Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 18.02.1998; Aktenzeichen L 2 U 1319/97)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Februar 1998 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben der Beklagten deren Kosten für das Beschwerdeverfahren als Gesamtschulder zu erstatten.

 

Gründe

Die Kläger sind als praktische Ärztin und Gynäkologe in Gemeinschaftspraxis tätig. Mit ihrem Begehren nach höherer Vergütung ihrer Präventionsleistungen, das sie darauf gestützt haben, daß auch ab dem Quartal I/1995 für Präventionsleistungen ein gesonderter Honorartopf hätte gebildet werden müssen, sind sie in den Verwaltungs- und Gerichtsinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) machen sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung geltend (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, denn ihre Begründung genügt den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Sie ist sie aber insgesamt unbegründet.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage, die klärungsbedürftig und in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.

Die Voraussetzung der Klärungsbedürftigkeit ist nicht erfüllt. Ihr Fehlen ergibt sich allerdings nicht schon daraus, daß die Rechtssache ausgelaufenes Recht betrifft, die streitige Regelung in dem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) nämlich nur bis Ende 1995 galt. Zwar werden in solchen Fällen besondere Anforderungen in der Weise gestellt, daß noch über eine erhebliche Anzahl gleichartiger Streitfälle zu entscheiden sein oder die Rechtsfrage aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung haben muß (BSG SozR 1500 § 160a Nr 19 und zB Senatsbeschlüsse vom 24. Juni 1994 – 6 BKa 5/94 – und vom 5. November 1997 – 6 BKa 17/97 –). Hieran scheitert die Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht. Denn es ist noch über eine erhebliche Anzahl derartiger Fälle zu entscheiden. In dem von den Klägern erwähnten Urteil des Sozialgerichts (SG) Stuttgart vom 21. Mai 1997 – S 5 Ka 1341/97 – wird die Revisionszulassung mit einer Vielzahl anhängiger Verfahren begründet.

Die Klärungsbedürftigkeit ist indessen deshalb zu verneinen, weil die Antworten auf die von den Klägern aufgeworfenen Fragen sich der Rechtsprechung des Senats entnehmen lassen. Neue grundsätzliche Fragen, die einen Bedarf nach erneuter Befassung begründen könnten (vgl BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f), sind nicht zu erkennen.

Zur Frage, in welchem Umfang sich eine Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) bei der Ausgestaltung des HVM über einen gesetzlichen Förderungsauftrag hinwegsetzen darf (Beschwerdebegründung S 2 oben), hat der Senat in seinen Urteilen vom 7. Februar 1996 ausführlich Stellung genommen. Er hat zu den Regelungen über die Förderung des ambulanten Operierens ausgeführt, daß zur Umsetzung dieser Bestimmungen mehrere Wege beschritten werden konnten (BSGE 77, 279, 284 bis 286 = SozR 3-2500 § 85 Nr 10 S 59 bis 61 und BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 78 bis 80). Entweder konnte ein separates Teilbudget gebildet und diesem Zuschläge hinzugefügt werden, oder die Leistungen konnten mit demselben Punktwert wie die übrigen Leistungen vergütet und zusätzlich Zuschläge aus einem gesonderten Honorartopf gewährt werden, oder es konnte ein gesonderter Honorartopf mit festem bzw gestütztem Punktwert gebildet werden.

Ausgehend von diesen Urteilen und ihrer grundsätzlichen Anwendbarkeit auch auf die Frage der Bildung eines Honorartopfes für Präventionsleistungen machen die Kläger geltend, daß für diesen Leistungsbereich gerade das erstgenannte Modell des separaten Teilbudgets mit zusätzlichen Zuschlägen hätte eingeführt werden müssen. Dies läßt sich den Darlegungen des Senats aber nicht entnehmen. Der Senat hat vielmehr verschiedene Wege als möglich aufgezeigt. Die bei der Anführung des Modells eines separaten Teilbudgets verwendeten Worte „wie vorgeschrieben” (BSGE 77, 279, 284 = SozR 3-2500 § 85 Nr 10 S 59 und BSG SozR aaO Nr 12 S 78) bedeuten nicht etwa, daß gerade dieses Modell vorgeschrieben war, sondern beziehen sich, wie der Kontext deutlich macht, lediglich darauf, daß der zusätzlich bereitgestellte Vergütungsanteil für diese zu fördernden Leistungen verwendet werden muß.

Gegenüber dem bei der Honorarverteilung nach § 85 Abs 4 SGB V anzuerkennenden Gestaltungsspielraum der KÄVen kann der von den Klägern angeführte Schriftwechsel zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Bundesminister für Gesundheit, der sich in seinem Schreiben vom 21. Oktober 1993 im Sinne einer „Separationslösung” statt „Prämienlösung” geäußert habe, nicht verfangen. Dies hat in gesetzlichen Regelungen keinen Ausdruck gefunden. Wie der Senat dargelegt hat, läßt sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch den Gesetzesmaterialien entnehmen, wie der Auftrag des § 85 Abs 3a Satz 6 iVm Abs 4a Satz 3 Halbsatz 1 SGB V (betr ambulantes Operieren) erfüllt werden sollte (BSGE aaO S 284 = SozR aaO Nr 10 S 59 und BSG SozR aaO Nr 12 S 78). Insoweit gilt nichts anderes für § 85 Abs 3a Satz 7 iVm Abs 4a Satz 3 Halbsatz 2 SGB V in Bezug auf Präventionsleistungen.

Vor dem Hintergrund dieser Senatsrechtsprechung gibt es keine Grundlage für die Ansicht, daß die KÄV gerade den Weg eines separaten Honorartopfes mit Zuschlägen hätte wählen müssen.

Ein Bedarf nach grundsätzlicher Klärung ergibt sich schließlich nicht aus dem Hinweis der Kläger, daß betreffend den HVM der KÄV Nord-Württemberg das Revisionsverfahren B 6 KA 51/97 R anhängig ist. Den Ausführungen der Kläger, daß hier das SG Stuttgart die Sprungrevision wegen grundsätzlicher Bedeutung aufgrund vergleichbarer Fragen zugelassen habe, ist entgegenzuhalten, daß die Revisionszulassung durch ein SG das BSG in einem anderen Verfahren nicht binden kann. Selbst wenn es in beiden Verfahren auf dieselbe Fragestellung ankommen sollte – ob das überhaupt der Fall ist, sei hier ausdrücklich dahingestellt –, ist das BSG nicht gehindert, die grundsätzliche Bedeutung in dem Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren zu verneinen.

Auch die von den Klägern erhobene Divergenzrüge (vgl § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) greift nicht durch.

Entgegen ihrer Ansicht liegt eine Abweichung des Berufungsurteils von dem Senatsurteil vom 7. Februar 1996 (BSGE 77, 279, 284 = SozR 3-2500 § 85 Nr 10 S 59) nicht vor. Soweit sie sich auf den Passus „wie vorgeschrieben” berufen, ist auf obige Darlegungen zu verweisen; dieser Passus ist nicht so zu verstehen, wie die Kläger ihn interpretieren. Ebensowenig ergibt sich aus den weiteren von ihnen zitierten Passagen des Senatsurteils eine Divergenz zu dem Urteil des LSG. Ebenso wie der Senat vermag auch das LSG (vgl das Zitat in der Beschwerdebegründung S 4) weder dem Wortlaut noch den Gesetzesmaterialien eine bestimmte Vorgabe dafür zu entnehmen, wie der gesetzliche Förderungsauftrag von den KÄVen erfüllt werden sollte.

Mithin ist eine Rechtsprechungsdivergenz nicht gegeben.

Nach alledem ist die Nichtzulassungsbeschwerde mit der Kostenfolge entsprechend § 193 Abs 1 und 4 SGG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175719

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