendet. Dass die vormaligen Abwesenheitspflegerinnen nach ihrem Vorbringen Beschwerde gegen den Beschluss des OLG Stuttgart vom 31.3.2021 eingelegt haben, steht der Rechtskraft der betreuungsgerichtlichen Entscheidung nicht entgegen. Der genannte Beschluss des OLG Stuttgart ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar. Soweit die vormaligen Abwesenheitspflegerinnen Bezug auf ihr Schreiben vom 8.12.2019 nehmen, betraf dies eine im Namen des Versicherten geführte Beschwerde gegen den Beschluss des LSG vom 8.11.2019, der auf eine Anhörungsrüge im sozialgerichtlichen Eilverfahren hin ergangenen ist. Das BSG hat diese Beschwerde mit Beschluss vom 17.12.2019 verworfen. Wird ein Abwesender im betreuungsgerichtlichen Verfahren für tot erklärt, endigt die Pflegschaft mit der Rechtskraft der Todeserklärung kraft Gesetz (§ 1921 Abs 3 BGB), ohne dass es einer gesonderten Aufhebung bedarf (vgl zB Bienwald in Staudinger ≪2017≫ BGB, § 1921 RdNr 3; Schneider in MüKomm zum BGB, 8. Aufl 2020, § 1921 RdNr 2). Ob das sozialgerichtliche Verfahren seit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des AG Oberndorf vom 9.7.2019 gemäß § 202 Satz 1 SGG iVm § 239 Abs 1 ZPO unterbrochen ist (vgl hierzu zB Becker in Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl 2022, § 239 RdNr 6), kann offenbleiben.
2. Ungeachtet dessen wäre PKH für den Versicherten auch bei einer wirksamen Antragstellung nicht zu bewilligen. Eine PKH-Bewilligung zu seinen Gunsten ist ausgeschlossen (vgl allgemein zu den Bewilligungsvoraussetzungen § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO). Für einen verstorbenen Beteiligten kann keine PKH mehr bewilligt werden (vgl nur Dunkhase in Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl 2022, § 119 RdNr 26 mwN; vgl ebenfalls LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 29.8.2018 - L 7 SO 2855/18 B - juris RdNr 3, auch zum Streitstand zu der hier nicht betroffenen Frage, ob bei der verzögerten Bearbeitung eines noch zu Lebzeiten gestellten PKH-Antrags eine rückwirkende Bewilligung in Betracht kommt). Im Fall einer betreuungsrechtlichen Todeserklärung gilt nichts anderes, denn diese begründet die Vermutung, dass der Verschollene in dem im Beschluss festgestellten Zeitpunkt gestorben ist (§ 9 Abs 1 Satz 1 VerschG). Die Vermutung gilt bis zum Beweis der Unrichtigkeit (vgl zB Fritsche in Staudinger/Fritzsche ≪2018≫, VerschG § 9 RdNr 24).
3. Dass die vormaligen Abwesenheitspflegerinnen das Verfahren im eigenen Namen weiterführen wollen oder im Namen der Rechtsnachfolger des Klägers (Erbengemeinschaft) - zu denen nach ihren Angaben auch ihre beiden Brüder gehören - und PKH für sich erstreben, lässt sich auch ihren Schreiben vom 23.2.2022 und 28.3.2022 nicht mit der notwendigen Klarheit entnehmen. Im letztgenannten Schreiben äußern sie sich vielmehr weiterhin unter Bezugnahme auf ihre (vormalige) Stellung als Abwesenheitspflegerinnen und bekräftigen ihre Auffassung, die Todeserklärung im betreuungsrechtlichen Verfahren sei nicht rechtskräftig geworden.
Fundstellen
Dokument-Index HI15225270 |