Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Orientierungssatz
Zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, welche Bedeutung einer innerkörperlichen Ursache für die Herbeiführung eines tödlichen Verkehrsunfalles zukommen kann.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 14.02.1989; Aktenzeichen L 3 U 133/87) |
Gründe
Die Klägerin ist mit ihrem Begehren, als Witwe des am 8. Juni 1983 tödlich verunglückten H. R. (Versicherter) Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erhalten, ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten vom 4. November 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 1984; Urteile des Sozialgerichts -SG- vom 29. April 1987 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 14. Februar 1989). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, der Versicherte habe sich zur Unfallzeit zwar auf einem versicherten Betriebsweg befunden, doch sei der tödliche Unfall nicht auf die betriebsbedingten Wegegefahren zurückzuführen. Allein wesentliche Ursache für den Unfall sei vielmehr ein plötzlich aufgetretenes, lebensbedrohliches Herz-Kreislaufversagen gewesen, durch das der Versicherte das Bewußtsein verloren und von der Fahrbahn abgekommen sei. Auch ohne die todbringende Unfallverletzung (Halsmarkschädigung in Verbindung mit einem ausgedehnten Schädelhirntrauma) hätte der Versicherte die lebensbedrohende Gesundheitsstörung höchstwahrscheinlich nicht überlebt. Es sei jedenfalls objektiv nicht feststellbar, ob der Versicherte die Folgen des Herz-Kreislaufschocks überlebt hätte. Insoweit bestehe lediglich eine nicht auszuschließende Möglichkeit. Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit habe die Klägerin zu tragen, da sie ihren Anspruch aus den nicht feststellbaren Tatsachen ableite, während zugunsten der Beklagten eine sogenannte innere Ursache des Todes bezüglich ihrer tatsächlichen Grundlagen nachgewiesen und hinsichtlich ihres Bezuges zum Erfolg wahrscheinlich sei.
Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich die Klägerin auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache. Grundsätzlich bedeutsam seien folgende Fragen: "1. In welchem Umfang müssen anspruchsvernichtende Tatsachen gegenüber den anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen sein, um einen Leistungsanspruch auszuschließen; 2. schließt die Annahme einer hohen Wahrscheinlichkeit für den Tod infolge innerkörperlicher Ursache (oder Unwahrscheinlichkeit der Überlebensmöglichkeit) auch dann die Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus, wenn demgegenüber absolut feststeht, daß die Unfallverletzungen immer den sofortigen Tod bewirken?" Bislang habe das Bundessozialgericht (BSG) in den vom LSG genannten Entscheidungen darauf abgestellt, daß der Eintritt einer lebensbedrohenden Erkrankung aus innerer Ursache das Risiko der versicherten Unfallfahrt überdecke und der eingetretene Tod wesentlich durch die lebensbedrohende Erkrankung verursacht worden sei (vgl BSG SozR 2200 § 555 Nr 2; BSG Urteil vom 5. August 1987 - 9b RU 16/86 -). Im Unterschied zu den bereits entschiedenen Fällen hätte die lebensbedrohende Erkrankung im vorliegenden Fall aber nicht zwangsläufig zum Tode des Versicherten geführt; vielmehr habe insoweit noch eine - wenn auch sehr geringe - Überlebenschance von einigen Prozent bestanden, während mit absoluter Gewißheit feststehe, daß die eingetretenen Unfallverletzungen den sofortigen Tod bewirkt hätten. Wenn trotz einer lebensbedrohenden Erkrankung noch eine Überlebenswahrscheinlichkeit von einigen Prozentpunkten gegeben sei, gewinne die - versicherte - tödliche Gefahr des Straßenverkehrs zumindest die Bedeutung einer gleichwertigen Mitursache. Aufgrund der Vielzahl von Verkehrsunfällen aus innerer Ursache und der Tatsache, daß Herz-Kreislauferkrankungen eine sogenannte Volkskrankheit seien, sei anzunehmen, daß in Zukunft über zahlreiche gleichgelagerte Fälle entschieden werden müsse.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (vgl Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, RdNr 84 mwN). Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG Beschluß vom 16. Dezember 1986 - 2 BU 173/86 -).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Das BSG hat in Anwendung der das Unfallversicherungsrecht beherrschenden Theorie der wesentlichen Bedingung bereits mehrfach entschieden, welche Bedeutung einer innerkörperlichen Ursache für die Herbeiführung eines tödlichen Verkehrsunfalles zukommen kann. Danach hängt bei einem Verkehrsunfall die Entscheidung der Frage, ob Unfall und Tod wesentlich durch die besonderen Gefahren des Betriebsweges oder wesentlich durch eine auf innerer Ursache beruhenden Krankheit des Versicherten herbeigeführt worden sind, von der Schwere der Gesundheitsstörung ab, die den Unfall mitbedingt hat. War der Verunglückte vor dem Unfall lediglich einer vorübergehenden Herzschwäche (Ohnmacht) erlegen, sind die besonderen Wegegefahren eine der Ohnmacht zumindest gleichwertige Bedingung (vgl BSG SozR 2200 § 555 Nr 2); hatte der Versicherte dagegen einen lebensbedrohenden Herzanfall erlitten, der auch ohne den Unfall zwangsläufig zu seinem Tode geführt hätte, sind Unfall und Tod nicht wesentlich durch die besonderen Gefahren des Verkehrs, sondern durch die vom Schutz der Unfallversicherung nicht umfaßte innere Ursache bewirkt worden (vgl BSG Urteil vom 5. August 1987 - 9b RU 16/86 - unter Bezugnahme auf BSG SozR 2200 § 555 Nr 2).
Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin kann im vorliegenden Fall revisionsgerichtlich nicht grundsätzlich geklärt werden, ob die tödlichen Gefahren des Straßenverkehrs neben der lebensbedrohenden Gesundheitsstörung deshalb als Mitursache im Rechtssinne anzusehen sind, weil - wie die Klägerin meint - noch eine geringe Überlebenschance bestanden habe. Der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage steht entgegen, daß das LSG - ausgehend von der zitierten Rechtsprechung des BSG - es für objektiv nicht feststellbar erachtet hat, ob der Versicherte die Folgen des aus innerkörperlicher Ursache entstandenen Herz-Kreislaufschocks auch ohne den Unfall überlebt hätte (s S 14 des LSG-Urteils). Es hat die Unwahrscheinlichkeit eines solchen Ablaufs lediglich nicht ausschließen können (s S 16 des LSG-Urteils). Unabhängig davon kann es auf das prozentuale Verhältnis von mehreren Bedingungen in ihrer jeweiligen Beziehung zum Erfolg auch nicht ankommen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sind Ursachen im Rechtssinne nämlich nicht alle Bedingungen eines Erfolgs, einerlei, mit welcher Schwere sie zu ihm beigetragen haben und in welchem Zusammenhang sie dazu stehen, sondern nur diejenigen Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Einzelfall als Ursache oder Mitursache im Rechtssinne zu gelten haben und welche nicht, beurteilt sich nach der Auffassung des täglichen Lebens (vgl BSG SozR 2200 § 555 Nr 2 mit zahlreichen Nachweisen). Auch im Hinblick auf diese revisionsgerichtliche Definition der für die Unfallversicherung maßgeblichen Kausalitätsnorm ist die aufgeworfene Rechtsfrage nicht grundsätzlich bedeutsam.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen