Verfahrensgang
SG München (Entscheidung vom 07.02.2017; Aktenzeichen S 54 SO 588/15) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 19.12.2019; Aktenzeichen L 8 SO 63/17) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger macht höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit von Oktober 2014 bis September 2016 unter Berücksichtigung eines behaupteten Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung infolge ua einer Gluten- und Histaminunverträglichkeit geltend. Dies lehnte die Beklagte ab. Die Klage ist nach weiteren medizinischen Ermittlungen durch das Sozialgericht (SG) München (ua durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens) in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG vom 7.2.2017; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 19.12.2019). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dem Kläger stünden höhere Leistungen nicht zu. Insbesondere bestehe - unter Berücksichtigung der Ergebnisse der medizinischen Beweiserhebung - kein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung.
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des LSG und legt zugleich Beschwerde ein.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen kann nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers keiner mit Erfolg im Beschwerdeverfahren, verbunden auch mit einem möglichen Erfolg in der Hauptsache (vgl dazu nur BSG SozR 4-1500 § 73a Nr 2 mwN), geltend gemacht werden.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht erkennbar. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf kostenaufwändige Ernährung besteht und welche Ermittlungen insoweit geboten und erforderlich sind, sind geklärt. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG ist der Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung im Einzelfall (ohne dass sich generelle Schlüsse aus bestimmten Krankheitsbildern ableiten ließen) im Wege der Amtsermittlung durch Einholung medizinischer und/oder ernährungswissenschaftlicher Stellungnahmen oder Gutachten zu klären (vgl nur BSG vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R - FEVS 63, 294; BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 RdNr 24; zuletzt BSG vom 27.2.2020 - B 8 SO 65/19 B). Dies ist hier geschehen. Dass der Kläger mit dem Ergebnis der medizinischen Beweiserhebung und den daraus vom LSG gezogenen Schlüssen nicht einverstanden ist, begründet weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache noch könnte ein Rechtsanwalt mit Aussicht auf Erfolg eine Verfahrensrüge (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) zulässigerweise auf einen Verstoß ua gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) stützen.
Auch liegt im Übrigen kein Verfahrensfehler vor; insbesondere hat das LSG den Streitgegenstand (§ 123 SGG) nicht verkannt. Der Kläger macht zwar geltend, er beanspruche höhere Grundsicherungsleistungen allein wegen eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung; auch kann der Streit um einen solchen Mehrbedarf, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, einen eigenen, vom Leistungsanspruch im Übrigen abtrennbaren Streitgegenstand bilden (BSG vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R). Wenn das LSG jedoch - wie das SG - die umfangreichen Ausführungen des unvertretenen Klägers dahingehend versteht, er wolle eine vollständige Überprüfung der Leistungsbescheide und höhere Grundsicherungsleistungen, gleich aus welchem Rechtsgrund, legt es lediglich die Äußerungen des Klägers im Sinne des Meistbegünstigungsgrundsatzes zu seinen Gunsten möglichst umfassend aus, ohne damit zugleich den Streitgegenstand zu verkennen. Ein Nachteil in der Sache erwächst dem Kläger aus der vollständigen Prüfung seines Leistungsanspruchs durch das Gericht ohnedies nicht.
Auch liegt ein Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht vor. Zwar rügt der Kläger, das LSG hätte sich nicht oder nur unzureichend mit seinen Einwänden gegen den Gutachter bzw das Gutachten auseinandergesetzt. Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG) gewährt aber weder einen Anspruch auf eine "richtige" Entscheidung (BVerfG Beschluss vom 31.3.2016 - 2 BvR 1576/13 - juris RdNr 71) noch, dass sich das Gericht im Detail mit allen Argumenten des Klägers auseinandersetzt (vgl nur BVerfG vom 27.5.2016 - 1 BvR 1890/15 - SozR 4-1100 Art 103 Nr 4; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 62 RdNr 7 mwN). Es muss das Vorbringen zur Kenntnis nehmen, abwägen und auf dessen wesentlichen Kern auch im Urteil eingehen. Dies ist hier geschehen. Das LSG hat sich in seinem Urteil mit den Einwänden des Klägers und seinen von den Schlüssen des Gutachters abweichenden Einschätzungen auseinandergesetzt.
Schließlich ist auch wegen der Zurückweisung des Befangenheitsantrags gegen die Richter Dr. A., H. und R. sowie "sonstige Mitentscheider" kein Verfahrensmangel ersichtlich Nach einer Zurückweisung eines Befangenheitsantrags gegen einen Richter durch Zwischenentscheidung kann ein sich auf das angefochtene Urteil selbst auswirkender Mangel im Sinne eines absoluten Revisionsgrundes (§ 547 Nr 1 ZPO) nur dann vorliegen, wenn die Behandlung eines Ablehnungsantrags so fehlerhaft ist, dass durch die weitere Mitwirkung der abgelehnten Richter das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG verletzt ist und das Berufungsgericht bei seiner Berufungsentscheidung deshalb unrichtig besetzt war (BSG vom 13.8.2009 - B 8 SO 13/09 B - RdNr 8 mwN). Im Übrigen unterliegen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind und - wie im Falle einer Ablehnung eines Befangenheitsantrages durch ein LSG - unanfechtbar sind (§ 177 SGG), nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts (§ 202 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO). Deshalb kommt ein Verstoß gegen Art 101 Abs 1 Satz 2 GG nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften - hier also nur bei willkürlichen oder manipulativen Erwägungen für die Zurückverweisung des Ablehnungsgesuchs - in Betracht (BSG aaO). Derartige Verstöße liegen nach Aktenlage nicht vor.
Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Ein solcher kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG vom 27.1.2020 - B 8 SO 67/19 B - juris RdNr 12). Auch dafür liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Die vom Kläger ohne zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Bevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf hat das LSG den Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13909088 |