Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert bei Streitigkeit über die Genehmigung der Errichtung einer Betriebskrankenkasse. Zur Festsetzung des Gegenstandswertes für die beigeladene Betriebskrankenkasse und den beigeladenen Arbeitgeber

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Genehmigung der Errichtung oder Anschlußerrichtung einer BKK richtet sich der für die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren maßgebende Gegenstandswert nach dem wirtschaftlichen Interesse der klagenden Ortskrankenkasse an der Rückführung der auf die BKK übergegangenen Mitglieder.

2. Werden zu einem derartigen Rechtsstreit die BKK und der Arbeitgeber beigeladen, so ist für sie ein gesonderter, ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse entsprechender Gegenstandswert jedenfalls dann nicht festzusetzen, wenn dieser höher wäre als der der Hauptbeteiligten.

 

Normenkette

BRAGebO § 116 Abs 2 S 1 Nr 2, § 8 Abs 1 S 1, § 8 Abs 2 S 2; GKG § 13 Abs 1 S 2; SGG § 75

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 24.04.1990; Aktenzeichen L 1 Kr 17/89)

SG Lübeck (Entscheidung vom 09.03.1989; Aktenzeichen S 7 Kr 67/87)

 

Gründe

Nachdem die Klägerinnen zu 1) bis 3) ihre Revision und zugleich ihre Klagen zurückgenommen haben und der Senat beschlossen hat, daß die Klägerinnen den Beigeladenen zu 1) und 2) die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten haben, hat der Prozeßbevollmächtigte der Beigeladenen zu 1) und 2) Festsetzung des Gegenstandswertes gemäß § 116 Abs 2 Satz 1 Nr 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO; hier idF des Änderungsgesetzes vom 20. August 1990, BGBl I 1765) beantragt. Danach werden ua in Verfahren aufgrund von Streitigkeiten zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Gebühren der Rechtsanwälte nach dem Gegenstandswert berechnet. Eine solche Streitigkeit hat hier vorgelegen. Für die Berechnung nach dem Gegenstandswert gelten außer den sinngemäß anwendbaren Vorschriften des Dritten Abschnitts (§ 116 Abs 2 Satz 2 BRAGebO) die allgemeinen Vorschriften des Ersten Abschnitts der BRAGebO und damit auch deren § 8 (BSG SozR 1930 § 8 Nr 2).

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 BRAGebO bestimmt sich im gerichtlichen Verfahren der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren grundsätzlich nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften. Sind jedoch - wie im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit (vgl §§ 183 ff des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) - für die Gerichtsgebühren keine Wertvorschriften vorgesehen, ist der Gegenstandswert durch das Gericht des Rechtszuges auf Antrag nach bestimmten sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der Kostenordnung (KostO) festzusetzen (§ 8 Abs 1 Satz 3 iVm Abs 2, § 10 Abs 1 BRAGebO). Soweit sich der Gegenstandswert auch aus diesen Vorschriften der Kostenordnung nicht ergibt und auch sonst - wie im vorliegenden Fall - nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert auf 6.000,-- DM, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht unter 300,-- DM und nicht über 1.000.000,-- DM anzunehmen (§ 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO). Dabei ist die gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 BRAGebO für die Bestimmung des Gegenstandswertes im Verwaltungs- und Finanzgerichtsprozeß maßgebende Vorschrift des § 13 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ergänzend heranzuziehen, um Abweichungen gegenüber diesen vergleichbaren Verfahren nach Möglichkeit zu vermeiden (BSG SozR 1930 § 8 Nrn 2, 3 und 5). Das bedeutet, daß grundsätzlich auch im sozialgerichtlichen Verfahren der Gegenstandswert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bemessen ist. Die Bedeutung der Sache für den Kläger entspricht in der Regel seinem wirtschaftlichen Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen. Erstrecken sich diese Auswirkungen auf eine längere Zeit, so ist dies gebührend zu berücksichtigen (vgl zum Ganzen BSG SozR 1930 § 8 Nr 2).

