Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 9. November 2023 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt U beizuordnen, wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit steht die Freistellung von Kosten für Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Jahre 2016.
Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger lebte mit Bewilligung von Hilfe in sonstigen Lebenslagen durch den zu 2 beigeladenen Sozialhilfeträger in der auf diakonischer Grundlage geführten Einrichtung des Beigeladenen zu 1, die Leistungen für alleinstehende wohnungslose Männer in besonderen sozialen Schwierigkeiten erbringt. Im streitbefangenen Zeitraum wurde ihm ua häusliche Krankenpflege in Form des Herrichtens und Verabreichens von Medikamenten durch einen externen Pflegedienst erbracht. Den Antrag auf Übernahme der Kosten des vom Kläger beauftragten Pflegedienstes lehnte die Beklagte ab. Klage und Berufung hatten insoweit keinen Erfolg.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und rügt Verfahrensfehler.
II
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen(§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm§ 169 Satz 2 SGG ) .
1. Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(Nr 1) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann(Nr 3) . Diese vorliegend geltend gemachten Zulassungsgründe hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt bzw bezeichnet(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) .
2. a) Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird(vglBSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11) . Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können(vgl Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap, RdNr 284 mwN) . Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet worden sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint(vgl Meßling, aaO, RdNr 286 f) . Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist(vglBSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16) . Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben(vglBSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8) .
b) Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die vom Kläger zunächst aufgeworfene Rechtsfrage, ob Einrichtungen, die Ansprüche der Versicherten nach§ 73 Satz 1 SGB XII befriedigen, zur Übernahme einfachster Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege verpflichtet sind, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil dies auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats beantwortet werden kann(vgl auch bereitsBSG vom 6.5.2021 - B 3 KR 68/20 B - juris RdNr 8 ) . Der Senat hat eine die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung verdrängende, vorrangige Einstandspflicht einer Einrichtung der Eingliederungshilfe oder vergleichbarer Eingliederungsleistungen nach dem bis Ende 2019 geltenden Eingliederungshilferecht des SGB XII(seit 1.1.2020: Ablösung durch Neuregelung in Teil 2 des SGB IX; vglBSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 9/19 R - BSGE 131, 246 = SozR 4-3500 § 57 Nr 1, RdNr 19) angenommen bei Maßnahmen der einfachsten Behandlungspflege, die keine medizinische Fachkunde erforderten und nach den Umständen des Einzelfalls zu den im Rahmen der Eingliederungshilfe wahrzunehmenden Aufgaben, insbesondere der Hilfe zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, gerechnet werden konnten. Hierauf bezogen hält der Senat weiter daran fest, dass in jedem Einzelfall zu prüfen und in tatsächlicher Hinsicht festzustellen ist, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf den zu betreuenden Personenkreis und insbesondere aufgrund ihrer vorgesehenen sächlichen und personellen Ausstattung ("organisatorische Möglichkeiten") selbst zu erbringen hat(vglBSG vom 25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R - BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr 13, RdNr 22, 28;BSG vom 17.2.2022 - B 3 KR 17/20 R - BSGE 130, 280 = SozR 4-2500 § 37 Nr 17, RdNr 16 f, 19; zuletztBSG vom 19.4.2023 - B 3 KR 7/22 R - vorgesehen für BSGE = SozR 4-1500 § 75 Nr 38, RdNr 14) .
Die von dem Kläger weiter formulierte Rechtsfrage, ob das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten eine einfachste Maßnahme der Behandlungspflege darstellt, hat der Senat - für die Rechtslage bis Ende 2019 - bereits dergestalt beantwortet, dass für das "Herrichten und Verabreichen von Tabletten nach ärztlicher Anweisung" regelmäßig keine medizinische Fachkunde erforderlich sei und die in der Einrichtung tätigen, vorwiegend pädagogisch oder sozialpädagogisch ausgebildeten Mitarbeiter nach kurzer Einweisung in der Lage sein dürften, dafür zu sorgen, dass jeder Bewohner die ihm verordneten Medikamente entsprechend der ärztlichen Anordnung einnehme(vglBSG vom 25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R - BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr 13, RdNr 33) . Bezogen auf den hier streitigen Zeitraum hat der Kläger keinen erneuten Klärungsbedarf dargelegt.
c) Hinsichtlich der weiteren Frage, "ob in einer Streitigkeit zwischen einem Versicherten und einer Krankenkasse über die Einstandspflicht der Krankenkasse bezüglich sogenannter einfachster Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege eine Verpflichtung des Einrichtungsträgers zur Schaffung einer personellen Ausstattung entgegen dem übereinstimmenden Willen der Vertragspartner der Leistungsvereinbarung begründet werden kann", fehlt es an der Formulierung einer abstrakt-generellen Rechtsfrage zum Inhalt oder zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm(§ 162 SGG ) ; denn der Kläger führt nicht aus, welches gesetzliche Tatbestandsmerkmal welcher bundesrechtlichen Norm mit Blick auf welche Bestimmung ausgelegt werden soll, um die Rechtseinheit zu wahren oder das Recht fortzubilden(vgl etwaBSG vom 29.3.2017 - B 5 RE 12/16 B - juris RdNr 8 ) . Auch fehlt es an einer Darlegung der Klärungsfähigkeit im konkreten Rechtsstreit unter Berücksichtigung der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung der Inhalte der Leistungsvereinbarung vom 28.12.2004.
