Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. September 2016 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zu Grunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob der Kläger ab 1.2.2014 als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig ist, insbesondere darüber, ob § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V mit seinen Voraussetzungen für den Zugang hierzu (9/10-Belegung in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens) verfassungswidrig ist. Die beklagte Krankenkasse hatte dem Kläger gegenüber festgestellt, dass er die notwendige Vorversicherungszeit nicht erfülle. Widerspruch und Klage waren erfolglos geblieben. Das Bayerische LSG hat die Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 7.9.2016 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers.
II
1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen LSG vom 7.9.2016 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung seines Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Mit der Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Revisionszulassung demgegenüber nicht herbeiführen.
Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 17.11.2016 allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Um diesen Zulassungsgrund ordnungsgemäß darzulegen, muss die Beschwerdebegründung im Hinblick auf § 160a Abs 2 S 3 SGG ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Der Kläger wirft auf S 2 seiner Beschwerdebegründung folgende Frage auf:
"Ist es mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG vereinbar, dass die Zugangsvoraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner in § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V nur an die zweite Hälfte des Zeitraumes zwischen der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages anknüpfen oder verstößt es gegen Art. 3 GG, dass Personen, deren Erwerbs- bzw. Versicherungsleben davon geprägt war, dass sie jedenfalls überwiegend in der Krankenversicherung pflichtversichert waren gegenüber Personen benachteiligt werden, welche lediglich während der zweiten Hälfte ihres Erwerbs- bzw. Versicherungslebens zu 90% und damit insgesamt lediglich 45% ihres Versicherungs- bzw. Erwerbslebens gesetzlich krankenversichert waren?"
Zur Erläuterung bezieht sich der Kläger auf den Beschluss des BVerfG vom 15.3.2000 (1 BvL 16/96 ua - BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42), zitiert hierzu bestehende Leit- bzw Orientierungssätze und teilt mit, dass Beitragsunterschiede bisher weder aufgehoben noch angenähert worden seien und auch der Zugang zur Krankenversicherung der Rentner nicht für solche Personen (weiter) geöffnet worden sei, die "jedenfalls überwiegend in der Krankenversicherung pflichtversichert" waren. Die vollumfängliche Nichtberücksichtigung der Mitgliedschaft während der ersten Hälfte des Erwerbs- bzw Versicherungslebens bestehe weiterhin (S 4 der Beschwerdebegründung). Unter Heranziehung einer Passage des erwähnten Beschlusses vom 15.3.2000 befasst sich der Kläger sodann mit möglichen Rechtfertigungsgründen für die vom Gesetzgeber vorgenommene (zeitliche) Differenzierung und stellt sich auf den Rechtsstandpunkt, dass Sachgründe dafür, für die "zeitliche Dauer der Beteiligung an der Solidargemeinschaft" nur die zweite Hälfte des Erwerbslebens heranzuziehen, nicht ersichtlich seien, für die typisierende Annahme, erst in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens werde eine weitgehend stabile berufliche und finanzielle Lebensstellung erreicht, keine hinreichenden empirischen Grundlagen vorlägen und auch der sozialpolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (Hinweis auf BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) die im Gesetz enthaltene (zeitliche) Differenzierung nicht trage (S 5 der Beschwerdebegründung). Der Gesetzgeber habe die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren nicht hinreichend gewürdigt; die Regelung erscheine willkürlich (S 6 der Beschwerdebegründung).
Mit diesem Vorbringen legt der Kläger den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), die sich auch auf eine Frage des Verfassungsrechts beziehen kann, nicht in der gebotenen Weise dar.
a) Weil die Beschwerdebegründung hierzu Anlass gibt, zunächst einige klarstellende Bemerkungen zur Ausgangslage:
Nach der seit dem 1.1.1993 bis zum 31.3.2002 geltenden Fassung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V (vgl Art 1 Nr 1 des Gesundheitsstrukturgesetzes ≪GSG≫ vom 21.12.1992, BGBl I 2266) waren versicherungspflichtig Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) erfüllten und diese Rente beantragt hatten, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags (sog Rahmenfrist) mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraumes aufgrund einer Pflichtversicherung Mitglied oder aufgrund einer Pflichtversicherung nach § 10 SGB V versichert waren. Spätere Änderungen der Vorschrift betrafen nicht mehr die Anknüpfungspunkte für die Rahmenfrist (!), sondern nur noch die Art der Versicherungszeiten, die für die Vorversicherung anrechenbar waren. So setzte vor Änderung der Vorschrift durch das GSG zum 1.1.1993 § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V in der seit dem 1.1.1989 geltenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) für die Pflichtmitgliedschaft lediglich voraus, dass innerhalb der Rahmenfrist mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums eine Mitgliedschaft oder eine Versicherung nach § 10 SGB V bestanden hatte. Das BVerfG hat § 5 Abs 1 Nr 11 Halbs 1 SGB V idF des GSG für mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar erklärt, soweit die erforderliche 9/10-Belegung nicht mehr durch Zeiten einer freiwilligen Versicherung erfüllt werden konnte. Es hat gleichzeitig entschieden, dass die Vorschrift dennoch bis zum 31.3.2002 angewendet werden konnte und dass sich bei fehlender gesetzlicher Neuregelung bis zu diesem Datum der Zugang von Rentnern zur gesetzlichen Krankenversicherung ab 1.4.2002 wieder nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V idF des GRG bestimmt (Beschluss vom 15.3.2000 - 1 BvL 16/96 ua - BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42). Weil der Gesetzgeber bis zum 1.4.2002 eine Neuregelung unterlassen hatte, kam seit diesem Zeitpunkt wieder § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V idF des GRG zur Anwendung. Durch Art 1 Nr 2 Buchst a aa) des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007 (BGBl I 378) hat der Gesetzgeber dann den Wortlaut des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V mit Wirkung ab 1.4.2007 der materiell-rechtlichen Rechtslage angepasst, die infolge der Rechtsprechung des BVerfG seit dem 1.4.2002 bestand.
b) Vor diesem Hintergrund wird die Beschwerdebegründung den oben genannten Begründungsanforderungen nicht gerecht. Der Kläger stellt darin zwar eine über seinen Einzelfall hinausgehende abstrakte Rechtsfrage zur Vereinbarkeit des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V als einer revisiblen Rechtsnorm mit höherrangigem Recht. Er macht allerdings zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage in einem von ihm angestrebten Revisionsverfahren keine hinreichenden Ausführungen. Dazu genügt es nicht schon allein, vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer bestimmten Norm auf ihre unmittelbar in der Fragestellung zum Ausdruck kommende thematische Einschlägigkeit hin zu untersuchen. Fehlender revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf kann sich nämlich auch daraus ergeben, dass eine Rechtsfrage als geklärt angesehen werden muss, weil sich ihre Beantwortung zumindest aus anderen höchstrichterlichen Entscheidungen erschließen lässt, die ausreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage bieten (vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 8 mwN aus der Rechtsprechung). Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit insoweit Zweifel, muss die Beschwerdebegründung sich hiermit befassen und weitere Ausführungen machen. Soll die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes hergeleitet werden, muss der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG ausführlich darlegen, worin er die für eine - von ihm erstrebte - Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale erblickt, sich mit möglichen Rechtfertigungsgründen befassen und substantiierte Erwägungen dazu anstellen, ob der Gesetzgeber mit der angesprochenen Regelung die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat oder nicht.
Der Kläger unterlässt es schon, sich über die von ihm - auszugsweise - zitierten Entscheidungen des BVerfG hinaus mit dessen Rechtsprechung zu der von ihm als verletzt gerügten Verfassungsnorm des Art 3 Abs 1 GG zu befassen. Er beschäftigt sich weder allgemein mit verfassungsrechtlicher Rechtsprechung zur Differenzierung in Bezug auf die Rechtsfolgen gleicher bzw ungleicher Sachverhalte noch geht er substantiiert auf Gesichtspunkte ein, die das BVerfG - insbesondere im Bereich des Sozialversicherungsrechts - als hinreichende sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung anerkannt hat. Der Kläger stellt in seiner Beschwerdebegründung ersichtlich keine Überlegungen dazu an, dass bei komplexen Zusammenhängen gerade im Sozialversicherungsrecht eher großzügige Maßstäbe, Vergröberungen und Typisierungen bei den Anspruchsvoraussetzungen ebenso wie auch zeitliche Grenzen wie Stichtagsregelungen verfassungsrechtlich unbedenklich sein können (vgl zB Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl 2014, Art 3 RdNr 15, 25, 54). Mit der einschlägigen (Typisierungs)Rechtsprechung des BVerfG etwa beschäftigt sich der Kläger gar nicht. Auch setzt er sich nicht mit den späteren, dem Beschluss des BVerfG vom 15.3.2000 nachfolgenden Urteilen des BSG vom 7.12.2000 (B 12 KR 29/00 R - SozR 3-2500 § 5 Nr 44), 5.7.2006 (B 12 KR 15/05 R - SozR 4-2500 § 5 Nr 4 RdNr 18 f) und 4.6.2009 (B 12 KR 26/07 R - BSGE 103, 235 = SozR 4-2500 § 5 Nr 8, RdNr 19) auseinander, in denen dieses die Verfassungsmäßigkeit der 9/10-Belegung in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens als Zugangsvoraussetzung nicht angezweifelt hat.
Die Beschwerdebegründung geht auch nicht hinreichend darauf ein, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung der Voraussetzungen für sozialrechtliche Begünstigungen (hier: Gewährung kostengünstigen Krankenversicherungsschutzes für Rentner) über einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative verfügt. Wenn es daher - wie von dem Kläger selbst angeführt - in den Gesetzesmaterialien zu § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V heißt, die getroffene Regelung solle den Gedanken der Solidarität stärker betonen, indem vermieden werde, die Versichertengemeinschaft mit Krankheitskosten von Personen zu belasten, die während der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens der gesetzlichen Krankenversicherung nicht längere Zeit angehört haben (BT-Drucks 11/2237 S 159), gab es Anlass, unter diesem Blickwinkel nähere Erwägungen anzustellen als dargelegt. Soweit der Kläger eine entsprechende Typizität in Abrede stellt, weil für deren Annahme hinreichende empirische Grundlagen fehlten, reicht dieser (pauschale) Vortrag nicht, um hiermit zusammenhängende Fragen in zulassungsrelevanter Weise als klärungsbedürftig geblieben oder erneut klärungsbedürftig geworden darzulegen.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10862101 |