Gegenstand der Klageverfahren war die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Genehmigung der sog Anschlußerrichtung einer Betriebskrankenkasse (BKK), hier des Anschlusses der Niederlassung Lübeck der Beigeladenen zu 1) an die Beigeladene zu 2), eine BKK, die für mehrere Produktionsbetriebe der Beigeladenen zu 1) in Bremen besteht. Die Feststellungsklagen der betroffenen Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK'en) <Klägerinnen zu 1) bis 3)> dienten dem Ziel, der genehmigten Anschlußerrichtung die Grundlage zu entziehen und die ursprünglich bei den Klägerinnen versicherten ca 117 pflichtversicherten Mitglieder (bei der Klägerin zu 1) 92, bei der Klägerin zu 2) 12 und bei der Klägerin zu 3) 13 Mitglieder), die mit der Anschlußerrichtung auf die zu 2) beigeladene BKK übergegangen waren, wieder zurückzugewinnen. Die Auswirkungen derartiger Streitigkeiten bestehen für die klagenden AOK'en also darin, daß die von der Anschlußerrichtung betroffene Anzahl von versicherungspflichtig Beschäftigten eines Betriebes nicht Mitglieder der BKK bleiben, sondern wieder Mitglieder der AOK'en werden und damit die Beiträge für diese Mitglieder - nach je unterschiedlichen Beitragssätzen - wieder an die ursprünglich zuständigen AOK'en abzuführen sein werden.

Dabei kann zwar die Höhe des entgangenen bzw zu erwartenden Beitragsaufkommens für die von der Genehmigung betroffenen Arbeitnehmer einen gewissen Anhaltspunkt für die Schätzung des Gegenstandswertes darstellen. Denn das Beitragsaufkommen bzw die ihm zugrundeliegenden Grundlöhne sind wesentliche Faktoren für die Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse. Jedoch handelt es sich insoweit nicht um einen "genügenden tatsächlichen Anhaltspunkt" iS von § 8 Abs 2 Satz 2 Halbs 2 BRAGebO und auch nicht um den entscheidenden Maßstab für die wirtschaftliche Bedeutung des Streits iS von § 13 Abs 1 Satz 2 GKG, weil dem Beitragsanspruch der zuständigen Krankenkasse stets ihre Leistungsverpflichtung für die betroffenen Versicherten gegenübersteht, so daß für die Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses jeweils die Ausgaben für die betroffenen Versicherten abzuziehen sind (so auch Sozialgericht <SG> Hamburg, Beschluß vom 15. November 1989 - 21 AE 68/89 -). Das entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Gegenstandswert im Verfahren über die Kassenarztzulassung, bei der auf die Honorareinnahmen abzüglich der Praxisunkosten abgestellt worden ist (BSG SozR 1930 § 8 Nr 2). In Verfahren bei Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen mehreren Kassen hat das BSG gar der Frage einer mehr oder minder großen Mitgliederzahl im Hinblick auf die relative Äquivalenz von Beitrag und Leistung eine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung, die sich in einem bestimmten Geldwert messen ließe, abgesprochen, weil die Beiträge dazu dienten, daß die Kassen die ihnen obliegenden Aufgaben gegenüber den Versicherten erfüllten und demnach die Beiträge durch die entstehenden Ausgaben regelmäßig aufgezehrt würden. Ein wirtschaftliches Interesse der Krankenkasse an der Steigerung ihrer Mitgliederzahl könne daher nur insoweit bejaht werden, als es ihr um eine ausgewogene Risikomischung bzw um eine ausreichende Zahl sog guter Risiken gehe, bei denen die Einnahmen die Ausgaben überstiegen (Beschluß vom 2. April 1986 - 8 RK 7/85 -, unveröffentlicht; so auch Engelhard, DOK 1990, 337; aA von Harten, DOK 1990, 750).

Der Senat kann offenlassen, ob diesen Überlegungen, die ohnedies zu einer Feststellung des Gegenstandswerts nach § 8 Abs 2 Satz 2 Halbs 2 BRAGebO führen, zu folgen ist. Auch wenn auf die konkreten Einnahmen und Ausgaben für die betroffenen Arbeitnehmer abzustellen wäre, ergäbe sich nichts anderes. Denn während die Bestimmung der zu erwartenden Beitragseinnahmen ohne weiteres möglich ist, könnten die zu erwartenden Leistungsausgaben für den betroffenen Personenkreis - wenn überhaupt - nur durch sehr aufwendige Ermittlungen festgestellt werden; derartige Ermittlungen sind jedoch im Rahmen eines Verfahrens über die Festsetzung des Gegenstandswerts nicht geboten (vgl Hartmann/Albers, Kostengesetze, 24. Aufl § 13 GKG Anm 3 D).

