Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 16.02.2015; Aktenzeichen S 184 SO 432/11) |
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 25.10.2018; Aktenzeichen L 15 SO 132/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Oktober 2018 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit ist noch die Übernahme höherer Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 22.12.2010 bis zum 30.6.2012.
Der alleinstehende Kläger ist seit 1991 bei einem Versicherungsunternehmen privat für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit versichert. Er bezieht seit dem 1.5.2009 von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer einschließlich eines Zuschusses zu den Beiträgen der Krankenversicherung (Bescheid der DRV Bund vom 25.8.2010) und daneben seit dem 1.11.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Nachdem das Gesundheitsamt des Beklagten die Zumutbarkeit eines Wechsels in den Basistarif der Krankenversicherung bejaht hatte, berücksichtigte der Beklagte bei der Bewilligung dieser Leistungen lediglich Kosten für eine Kranken- und Pflegeversicherung im Basistarif zur Hälfte. Die hiergegen gerichteten Klagen (S 184 SO 432/11 verbunden mit S 184 SO 514/13) haben keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Berlin vom 16.2.2015; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Berlin-Brandenburg vom 25.10.2018). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, die Aufwendungen für die private Krankenversicherung, die über die von dem Beklagten anerkannten Aufwendungen hinausgingen, seien weder einkommensmindernd noch bedarfserhöhend zu berücksichtigen; denn sie seien nicht angemessen iS des § 32 Abs 5 SGB XII in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung. Angemessen sei nur ein privater Kranken- und Pflegeversicherungsschutz, der eine der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung entsprechende Absicherung vermittele. Dies sei die Versicherung im Basistarif in der privaten Krankenversicherung und (davon abgeleitet) in der sozialen Pflegeversicherung.
Der Kläger hat beim Bundessozialgericht (BSG) gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil Beschwerde eingelegt. Seinen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und die Beiordnung von Rechtsanwalt R hat der Senat abgelehnt (Beschluss vom 24.4.2019). Mit der Begründung seiner Beschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensmangel geltend.
II
Die Beschwerde ist ungeachtet der hier zu gewährenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensmangels.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG vom 2.3.1976 - 12/11 BA 116/75 - SozR 1500 § 160 Nr 17 und BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13; BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31; BSG vom 19.1.1981 - 7 BAr 69/80 - SozR 1500 § 160a Nr 39; BSG vom 9.10.1986 - 5b BJ 174/86 - SozR 1500 § 160a Nr 59 und BSG vom 22.7.1988 - 7 BAr 104/87 - SozR 1500 § 160a Nr 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer eine konkrete Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger misst der Frage, ob und in welchen Fällen sich Aufwendungen für eine private Krankenversicherung und daraus folgend der sozialen Pflegeversicherung nach § 32 Abs 5 Satz 1 und 4 SGB XII(in der Fassung, die die Norm mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 ≪BGBl I 3057≫ erhalten hat; im Folgenden: alte Fassung ≪aF≫) als angemessen darstellen können, auch soweit sie eine Absicherung im Krankheitsfall über die Leistungen im Basistarif hinaus vermitteln, trotz der zwischenzeitlichen Rechtsänderung grundsätzliche Bedeutung zu. Betrifft die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage aber ausgelaufenes oder auslaufendes Recht, besteht in aller Regel kein Bedürfnis mehr, diese Frage höchstrichterlich zu klären (vgl BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 14/11 B - juris RdNr 5; BSG vom 26.4.2007 - B 12 R 15/06 B - juris RdNr 9; BSG vom 28.11.1975 - 12 BJ 150/75 - SozR 1500 § 160a Nr 19). Im Falle ausgelaufenen bzw auslaufenden Rechts ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache allenfalls dann gegeben, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des alten Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihre Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat, namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung mit dem neuen Recht (BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - juris RdNr 32; BSG vom 16.12.2009 - B 6 KA 13/09 B - juris RdNr 7; BSG vom 22.3.2006 - B 6 KA 46/05 B - juris RdNr 7; BSG vom 20.6.2001 - B 10/14 KG 1/00 B - juris RdNr 1; BSG vom 31.3.1999 - B 7 AL 170/98 B - juris RdNr 8; BSG vom 17.6.2013 - B 10 EG 6/13 B - juris mwN). Diese Voraussetzungen hat die Beschwerde nicht hinreichend dargelegt.