3. Die von ihm geltend gemachten Verfahrensmängel hat der Kläger nicht ordnungsgemäß bezeichnet(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) .
a) Wer seine Nichtzulassungsbeschwerde darauf stützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) , muss bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert darlegen. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
b) Der Kläger rügt als Verfahrensfehler zunächst einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht(§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG ) . Eine solche Sachaufklärungsrüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das Berufungsgericht mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können(stRspr; vgl nurBSG vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5 mwN) .
Der Kläger rügt eine Verletzung des § 103 SGG dadurch, dass das LSG mehreren ausdrücklich gestellten Beweisanträgen zur Vernehmung von Zeugen sowie zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachgekommen sei. Mit dem Vortrag des Klägers hierzu ist ein Verfahrensfehler des LSG nicht schlüssig dargetan, weil er nicht von der materiell-rechtlichen Beurteilung des LSG ausgeht, sondern seine eigene materiell-rechtliche Auffassung zu Grunde legt und meint, dass nicht allein die schriftlich fixierte Leistungsvereinbarung maßgebend sei, sondern auch weitere Umstände und Erklärungen im Laufe der Vertragsverhandlungen zur Auslegung der Inhalte der Vereinbarungen der Beigeladenen berücksichtigt werden müssten. Dagegen hat das LSG zu Grunde gelegt, dass maßgeblich nicht die faktischen, ggf auch erst nachträglich eingetretenen Bedingungen der Einrichtung seien, sondern die vertraglichen Regelungen vor dem Hintergrund der gesetzlichen Bestimmungen des SGB XII im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen dem Kläger sowie dem Beigeladenen zu 1 und der Beigeladenen zu 2. Hieraus folge eine Pflicht des Beigeladenen zu 1, die erforderliche sachliche und personelle Ausstattung vorzuhalten. Damit liegt der angefochtenen Entscheidung des LSG die Rechtsauffassung zu Grunde, dass die vertragliche Ausgestaltung den Inhalten der gesetzlichen Vorgaben zur Eingliederungshilfe und zu vergleichbaren Leistungen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats folge und ein dem Wortlaut des Vertrags unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben entgegenstehender gemeinsamer Wille der Vertragspartner nicht zu berücksichtigen sei. Das LSG hat weiter zu Grunde gelegt, dass die vertragliche Ausgestaltung im Dreiecksverhältnis zwischen dem Kläger, dem Beigeladenen zu 1 und der Beigeladenen zu 2 nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen(§§ 133 ,157 BGB ) anhand des Wortlauts der Vereinbarung und des dieser zu entnehmenden objektiv erklärten Willens der Parteien unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zu ermitteln sei. Der Kläger legt nicht hinreichend dar, aus welchem Grunde das LSG angesichts dieser Rechtsauffassung dennoch gehalten gewesen sein könnte, seinen Beweisanträgen nachzukommen.
c) Als weiteren Verfahrensfehler iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG rügt der Kläger, dass ein Verstoß gegen das Willkürverbot im Rahmen der Vertragsauslegung vorliege. Es sei abwegig, Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Behandlungspflege, bei denen es sich zweifellos um medizinische Leistungen handele, als Leistungen der hygienischen und gesundheitlichen Grundversorgung anzusehen. Zudem sei die Interpretation des § 133 BGB durch das LSG eindeutig willkürlich. Allgemein anerkannt sei, dass im Rahmen der Auslegung neben dem Wortlaut der Erklärung auch die Begleitumstände, wie Entstehungsgeschichte, Äußerungen der Parteien, die Interessenlage der Parteien und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen seien.
Mit diesem Vortrag hat der Kläger eine Verletzung des Willkürverbots nicht hinreichend aufgezeigt. Denn Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn eine Entscheidung unzutreffend ist, sondern erst dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist, wenn die Rechtsanwendung also nicht mehr verständlich ist und sich deswegen der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhe. Die Rechtslage muss daher in krasser Weise verkannt worden sein(vglBSG vom 27.11.2018 - B 3 KR 25/18 B - juris RdNr 14 mwN) . Hingegen beruhen die Entscheidungsgründe des LSG auf einer Auswertung und Berücksichtigung der einschlägigen, ständigen Rechtsprechung des BSG, anhand derer der Anspruch des Klägers auf häusliche Krankenpflege eingehend und differenziert geprüft worden ist und auch ausreichend zu beurteilen war. Es ist zudem nicht genügend dargetan, dass das LSG ohne Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder deren Inhalt bei Auslegung und Anwendung in krasser Weise missdeutet hat(vglBVerfG vom 12.8.2014 - 2 BvR 176/12 - juris RdNr 10 ) .
PKH ist dem Kläger nicht zu bewilligen, da seine Rechtsverfolgung mit der eingereichten Beschwerdebegründung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet( § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 114 ZPO ) . Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen( § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 121 ZPO ) .
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Beigeladenen keinen eigenen Antrag gestellt haben(vgl nurBSG vom 14.11.2002 - B 13 RJ 19/01 R - BSGE 90, 127 = SozR 3-5795 § 10d Nr 1, juris RdNr 44) .
Fundstellen
Dokument-Index HI16461409 |