Der Berücksichtigung der - individuellen oder auch nur kollektiven - Leistungsausgaben kann auch nicht entgegengehalten werden, daß im Streitwertrecht einschränkungslos der Grundsatz gelte, daß die sog Gegenleistung nicht abgezogen werden dürfe. Der Grundsatz, daß nur das im Klageantrag verfolgte Interesse, also nur der prozessuale Anspruch, Bewertungsobjekt ist und deshalb der Abzug der Gegenleistung von der Klageforderung generell ausgeschlossen ist (RGZ 140, 359; vgl dazu Schneider, Streitwert-Kommentar für den Zivilprozeß, 9. Aufl, RdNr 1890 ff, "Gegenleistung"), läßt sich auf die hier vorzunehmende Feststellung des Gegenstandswerts nicht übertragen. Denn hier geht es nicht unmittelbar um die Feststellung des durch den Antrag bestimmten Streitgegenstandes - dieser ist im vorliegenden Fall nicht auf eine Geld- oder geldwerte Leistung gerichtet, sondern entspringt einem organisationsrechtlichen Rechtsverhältnis -, sondern um die Bewertung des dahinterstehenden wirtschaftlichen Interesses, das insoweit als Auslegungs- und Korrekturprinzip zur Ermittlung der "Bedeutung der Sache" herangezogen wird, um mangels sonstiger Anhaltspunkte für die Bewertung des Streitgegenstandes den wirtschaftlichen Belangen der Parteien angemessen Rechnung zu tragen (vgl Schneider, aaO, RdNr 740 f, 743). Wirkt sich die Genehmigung einer BKK-Errichtung bzw Anschlußerrichtung für die betroffenen AOK'en im Verlust von Mitgliedern aus, so kann hinsichtlich der Bewertung des wirtschaftlichen Interesses dieses Verlustes jedenfalls die Ausgabenseite nicht unberücksichtigt bleiben.

Auf den konkreten Fall bezogen bedeutet dies, daß in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung der Gegenstandswert nach § 8 Abs 2 Satz 2 Halbs 2 BRAGebO zu bestimmen ist, der dem Gericht - erneut - ein Ermessen einräumt: Danach ist ein pauschaler Gegenstandswert von 6.000,-- DM anzunehmen, der jedoch nach Lage des Falles niedriger oder höher (nicht unter 300,-- DM und nicht über 1 Million DM) anzusetzen ist. Dabei kann der Senat wiederum offenlassen, ob es sich bei dem vorgesehenen Wert von 6.000,-- DM um einen "Regelstreitwert" handelt (vgl zB die Beschlüsse des BSG vom 6. Januar 1984 - 6 RKa 7/81 -; vom 2. April 1986 - 8 RK 7/85 -; vom 27. Juni 1986 - 6 RKa 19/84 -) oder - im Hinblick auf das (erneut) eingeräumte Ermessen zur Über- oder Unterschreitung dieses Wertes um einen bloßen "Ausgangswert". Jedenfalls hält der Senat in Anbetracht der Bedeutung der Sache, die auf die Beseitigung der Folgen einer Anschlußerrichtung gerichtet ist und bei der auch die Interessen der Allgemeinheit bzw der Versicherten an einer ordnungsgemäßen Kassenorganisation zu berücksichtigen sind, eine Verdoppelung des vorgesehenen Streitwerts von 6.000,-- DM für gerechtfertigt, so daß für die drei in einem gemeinsamen Verfahren verbundenen Klagen der Gegenstandswert auf 3 x 12.000,-- DM, insgesamt auf 36.000,-- DM festzusetzen war. Dieser Wert ist aber auch ausreichend, weil von der streitigen Anschlußerrichtung nur ca 117 Versicherte betroffen waren.

