Verfahrensgang
SG Neuruppin (Entscheidung vom 03.12.2018; Aktenzeichen S 2 R 37/14) |
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 08.06.2020; Aktenzeichen L 16 R 23/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Juni 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger, der jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG keine Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen und auch nicht beantragt hat, begehrt die rentenrechtliche Vormerkung seiner in der DDR bei der Deutschen Reichsbahn zurückgelegten Beschäftigungszeiten und des dort erzielten Arbeitsentgelts unter Berücksichtigung eines Steigerungssatzes von 1,5 vH. Das SG hat seine Klage durch Sachentscheidung abgewiesen. Das LSG hat seine Berufung mit Urteil vom 8.6.2020 zurückgewiesen, die Klage sei bereits unzulässig.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 2.10.2020 begründet hat. Er hat sein Vorbringen nach Ablauf der bis zum 7.10.2020 verlängerten Begründungsfrist mit Schriftsatz vom 3.5.2021 ergänzt.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Der Kläger hat weder den ausdrücklich geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch den zudem sinngemäß geltend gemachten Verfahrensmangel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet.
a) Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). In der Beschwerdebegründung ist deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und der Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; jüngst BSG Beschluss vom 8.8.2019 - B 13 R 289/18 B - juris RdNr 9; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr. 7 S 14; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14 ff mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung vom 5.10.2020 selbst unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens im Schriftsatz vom 3.5.2021 nicht (vgl dazu, dass nach Ablauf der Beschwerde(begründungs-)frist das bisher Vorgetragene lediglich verdeutlicht oder erläutert werden kann, BSG Beschluss vom 22.11.2018 - B 13 R 359/17 B - juris RdNr 13).
Der Kläger formuliert als Rechtsfrage,
"Ist trotz nunmehr vorliegendem Nachweis für eine in der DDR durch die Deutsche Reichsbahn erfolgte Beitragszahlung für die Sonderversorgung ihrer Reichsbahnmitarbeiter nach § 11 Abs 3 EVO 73, weiterhin der bisherige Rechtsstandpunkt, wonach eine Anerkennung des 1,5 Erhöhungsbetrages nicht gewährt werden kann, aufrecht zu erhalten, obwohl dieser bisherige Standpunkt im Wesentlichen auf der Unkenntnis einer Beitragszahlung beruhte?"
Der Senat lässt dahinstehen, ob damit eine hinreichend bestimmte und aus sich heraus verständliche abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer Vorschrift des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert ist. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger den entscheidungserheblichen Sachverhalt genügend dargetan und die Klärungsbedürftigkeit der angerissenen Frage ausreichend darlegt ist. Er legt jedenfalls ihre Klärungsfähigkeit nicht anforderungsgerecht dar.
Seinen Ausführungen lässt sich noch entnehmen, dass das LSG seine Klage als unzulässig erachtet hat, weil die von ihm letztlich begehrte Bewertung der bei der Deutschen Reichsbahn zurückgelegten Beitragszeiten vor Eintritt eines Leistungsfalls nicht beansprucht werden könne. Gleichwohl geht es ihm offensichtlich um die Klärung einer materiell-rechtlichen Fragestellung. Den Schwerpunkt seines Beschwerdevorbringens bilden Ausführungen dazu, dass er zwar keine sog Alte Versorgung in der Deutschen Reichsbahn (§ 307a Abs 2 SGB VI) beanspruchen könne, seine etwaige Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aber aus verfassungsrechtlichen Gründen gleichwohl mit einem besonderen Steigerungsbetrag unter Zugrundelegung eines Steigerungssatzes von 1,5 vH zu berechnen sei. Vor diesem Hintergrund hätte besondere Veranlassung bestanden, die Klärungsfähigkeit der angerissenen Rechtsfrage herauszuarbeiten. Denn eine aufgeworfene materiell-rechtliche Frage ist nicht klärungsfähig, wenn das Revisionsgericht zB wegen bereits anzunehmender Unzulässigkeit der Klage an einer inhaltlichen Entscheidung prozessrechtlich gehindert wäre (BSG Beschluss vom 17.2.2020 - B 1 KR 21/19 B - juris RdNr 8 mwN). Wird dennoch - wie vorliegend - die Zulassung der Revision wegen materieller Rechtsfragen erstrebt, ist schlüssig darzulegen, dass die Berufung - bzw vorliegend die Klage - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zulässig gewesen sei, und darüber hinaus substantiiert vorzutragen, weshalb das Revisionsgericht sich nicht auf die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung oder Klage zu beschränken habe, sondern auch über die als grundsätzlich bezeichneten materiell-rechtlichen Fragen entscheiden werde (vgl BSG Beschluss vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger versäumt es darzutun, warum das BSG seines Erachtens im angestrebten Revisionsverfahren nicht an einer Sachentscheidung gehindert ist. Seine pauschale Behauptung, eine Unzulässigkeit der Klage sei nicht gegeben, reicht insoweit nicht aus. Soweit er ausführt, ein Versicherter könne bereits vor Eintritt eines Leistungsfalls eine Kontenklärung unter Würdigung sämtlicher Sachverhalte beanspruchen, setzt der Kläger sich nicht zumindest überschlägig damit auseinander, dass er im zugrunde liegenden Rechtsstreit nach seinem eigenen Vorbringen keine bloße Klärung der in seinem Versichertenkonto gespeicherten Sozialdaten nach § 149 Abs 2 Satz 1 SGB VI begehrt, sondern von der Beklagten schon jetzt eine bestimmte Bewertung der bei der Deutschen Reichsbahn zurückgelegten Beschäftigungszeiten verlangt.
b) Falls der Kläger mit seinem Vorbringen zur Zulässigkeit der Klage zugleich sinngemäß einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend machen will, ist auch dieser nicht anforderungsgerecht bezeichnet.
Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug, auf dem die Entscheidung beruhen kann (stRspr; vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG; jüngst BSG Senatsbeschluss vom 18.12.2019 - B 13 R 340/18 B - juris RdNr 12). Der Kläger bezeichnet in der Beschwerdebegründung keine Umstände, die einen solchen Verfahrensmangel zu begründen in der Lage wären.
Er bringt vor, das LSG habe seine Klage, die das SG noch als unbegründet erachtet habe, zu Unrecht als unzulässig angesehen. Dieses Vorbringen vermag vorliegend einen Verfahrensmangel nicht zu stützen. Wie der Kläger selbst darlegt, begehrt er eine Entscheidung der Beklagten über die Anrechnung und vor allem Bewertung seiner bei der Deutschen Reichsbahn zurückgelegten Zeiten vor Feststellung einer Leistung. Für die gerichtliche Durchsetzung eines solchen Begehrens fehlt den Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung die erforderliche Klagebefugnis bzw das erforderliche Feststellungsinteresse (BSG Urteil vom 21.3.2018 - B 13 R 19/14 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 5 RdNr 43 mwN). Der Kläger hat auch nichts dazu vorgebracht, dass dies im vorliegenden Rechtsstreit anders zu bewerten sein könnte.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14693274 |