Zwar behauptet der Kläger, die aufgeworfene Rechtsfrage sei noch für eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des ausgelaufenen Rechts entscheidungserheblich; er verweist aber nur auf "mehrere" von ihm selbst (wegen weiterer Bewilligungsabschnitte) anhängig gemachte Verfahren. Dies reicht für die Darstellung der Breitenwirkung einer Grundsatzrevision bei ausgelaufenem Recht gerade nicht. Soweit er zudem vorträgt, es sei noch über eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des ausgelaufenen Rechts zu entscheiden, weil der Gesetzgeber eine Änderung von § 32 SGB XII sonst nicht für angezeigt gehalten habe, wird eine nach wie vor bestehende grundsätzliche Bedeutung nicht im Ansatz nachvollziehbar. Es handelt sich insoweit nur um eine pauschale Behauptung des Klägers. Sein Vortrag, die von ihm dargestellte verfassungsrechtliche Problematik betreffe auch die Neufassung des Gesetzes, genügt angesichts der seit dem 1.1.2018 auch der Höhe nach konkret umschriebenen gesetzlichen Vorgaben zur Angemessenheit der Beiträge (vgl § 32 Abs 4 Satz 2 SGB XII nF) ebenfalls nicht zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung eines Rechtsstreits, über den ausschließlich nach altem Recht zu entscheiden ist. Ob sich - wie der Kläger meint - die nunmehr geltende Gesetzesfassung wegen Fehlens einer Öffnungsklausel (vgl allerdings § 32 Abs 4 Satz 3 SGB XII nF bei zeitlich voraussichtlich begrenztem Bezugszeitraum) als verfassungswidrig darstellt, ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.
Einen Verfahrensmangel bezeichnet der Kläger ebenfalls nicht entsprechend den Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24 und BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Die Rüge des Klägers, das LSG habe den Streitgegenstand mit der Beschränkung auf eine Entscheidung über den Anspruch auf höhere Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung (und über die nicht mehr streitigen Leistungen für einen Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 SGB XII) verkannt und nicht erschöpfend über die mit der Klage zur Entscheidung gestellten Ansprüche entschieden (vgl § 123 SGG), ist nicht ausreichend bezeichnet. Er meint zwar, das LSG habe auch über die Übernahme der Kosten für nicht nach dem Basistarif erstattete Behandlungskosten entscheiden müssen, für die er eine Rechtsgrundlage (in erster Linie) im Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII sieht, und nimmt Bezug auf einen im Schriftsatz vom 23.6.2016 insoweit (hilfsweise) gestellten Antrag. Er trägt aber selbst vor, er habe in der mündlichen Verhandlung (nur noch) höhere Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung höherer Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung (und der nicht mehr streitigen Leistungen für einen Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 SGB XII) beantragt und damit sein Begehren beschränkt. Er legt nicht dar, dass und warum eine solche nach der Rechtsprechung des Senats zulässige Begrenzung des Streitgegenstands (vgl nur BSG vom 10.11.2011 - B 8 SO 21/10 R - BSGE 109, 281 = SozR 4-3500 § 32 Nr 1, RdNr 12) hier dennoch nicht vorliegt. Mit dem Vortrag, das Begehren auf Übernahme der Kosten für nicht nach dem Basistarif erstattete Behandlungskosten habe ggf auch im Vierten Kapitel des SGB XII eine Rechtsgrundlage (vgl § 42 SGB XII iVm § 27a Abs 4 SGB XII), wird vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung des Senats gerade nicht ausreichend dargelegt, dass vom LSG über solche Ansprüche mit zu entscheiden gewesen wäre. Schließlich fehlt es auch an ausreichenden Darlegungen dazu, dass ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für nicht nach dem Basistarif erstattete Behandlungskosten in der Sache bestehen könnte und die Entscheidung also auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruht. Da der Kläger nach seinem Vortrag nicht lediglich im Basistarif versichert ist, ist nicht erkennbar, dass ihm solche Aufwendungen überhaupt entstanden sind. In der Beschwerdebegründung nimmt der Kläger lediglich fiktive Kosten in Bezug, die aus seiner Sicht der Beklagte im Fall seiner Versicherung nur im Basistarif zu übernehmen hätte, und führt Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte an, die aus seiner Sicht für eine Übernahme der gesamten Beiträge sprechen. Dies betrifft wiederum nur die inhaltliche Richtigkeit der vom LSG wegen der Übernahme der Beiträge getroffenen Entscheidung und vermag die Zulassung der Revision nicht zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13408521 |