Dieser Gegenstandswert gilt auch für die Beigeladenen zu 1) und 2). Allerdings könnte der Rechtsstreit für den am Verfahren beteiligten Arbeitgeber <Beigeladenen zu 1)> eine andere - uU größere - wirtschaftliche Bedeutung als für die betroffenen Klägerinnen haben. Er ist von einer möglichen Beseitigung der Anschlußerrichtung in der Weise betroffen, daß er Beiträge für die an die klagenden AOK'en zurückzuführenden Beschäftigten seines Betriebes nicht mehr nach den - günstigeren - Beitragssätzen seiner zu 2) beigeladenen BKK, sondern nach den wesentlich höheren Beitragssätzen der klagenden AOK'en zu entrichten hätte. Für ihn könnte daher das wirtschaftliche Interesse am Ausgang des Verfahrens in der Höhe der Differenz der jeweils abzuführenden Beiträge bestehen, wobei unterstellt werden kann, daß die Leistungsausgaben unabhängig davon, bei welcher Kassenart die betroffenen Arbeitnehmer versichert sind, jeweils gleich hoch wären. Der Prozeßbevollmächtigte der Beigeladenen hat dementsprechend - allerdings ohne die Berechnungsgrundlagen im einzelnen darzulegen - das wirtschaftliche Interesse des Beigeladenen zu 1) für das Jahr 1988 hinsichtlich der klagenden AOK Lübeck mit 117.000,-- DM, hinsichtlich der AOK Lauenburg mit 14.700,-- DM und hinsichtlich der AOK Stormarn mit 9.300,-- DM beziffert und dabei die Differenz der Beitragssätze zwischen diesen AOK'en und der BKK, bezogen auf die jeweiligen Grundlöhne, zugrunde gelegt. Der Senat sieht sich jedoch außerstande, einem solchen für die Beigeladene zu 1) ermittelten Gegenstandswert in der Weise Rechnung zu tragen, daß er entweder auf die Hauptbeteiligten und die Beigeladene zu 2) erstreckt oder als gesonderter Gegenstandswert für die Beigeladene zu 1) festgestellt wird.

Dabei kann der Senat die Frage, ob überhaupt die Möglichkeit besteht, für einzelne Verfahrensbeteiligte einen besonderen, nicht an der Bedeutung der Sache für den Kläger orientierten Streitwert festzusetzen, letztlich offenlassen. § 13 Abs 1 GKG scheint eine solche Möglichkeit schon seinem Wortlaut nach auszuschließen, weil danach der Streitwert allein nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen ist. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur will deshalb auch die Bildung unterschiedlicher Streitwerte nur ausnahmsweise für den Fall zulassen, daß sich die rechtliche Betroffenheit eines Beteiligten auf lediglich einen Teil des Streitgegenstandes beschränkt. Sie hält es dagegen nicht für zulässig, über eine gesonderte Wertfestsetzung die voneinander abweichenden Interessen der Prozeßbeteiligten zur Geltung zu bringen (vgl OVG Lüneburg, NJW 1977, 917; LSG Hamburg, Breithaupt 1987, 170 = SGb 1986, 518; Noll, NJW 1976, 219, 221; Hartmann/Albers, Kostengesetze, 24. Aufl, § 13 GKG Anm 2 A und Anhang nach § 13 GKG, Stichwort "Beigeladener"; Redeker/von Oertzen, VwGO, 10. Aufl, § 165 RdNrn 6 und 14a; aA Schunck/de Clerck, VwGO, 3. Aufl, § 162 Anm 2 b aa). Allerdings wird dieses Ergebnis auch von den Verfechtern einer wortgetreuen Auslegung des § 13 Abs 1 GKG als unbefriedigend empfunden, weil es die unterschiedliche wirtschaftliche Betroffenheit der Beteiligten vernachlässige, die Höhe des Streitwerts von der oft zufälligen Stellung der Beteiligten im Prozeß abhängig mache und den einzelnen uU einem erheblichen Prozeßrisiko aussetze, das in keinem Verhältnis zu der Bedeutung des Prozesses für ihn selbst stehe (vgl Noll, aaO; Redeker, DVBl 1975, 925). In diesem Zusammenhang ist auch auf die zivilgerichtliche Rechtsprechung zu der vergleichbaren Problematik der Streitwertfestsetzung bei der Nebenintervention hinzuweisen, die entgegen der früher vorherrschenden Auffassung (vgl noch BGHZ 31, 144) heute überwiegend davon ausgeht, daß sich der Streitwert der Nebenintervention unabhängig von den gestellten Anträgen nach dem eigenen Interesse des Streithelfers am Obsiegen der von ihm unterstützten Partei richtet (vgl OLG Köln, MDR 1974, 53; OLG Hamburg, MDR 1977, 1026; OLG Koblenz, MDR 1983, 59; ferner Thomas/Putzo, ZPO, 17. Aufl, § 3 Anm 2, Stichwort "Nebenintervention"). Allerdings gilt hier der Grundsatz, daß der Wert der Nebenintervention nie höher sein kann als derjenige der Hauptsache (OLG Koblenz, Rechtspfleger 1977, 175; OLG München, MDR 1958, 112; OLG Stuttgart, Anwaltsblatt 1979, 431; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 49. Aufl, Anlage zu § 3 ZPO "Streithilfe"; Thomas/Putzo, aaO).

