Leitsatz (amtlich)
Das Armenrecht zur Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist, unabhängig von den Erfolgsaussichten der Beschwerde, dem erfolglos gebliebenen Berufungskläger dann zu versagen, wenn eine zugelassene Revision nur zur Verwerfung der Berufung als unzulässig führen kann.
Orientierungssatz
Höhenstreitigkeit iS des SGG § 147:
1. Ist bei der Arbeitslosenhilfe allein die Bemessungsgrundlage streitig, handelt es sich um einen Höhenstreit iS des SGG § 147 (vgl BSG 1960-06-28 7 RAr 94/58 = BSGE 12, 221, 222); das gilt jedenfalls dann, wenn trotz des Streits um die Höhe des Bemessungsentgelts ein Arbeitslosenhilfebetrag auszuzahlen bleibt.
2. Ebenso handelt es sich um einen Höhenstreit iS des SGG § 147, wenn streitig ist, inwieweit der Kläger bedürftig ist, dh, welches Einkommen auf den Leistungssatz anzurechnen ist, sofern nur ein Betrag als Arbeitslosenhilfe auszuzahlen bleibt.
Normenkette
SGG § 147 Fassung: 1958-06-25, § 160 Abs. 2 Fassung: 1974-07-30, § 167 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 114 Fassung: 1950-09-12; SGG § 160a; AFG §§ 136-137
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 26.03.1980; Aktenzeichen L 2/7 Ar 128/79) |
SG Hannover (Entscheidung vom 22.08.1979; Aktenzeichen S 22 Ar 299/78) |
Gründe
Das Armenrecht ist nur zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 167 Sozialgerichtsgesetz -SGG-, § 114 Abs 1 Satz 1 Zivilprozeßordnung). Hieran fehlt es.
Ob eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, ist bei der Gewährung des Armenrechts für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht allein danach zu beurteilen, ob die Beschwerde Aussicht auf Erfolg hat. Die erfolgreiche Beschwerde eröffnet dem Beschwerdeführer nur die Möglichkeit, Revision einzulegen; erst die erfolgreiche Revision beseitigt das den Revisionsführer belastende Urteil der Vorinstanz. Eine nur auf die Erfolgsaussicht der Beschwerde abstellende Betrachtung wäre daher rein formeller Natur. Eine solche Betrachtung stünde mit dem Zweck des Armenrechts, die Durchsetzung des materiellen Rechts zu ermöglichen und den Minderbemittelten in die Lage zu versetzen, wie ein verständiger, nicht armer Beteiligter zu handeln, nicht im Einklang; denn ein nicht armer, verständiger Beteiligter sieht von der Nichtzulassungsbeschwerde ab, wenn die nachfolgende Revision nicht zur Beseitigung des ihn belastenden Urteils der Vorinstanz zu führen vermag und ihm schon durch die Nichtzulassungsbeschwerde Kosten entstehen. Der Senat hat daher schon entschieden, daß das Armenrecht für eine lediglich auf einen wesentlichen Mangel des Verfahrens zu stützende Nichtzulassungsbeschwerde zu versagen ist, wenn eine zugelassene Revision aufgrund der bindenden Feststellungen des Landessozialgerichts materiellrechtlich nicht zum Erfolg führen könnte (SozR 1750 § 114 Nr 1 mwN). Aus den gleichen Gründen ist das Armenrecht für eine Nichtzulassungsbeschwerde zu versagen, wenn die Revision nur dazu führen könnte, daß die insgesamt erfolglos gebliebene Berufung des Minderbemittelten in vollem Umfange als unzulässig verworfen werden müßte. So aber liegt der Fall hier, da die Berufung des Klägers die Höhe der Arbeitslosenhilfe (Alhi) betraf, in Angelegenheiten der Alhi die Berufung nach § 147 SGG aber nicht zulässig ist, soweit sie die Höhe der Leistung betrifft.
Gegenstand der Berufung war der Anspruch auf Alhi für die Zeit vom 1. März bis 13. April 1978 und vom 12. Juni 1978 bis 28. Februar 1979. Die Beklagte hatte dem Kläger Alhi für die genannten Zeiten gewährt; der Kläger erstrebt jedoch höhere Leistungen, weil zur Bemessung der Alhi ein höheres Arbeitsentgelt anzusetzen sei und auf den so errechneten Leistungssatz weder sein Einkommen aus Hausbesitz noch sein Unterhaltsanspruch gegen seinen Sohn anzurechnen seien. Ist bei der Alhi allein die Bemessungsgrundlage streitig, handelt es sich um einen Höhenstreit iS des § 147 SGG (vgl BSGE 12, 221, 222); das gilt jedenfalls dann, wenn trotz des Streits um die Höhe des Bemessungsentgelts ein Alhi-Betrag auszuzahlen bleibt. Ebenso handelt es sich um einen Höhenstreit iS des § 147 SGG, wenn streitig ist, inwieweit der Kläger bedürftig ist, dh, welches Einkommen auf den Leistungssatz anzurechnen ist, sofern nur ein Betrag als Alhi auszuzahlen bleibt. Entsprechend hat der Senat mit seinem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil vom 11. Dezember 1979 - 7 RAr 2/79 - eine Berufung als Höhenstreit iS des § 147 SGG verworfen, mit der sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Leistung höherer Berufsausbildungsbeihilfe wehrte, weil sie im Gegensatz zum Sozialgericht der Ansicht war, daß ein bestimmtes Einkommen hätte angerechnet werden müssen. Nichts anderes aber gilt, wenn sowohl die Bemessungsgrundlage, als auch das anzurechnende Einkommen streitig sind und dieser Streit, wie das hier der Fall ist, keinen Einfluß darauf hat, daß für die ganze in Betracht kommende Bezugszeit ein Betrag als Alhi auszuzahlen bleibt.
Die Berufung unterfällt daher in vollem Umfange dem Berufungsausschluß nach § 147 SGG. Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen; die unrichtige Rechtsmittelbelehrung ersetzt die richterliche Entscheidung der Zulassung nicht (seit BSGE 2, 121, 125 f ständige Rechtsprechung). Einen Mangel des sozialgerichtlichen Verfahrens hat der Kläger, der durch die Berufungserwiderung darauf hingewiesen worden ist, daß die Statthaftigkeit der Berufung zweifelhaft ist, nicht gerügt. Die Berufung ist daher auch nicht nach § 150 SGG zulässig.
Könnte mithin eine Revision des Klägers nur dazu führen, daß die Berufung des Klägers insgesamt als unzulässig verworfen werden müßte, bliebe es bei der Klagabweisung durch das Sozialgericht. Daher kann dem Kläger das Armenrecht für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gewährt werden.
Fundstellen