Verfahrensgang
SG Stuttgart (Entscheidung vom 05.01.2023; Aktenzeichen S 22 SB 471/22) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 06.05.2024; Aktenzeichen L 12 SB 418/23) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. Mai 2024 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grads der Behinderung (GdB). Seine auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bei einem GdB von mindestens 50 anstelle des bereits zuerkannten GdB von 30 gerichtete Berufung hat das LSG mit Urteil vom 6.5.2024 zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und mit der Verletzung seines rechtlichen Gehörs begründet.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Der Kläger hat den ausschließlich geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels wegen Verletzung rechtlichen Gehörs nicht in der danach vorgeschriebenen Weise bezeichnet.
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG ,§ 62 SGG ), weil das LSG das Gutachten des auf seinen Antrag nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen T "falsch bewertet" habe. Sein Vorbringen verfehlt jedoch die Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels.
§ 62 SGG konkretisiert den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG ) und soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten(§ 128 Abs 2 SGG ), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird(vgl stRspr; zBBSG Beschluss vom 2.2.2022 - B 9 SB 47/21 B - juris RdNr 12 mwN) . Das Gericht muss jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bietet keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen(vgl stRspr; zBBVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 - juris RdNr 43;BSG Beschluss vom 2.2.2022 - B 9 SB 47/21 B - juris RdNr 12 ) . Er gewährleistet nur, dass ein Beteiligter mit seinem Vortrag "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. Die Gerichte werden durchArt 103 Abs 1 GG nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen(vgl stRspr; zBBSG Beschluss vom 4.5.2020 - B 9 SB 84/19 B - juris RdNr 11 mwN) .
Nach diesen Vorgaben hat es der Kläger in seiner Beschwerdebegründung schon versäumt substantiiert darzulegen, welcher sachgerechte Vortrag zum Prozessstoff keine Beachtung gefunden haben soll. Der Kläger ist der Ansicht, das LSG habe das Gutachten des Sachverständigen T "falsch bewertet", obwohl es nachvollziehbar sei und den ersorgungsmedizinischen Grundsätzen entspreche. Unter anderem habe sich der Zustand seiner Schulter bis zur Erstellung des Gutachtens durch den Sachverständigen T kontinuierlich verschlechtert, was das Berufungsgericht nicht beachtet habe. Zudem habe es im Einzelnen benannte Beeinträchtigungen im beruflichen und privaten Bereich unberücksichtigt gelassen.
Indes hat der Kläger nicht substantiiert aufgezeigt, inwieweit er diese vermeintliche Verschlechterung und die weiteren behaupteten Beeinträchtigungen gegenüber den im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen H und T - gegebenenfalls auch nachträglich - geltend gemacht hat und in welchem Umfang sie im Einzelnen in deren Gutachten eingeflossen sind, die vom Berufungsgericht in seinem Urteil eingehend gewürdigt worden sind.
Vielmehr will der Kläger tragende Gesichtspunkte der eingeholten Sachverständigengutachten anders bewerten als das LSG und insbesondere im Ergebnis demjenigen des T Vorrang einräumen. Damit wendet er sich im Kern seines Vorbringens letztlich gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, die auch die Würdigung voneinander abweichender Gutachtenergebnisse oder ärztlicher Auffassungen umfasst(vglBSG Beschluss vom 22.12.2023 - B 9 SB 26/23 B - juris RdNr 12 ;BSG Beschluss vom 11.5.2022 - B 9 SB 67/21 B - juris RdNr 7 ). Diese Beweiswürdigung ist jedoch gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzogen. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Regelung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden(stRspr; zBBSG Beschluss vom 1.7.2020 - B 9 SB 5/20 B - juris RdNr 10 mwN) . Diese gesetzliche Beschränkung des Rechtsmittels der Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht durch die Berufung auf die vermeintliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör umgangen werden, indem der Beschwerdeführer die Rüge fehlerhafter Beweiswürdigung in das Gewand einer Gehörsrüge zu kleiden versucht(vgl stRspr; zBBSG Beschluss vom 24.1.2023 - B 9 V 31/22 B - juris RdNr 13 mwN) .
Unabhängig davon hat der Kläger auch nicht dargelegt, alles unternommen zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen, insbesondere durch die Ausübung seines Fragerechts an die im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen nach § 116 Satz 2, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm§§ 397 ,402 ,411 Abs 4 ZPO(vglBSG Beschluss vom 2.2.2022 - B 9 SB 47/21 B - juris RdNr 16 ;BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 5 R 22/18 B - juris RdNr 32 ) . Dies hätte angesichts der mit der Beschwerde geäußerten Zweifel am Inhalt des von Amts wegen eingeholten Gutachtens des Sachverständigen H nahegelegen.
Schließlich kann es als solches ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen, dass der Kläger die Entscheidung des LSG inhaltlich für unrichtig hält(vgl stRspr; zBBSG Beschluss vom 28.10.2020 - B 10 EG 1/20 BH - juris RdNr 11 ;BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4) .
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(vgl§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von§ 193 SGG .
Fundstellen
Dokument-Index HI16574439 |