Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfortbildung von BSG-Entscheidungen

 

Orientierungssatz

Zur Rechtsfortbildung von BSG-Entscheidungen:

Der Rechtsfortbildung kann nach Änderung der Arzneimittel-Richtlinien eine Entscheidung des BSG nur dienen, wenn sie entweder noch für eine erhebliche Zahl von anhängigen Fällen Bedeutung hat oder wenn sie aus anderen Gründen für die Zukunft noch richtungweisend sein kann.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 1; AMRL Nr 21 Buchst c

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.02.1988; Aktenzeichen L 1 Ka 913/86)

 

Gründe

Der Kläger ficht in dem Rechtsstreit einen Regreßbescheid der Beklagten wegen unzulässiger Verordnungen in mehreren Quartalen der Jahre 1979 bis 1981 an. Für unzulässig hielt die Beklagte Verordnungen von Kosmetika und Mitteln, die der Reinigung und Pflege von Haut und Haaren dienten, und die deshalb keine Arzneimittel seien. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat dagegen die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als der Kläger mit der Verordnung der Arzneimittel Eubos-flüssig, H-5-Emulsion, Ilrido-Creme, Ilrido-Creme-ultra, Ilrido-Lippenpflege, Ilrido-Schaum, Loscon-Haarbad, pH-5-Eucerin-Lotion, RV-Creme fettend, RV-Creme-intermediär, Sansibal, Stephalen-Creme, Stephalen-Waschcreme und Stockolan belastet worden ist. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Beigeladene die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

Die Beschwerde ist nicht zulässig, denn der Beigeladene hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ausreichend dargelegt. Allerdings kann der Beschwerdebegründung eine klare Bezeichnung der Rechtsfrage entnommen werden. Der Beigeladene legt eingehend seine Meinung dar, daß Präparate, die nicht nach den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) zugelassen sind, von Kassenärzten zur ärztlichen Versorgung der Versicherten nicht als Arzneimittel verschrieben werden dürfen. Zur Bezeichnung der Rechtsfrage hat der Beigeladene die abweichende Ansicht des LSG dargelegt, daß es für die Verordnungsfähigkeit nach den RVO-Vorschriften nicht auf die Zulassung nach dem AMG ankomme. Nicht ausreichend dargelegt hat der Beigeladene aber die Grundsätzlichkeit der Rechtssache nach geltendem Recht. Er hat insoweit ausgeführt, sie sei entgegen der Meinung des LSG nicht schon wegen der Änderung der Arzneimittelrichtlinien (AMR) mit Wirkung vom 6. Oktober 1982 zu verneinen; es komme gar nicht auf die Anwendung der Richtlinien, sondern auf die fehlende Zulassung nach dem AMG an. Dem Arzneimittelbegriff der Richtlinien liege derjenige des AMG zugrunde.

Bei dieser Begründung übersieht der Beigeladene indessen, daß nach der im Urteil dargelegten Auffassung des LSG ein Ausschluß der Verordnungsfähigkeit wegen fehlender Zulassung durch das Bundesgesundheitsamt nach der Änderung der Nr 21 c AMR mit Wirkung vom 6. Oktober 1982 unerheblich ist. Die Kassenärzte dürfen nunmehr - gleichgültig, wie man die vom Beigeladenen bezeichnete Rechtsfrage beantwortet - Mittel, die auch zur Reinigung und Pflege oder Färbung der Haut usw dienen, und kosmetische Mittel nicht mehr verordnen. Der Beigeladene hat nicht dargelegt, daß die Rechtsfrage, ob nichtzugelassene Arzneimittel verordnungsfähig sein können, nach der Änderung der Richtlinien noch erheblich sein kann. Der Rechtsfortbildung kann die zu erwartende Entscheidung des Bundessozialgerichts nur dienen, wenn sie entweder noch für eine erhebliche Zahl von anhängigen Fällen Bedeutung hat oder wenn sie aus anderen Gründen für die Zukunft noch richtungweisend sein kann (Hennig/Danckwerts/König, Kommentar zum SGG § 160 Erl 7.2). Zur richtungweisenden Wirkung gehört aber jedenfalls auch die mögliche Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage nach dem neuen Recht. Sie ist vom Beschwerdeführer darzulegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663838

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