Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Bezeichnung des Verfahrensmangels. Verletzung des rechtlichen Gehörs. Besetzungsrüge im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde
Orientierungssatz
1. Mit der Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl § 62 SGG) kann ein Beteiligter nur dann durchdringen, wenn er vor dem LSG alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen.
2. Die Rüge fehlerhafter Besetzung des Berufungsgerichts bei Erlass des angefochtenen Urteils kann im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde ausnahmsweise darauf gestützt werden, die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs beruhe auf willkürlichen Erwägungen oder habe Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkannt (vgl BSG vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B = SozR 4-1100 Art 101 Nr 3).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3, § 60 Abs. 1 S. 1, § 62; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; ZPO § 42 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Februar 2013 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 20.2.2013 einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente aus der beklagten Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau verneint. Ein Anspruch der Klägerin folge auch nicht aus dem vorangegangenen Verfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund, in dem das LSG mit Urteil vom 7.12.2011 einen Erwerbsminderungsrentenanspruch zuerkannt habe. Da sich die Klägerin ohne Angabe von Gründen einer erneuten Begutachtung hinsichtlich ihres psychischen Gesundheitszustandes verweigere, gehe die diesbezügliche Unaufklärbarkeit zu ihren Lasten. Angesichts der insoweit festzustellenden Unaufklärbarkeit des Sachverhalts in psychischer Hinsicht beständen auf der Grundlage der übrigen medizinischen Befunde keine ernsthaften Zweifel hinsichtlich einer Einsetzbarkeit der Klägerin im Berufsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem am 2.3.2013 zugestellten Urteil hat die Klägerin beim Bundessozialgericht (BSG) durch das Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 12.3.2013 (eingegangen am 14.3.2013) Beschwerde eingelegt und nach dessen Mandatsniederlegung vom 14.5.2013 mit Schreiben vom 15.5.2013 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens beantragt.
Der PKH-Antrag der Klägerin ist unbegründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die von der Klägerin angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Hinreichende Erfolgsaussicht hätte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen lässt sich nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des LSG-Urteils und des Vortrags der Klägerin keiner feststellen.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39) und die Anwendung mindestens einer Vorschrift des Bundesrechts betrifft (s § 162 SGG). Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4) oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65). Rechtsfragen, die in diesem Sinne klärungsbedürftig sein könnten, sind hier nicht ersichtlich.
Das LSG hat mit Urteil vom 20.2.2013 unter Auswertung des gesamten Streitstoffes einen Anspruch der Klägerin abgelehnt, weil die Voraussetzungen nach § 13 Abs 1 ALG iVm § 43 SGB VI nicht vorlägen. Bei der rechtlichen Bewertung der diesen Vorschriften zugrunde liegenden Voraussetzungen hat sich das LSG in seiner Entscheidung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des BSG gestützt und unter Auswertung der medizinischen Befunde einen Erwerbsminderungsrentenanspruch der Klägerin aus der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau abgelehnt. Eine in diesem Zusammenhang bestehende klärungsbedürftige Rechtsfrage, zu der insbesondere noch keine Rechtsprechung des BSG vorliegt, ergibt sich weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen der Klägerin.
Eine Zulassung nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG scheidet ebenfalls aus. Die danach erforderliche Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder BVerfG zugrunde gelegten Rechtsansicht im Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Das LSG hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert.
Zudem ist auch kein Verfahrensmangel ersichtlich, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Ein solcher lässt sich jedenfalls weder dem Vorbringen der Klägerin noch den vorliegenden Gerichtsakten entnehmen.
Auf eine Verletzung der Sachverhaltsaufklärungspflicht (§ 103 SGG) wird die Nichtzulassungsbeschwerde schon deshalb nicht gestützt werden können, weil das LSG ausweislich der Beweisanordnung vom 28.9.2012 die Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. Sch. mit der Begutachtung des Leistungsvermögens der Klägerin auf der Grundlage einer erneuten Untersuchung beauftragt hat. Die Klägerin selbst hat diesen Beweis durch ihre Weigerung verhindert. Des Weiteren fehlt es auch an einem weitergehenden Beweisbegehren der Klägerin, welches diese gegenüber dem LSG bis zuletzt aufrechterhalten hat und dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sein könnte (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).
Eine Erfolgsaussicht lässt sich für eine mögliche Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl § 62 SGG) ebenfalls nicht feststellen. Mit dieser kann ein Beteiligter nur dann durchdringen, wenn er vor dem LSG alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 62 RdNr 11d mwN). Eine solche Rügemöglichkeit ist hier nicht zu erkennen.
Gleiches gilt im Ergebnis für die Rüge einer Befangenheit des Vorsitzenden des LSG und damit einhergehend für die Rüge einer fehlerhaft besetzten Richterbank des LSG. Die Rüge fehlerhafter Besetzung des Berufungsgerichts bei Erlass des angefochtenen Urteils kann im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde zwar ausnahmsweise darauf gestützt werden, die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs beruhe auf willkürlichen Erwägungen oder habe Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkannt (BSG vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - SozR 4-1100 Art 101 Nr 3). Vorliegend hat die Klägerin allerdings im Berufungsverfahren keinen Ablehnungsantrag gestellt, sodass kein abgelehnter Richter an der angegriffenen Entscheidung mitgewirkt hat. Ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters iS des Art 101 Abs 1 S 2 GG ist im Übrigen nicht ersichtlich.
Schließlich könnte auch eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG nicht mit Erfolg als Revisionszulassungsgrund gerügt werden (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
Da der Klägerin keine PKH zusteht, kann sie auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Die von der Klägerin selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Die Klägerin muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen, da sie nicht selbst zum Kreis der vertretungsbefugten Personen gehört. Sowohl die Beschwerdeschrift als auch die Beschwerdebegründungsschrift muss von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils sowie mit Schreiben des Senats vom 16.5.2013 ausdrücklich hingewiesen worden.
Die Verwerfung der nicht formgerecht eingelegten Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen