Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. Oktober 2023, das ihr am 28. Dezember 2023 zugestellt worden ist, wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Klägerin, ihr zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt R beizuordnen, wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von höheren Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Das SG hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin weitere Leistungen zu gewähren(Urteil vom 25.8.2016) . Das LSG hat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 26.10.2023 auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Ein von den Richtern nicht unterschriebener Entwurf des Urteils vom 26.10.2023, in dem es ua heißt, die Berufung des Beklagten sei unbegründet, wurde den Beteiligten am 27.12.2023 ohne Signaturvermerk elektronisch zugestellt. Daraufhin hat die Klägerin beim LSG noch am selben Tag beantragt, den Tenor des Urteils dahingehend zu berichtigen, dass die Berufung des Beklagten zurückgewiesen wird.
Am 28.12.2023 wurde der Klägerin eine beglaubigte Abschrift des von den Berufsrichtern des LSG unterschriebenen Urteils elektronisch zugestellt; in dem Urteil wird - in Übereinstimmung mit dem Tenor - ausgeführt, dass die Berufung des Beklagten begründet sei. In einem Begleitschreiben hat das LSG der Klägerin mitgeteilt, dass am 27.12.2023 eine frühere Entwurfsfassung des Urteils zugestellt worden sei, die mit dem Original nicht übereinstimme.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihr am 28.12.2023 gestellten Urteil.
II
1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein das der Klägerin am 28.12.2023 zugestellte Urteil. Dies ergibt sich aus der Beschwerdeschrift, die insofern ausdrücklich das Urteil "vom 26.10.2023, zugestellt am 28.12.2023" benennt(zur Bedeutung des Wortlauts anwaltlicher Schriftsätze BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 13/20 R- SozR 4-1500 § 88 Nr 3 RdNr 23 aE mwN) .
Nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist damit der Urteilsentwurf, der der Klägerin am 27.12.2023 zugestellt worden ist. Bei Urteilen, die ohne mündliche Verhandlung ergehen( § 124 Abs 2 SGG) , wird die Verkündung durch Zustellung ersetzt( § 133 Satz 1 SGG) . Ist das zugestellte Urteil - wie hier - entgegen § 153 Abs 3 SGG(im erstinstanzlichen Verfahren: § 134 Abs 1 SGG) im Original(nicht erforderlich ist die richterliche Unterzeichnung der beglaubigten Abschriften: BSG vom 14.10.2022 - B 4 AS 102/22 BH- juris RdNr 5 mwN) nicht von den Berufsrichtern unterschrieben bzw gemäß § 65a Abs 7 Satz 1 SGG unter Hinzufügung des Namens am Ende des Dokuments qualifiziert elektronisch signiert, liegt bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung ein Nicht- oder Scheinurteil vor( BVerwG vom 3.12.1992 - 5 C 9.89-BVerwGE 91, 242 ff; BGH vom 24.6.2019 - AnwZ (Brfg) 18/19 - juris RdNr 4 ff; BAG vom 9.5.2023 - 3 AZR 280/22- juris RdNr 10; Hübschmann in BeckOGK, 3. Aufl 2023, § 125 SGG RdNr 118, 121 f, § 141 RdNr 43, Stand 1.2.2024; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 125 RdNr 5a; weitere Nachweise bei Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 153 RdNr 70; insofern offengelassen von BSG vom 17.12.2015 -B 2 U 150/15 B- juris RdNr 8) . Ob dessen klarstellende Aufhebung durch das Rechtsmittelgericht(dazu BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 150/15 B- juris RdNr 9 ff; BVerwG vom 3.12.1992 - 5 C 9.89-BVerwGE 91, 242 ff) auch (noch) beansprucht werden kann, wenn zwischenzeitlich ein ordnungsgemäß unterschriebenes Urteil mit gleichem Tenor zugestellt worden ist, kann der Senat dahinstehen lassen, da dieses Scheinurteil gerade nicht zum Gegenstand der Beschwerde gemacht worden ist.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil ein Zulassungsgrund( § 160 Abs 2 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist( § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) . Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen( § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG) .
Mit dem Vorbringen, "das Urteil sei derart handgreiflich falsch, dass es schlicht keinen Bestand haben kann", wird ein Revisionszulassungsgrund nicht geltend gemacht. Die materielle "Unrichtigkeit" eines Urteils stellt keinen Revisionszulassungsgrund dar(zuletzt etwa zur Grundsatzrüge BSG vom 15.12.2023 - B 4 AS 66/23 B- juris RdNr 7; zur Divergenzrüge BSG vom 17.11.2023 - B 4 AS 78/23 B- juris RdNr 8) . Aber auch ein Verfahrensmangel wird in der Beschwerdebegründung nicht bezeichnet. Die Klägerin rügt zwar, dass das LSG "Entscheidungsgründe hinterhergeschoben [hat], die jetzt plötzlich auch zum Tenor passen". Damit ist aber ein Verfahrensmangel - etwa eine Verletzung der § 128 Abs 1 Satz 2, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG- schon deswegen nicht schlüssig vorgetragen, weil sich die Beschwerdebegründung nicht damit auseinandersetzt, dass zunächst nur ein im Original nicht unterzeichneter Urteilsentwurf zugestellt worden ist.
3. Weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet( § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO) , ist der Klägerin auch keine PKH zu bewilligen. Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts( § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO) .
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Fuchsloch |
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Harich |
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Burkiczak |
Fundstellen
Dokument-Index HI16444052 |