Im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit ist die Festlegung gesonderter Gegenstandswerte für die Hauptbeteiligten einerseits und einzelne Beigeladene andererseits gelegentlich für zulässig und bei evident unterschiedlicher Interessenlage auch für sachgerecht angesehen worden (so LSG Stuttgart, Beschluß vom 13. August 1987, SGb 1988, 212; vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluß vom 14. März 1990, Breithaupt 1991, 74; Meyer-Ladewig, SGG, 4. Aufl, § 197 RdNr 7a). Das ist ua damit begründet worden, daß § 13 Abs 1 GKG im sozialgerichtlichen Verfahren nicht unmittelbar, sondern nur ergänzend zur Vermeidung sachlich nicht gerechtfertigter Abweichungen gegenüber der verwaltungs- und finanzgerichtlichen Praxis heranzuziehen sei und daß dieser Zweck es nicht rechtfertige, die Regelung auch insoweit zu übernehmen, als sie nachweislich zu unbilligen Ergebnissen führe. Soweit damit eine gesonderte Wertfestsetzung für den Beigeladenen in Fällen gerechtfertigt wird, in denen - wie in dem vom LSG Stuttgart, aaO, entschiedenen Fall - sich das wirtschaftliche Interesse des Beigeladenen nur auf einen Teil des Streitgegenstandes bezieht, stehen dem keine Bedenken entgegen. Hingegen hält es der Senat für unzulässig, für den Beigeladenen einen höheren Gegenstandswert als für die Hauptbeteiligten festzusetzen. Mit der Fassung des § 13 Abs 1 Satz 1 GKG, wonach sich die Bedeutung der Sache aus dem Antrag des Klägers für ihn ergibt, hat der Gesetzgeber zunächst klargestellt, daß es auf die Bedeutung der Sache für die anderen Prozeßbeteiligten grundsätzlich nicht ankommt, daß insbesondere das Interesse eines Beigeladenen, zB beim Streit um Verwaltungsakte mit Doppelwirkung, nicht in die Wertberechnung mit eingeht (vgl Noll, NJW 1976, 220). Zugleich ist damit einem Grundsatz des allgemeinen Streitwertrechts Rechnung getragen, daß der Streitwert der Beteiligung am Rechtsstreit jedenfalls nie höher als derjenige des Streitgegenstandes der Hauptsache sein kann. Das ergibt sich aus der nur unterstützenden Rolle des Beteiligten (Streithelfers), dessen Interesse nur innerhalb des Rahmens des Hauptsachestreitwerts berücksichtigt werden kann. Dieser Grundsatz ist auch im Rahmen des § 116 iVm § 8 Abs 2 BRAGebO zu beachten, jedenfalls soweit sich der Beigeladene mit seinen Sachanträgen innerhalb der Anträge der Hauptbeteiligten hält oder halten muß (§ 75 Abs 4 SGG). Etwas anderes läßt sich - entgegen der Ansicht des LSG Nordrhein-Westfalen, aaO - auch nicht aus dem das anwaltliche Gebührenrecht beherrschenden Grundsatz herleiten, daß die anwaltlichen Kosten nach dem wirtschaftlichen Interesse desjenigen zu bemessen seien, den der Anwalt im gerichtlichen Verfahren vertreten habe. Zwar ist unter Gegenstandswert iS von § 8 BRAGebO, nach dem sich die Gebühren des Rechtsanwalts berechnen, an sich der Wert zu verstehen, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (§ 7 Abs 1 BRAGebO). Das ist aber im gerichtlichen Verfahren höchstens der Wert des Streitgegenstandes der Hauptsache, auf den sich die Tätigkeit der Prozeßbeteiligten - und des sie vertretenden Prozeßbevollmächtigten - bezieht.

Nach allem kann auch für den Beigeladenen zu 1) der Gegenstandswert nicht höher als 36.000,-- DM festgesetzt werden.

Prof. Dr. Reiter Kummer Dr. Wolff

Leitsatz

1.

Bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Genehmigung der Errichtung oder Anschlußerrichtung einer BKK richtet sich der für die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren maßgebende Gegenstandswert nach dem wirtschaftlichen Interesse der betroffenen Ortskrankenkasse an der Rückführung der auf die BKK übergegangenen Mitglieder.

2.

Werden zu einem derartigen Rechtsstreit die BKK und der Arbeitgeber beigeladen, so ist für sie ein gesonderter, ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse entsprechender Gegenstandswert jedenfalls dann nicht festzusetzen, wenn dieser höher wäre als der der Hauptbeteiligten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1662648

NZA 1993, 432

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