Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Juni 2020 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Beklagte keinen Zulassungsgrund in der gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist - auch für die Rüge einer Gehörsverletzung, die im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 547 ZPO) - aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung, ausgehend von der Rechtsansicht des LSG, auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (zu den Anforderungen vgl etwa BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 169/15 B - juris RdNr 9 mwN).
Die Beschwerde des Beklagten wird diesen Darlegungsanforderungen nicht gerecht, selbst wenn eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin zu sehen wäre, dass der elektronisch übermittelte Schriftsatz vom 14.5.2020 mit dem Hinweis auf eine Entscheidung des Hessischen LSG wegen eines technischen Fehlers im Organisationsbereich des LSG nicht zum Zeitpunkt der Entscheidung vorgelegen hat und daher nicht berücksichtigt werden konnte. Denn der Beklagte zeigt nicht schlüssig auf, warum die Entscheidung des LSG darauf beruhen könnte. Das LSG hat seine Entscheidung tragend auf landesrechtliche Bestimmungen gestützt, insbesondere auf § 100 SchulG NRW, der nach der Auslegung durch das LSG den Ersatzschulen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit einräume. Daher hätte es weiterer Ausführungen des Beklagten dazu bedurft, warum eine Entscheidung des Hessischen LSG, die sich ausdrücklich auf schulrechtliche Bestimmungen in Hessen und zudem nicht auf eine Ersatzschule bezieht, einen Einfluss auf das hier angegriffene Urteil hätte haben können. Denn für die Beurteilung, ob die Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruhen kann, kommt es zum einen auf die Rechtsauffassung des LSG an. Zum anderen kann die tragende Anwendbarkeit von Landesrecht wegen § 162 SGG nur unter engen Voraussetzungen Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 162 RdNr 5 ff).
Danach ist auch das Vorbringen, das LSG habe ohne mündliche Verhandlung entschieden, obwohl die Zustimmung hierzu wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage neu hätte erklärt werden müssen, nicht ausreichend zur Bezeichnung einer Gehörsverletzung. Es fehlt eine nachvollziehbare Darlegung, warum sich die Prozesslage wesentlich geändert haben sollte.
Soweit der Beklagte schließlich als Verfahrensfehler rügt, § 110 Abs 1 SGG sei durch eine formfehlerhafte Umladung verletzt, geht dies schon deshalb fehl, weil keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat.
2. Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 160 RdNr 119). Diesen Vorgaben entspricht es nicht, wenn der Beklagte, ohne konkrete Rechtssätze aus beiden Urteilen gegenüberzustellen und Unterschiede im Grundsätzlichen herauszuarbeiten, ausführt, unter Beachtung des Urteils des BSG vom 22.11.2011 (B 4 AS 204/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 15) sei eine Übernahme der hier streitigen Kosten für eine Klassenfahrt ausgeschlossen.
3. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache schließlich nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht. Für grundsätzlich bedeutsam hält der Beklagte die Rechtsfrage, "ob die Kosten für eine Schulfahrt einer Schule in freier Trägerschaft im Rahmen des § 28 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB II vom Grundsicherungsträger zu gewähren sind, welche nicht nach den schulrechtlichen Bestimmungen genehmigungsfähig ist und ob aufgrund der weitgehenden Gestaltungsfreiheit der Ersatzschulen inhaltliche Vorgaben zur zeitlichen Planung und Organisation von Klassenfahrten nach schulrechtlichen Bestimmungen unzulässig seien und sich der Maßstab für die Genehmigungsfähigkeit für solche Schulfahrten daher nicht an landesspezifischen schulrechtlichen Regelungen für die Legitimation des Bedarfs für die mehrtägige Klassenfahrt zu orientieren hat". Soweit diese mehrgliedrige, nur schwer verständliche Frage sich auf nach den schulrechtlichen Bestimmungen unzulässige Schulfahrten bezieht, vermag der Senat schon die Entscheidungserheblichkeit nicht nachzuvollziehen, denn das LSG ist gerade vom Gegenteil, nämlich davon ausgegangen, dass die Fahrt nach dem für Ersatzschulen geltenden Landesschulrecht zulässig ist und sie sich deshalb im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen iS des § 28 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II hält. Wenn die Frage weitergehend so zu verstehen wäre, ob solchen landesspezifischen schulrechtlichen Regelungen Bundesrecht entgegensteht, ist jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit nicht aufgezeigt. Es fehlt an einer Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Landesrecht zu Bundesrecht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, RdNr 15; BSG vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 15). Insbesondere bleibt offen, warum nach Auffassung des Beklagten die vom BSG entwickelten Grundsätze nur für staatliche Schulen, nicht aber für Schulen in freier Trägerschaft von Bedeutung sein sollten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14263611 |