Verfahrensgang
SG Leipzig (Entscheidung vom 22.07.2020; Aktenzeichen S 12 R 30/18) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 08.02.2021; Aktenzeichen L 10 R 513/20) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. Februar 2021 - L 10 R 513/20 - vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Prozessbevollmächtigten beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente. Der Kläger war seit Mai 1991 geschäftsführender Alleingesellschafter einer GmbH. Im April 1996 stellte er für das Unternehmen einen Insolvenzantrag. Der Kläger ist der Auffassung, es müssten für die Zeit vom 1.5.1991 bis zum 31.12.2004 Pflichtbeitragszeiten berücksichtigt werden und es stünden ihm Schadensersatzansprüche gegen den Freistaat Sachsen, die Bundesrepublik Deutschland und eine namentlich benannte Steuerberatungsgesellschaft zu. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.
Der Kläger hat mit einer einfachen E-Mail vom 13.3.2021 "Corona bedingt/Erklärung siehe Antrag/vorab per mail" ein als Datei angehängtes Schreiben vom selben Tag an das BSG übersandt, in dem er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen LSG vom 8.2.2021 (dem Kläger zugestellt am 17.2.2021) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Dieses Schreiben ist nicht unterzeichnet. Der E-Mail war eine weitere Datei angefügt mit einer eingescannten und handschriftlich unterzeichneten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Erklärung). Nach Belehrung des Klägers, dass per E-Mail formwirksam weder ein Rechtsmittel eingelegt noch ein PKH-Antrag gestellt werden kann, sind der PKH-Antrag des Klägers und die Erklärung am 18.3.2021 in einem am 17.3.2021 als Einwurf-Einschreiben zur Post gegebenen Briefumschlag beim BSG eingegangen.
II
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.
Voraussetzung für die Bewilligung von PKH ist nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass sowohl der (grundsätzlich formlose) Antrag auf PKH als auch die Erklärung in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG, § 117 Abs 2 und 4 ZPO) bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden (vgl BSG Beschluss vom 11.1.2018 - B 9 SB 87/17 B - juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 13.1.2021 - B 5 R 16/20 BH - juris RdNr 3). Für die Übermittlung eines elektronischen Dokuments gelten besondere Anforderungen. Dieses muss entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen (§ 65a Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGG) oder gemäß § 65a Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGG signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (zu den Voraussetzungen vgl BSG Urteil vom 12.10.2016 - B 4 AS 1/16 R - BSGE 122, 71 = SozR 4-1500 § 65a Nr 3, RdNr 16 ff; BSG Beschluss vom 18.11.2020 - B 1 KR 1/20 B - SozR 4-1500 § 65a Nr 6). Ein mit einfacher E-Mail gestellter PKH-Antrag erfüllt diese Voraussetzungen nicht (vgl BSG Beschluss vom 28.10.2020 - B 9 V 37/20 B - juris RdNr 3 unter Hinweis auf BSG Beschluss vom 30.1.2017 - B 1 KR 14/16 S - juris RdNr 3 ff mwN).
Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der Kläger bis zum Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist, die am 17.3.2021 endete (§ 160a Abs 1 Satz 2, § 64 Abs 2 SGG), einen rechtswirksamen PKH-Antrag gestellt hat und ob ihm - auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der Corona-Pandemie - die nicht rechtzeitige Einreichung formgerechter Unterlagen entgegengehalten werden könnte (zur Übermittlungsmöglichkeit per Telefax vgl BSG Beschluss vom 16.3.2021 - B 5 R 28/21 B - juris RdNr 4). Jedenfalls fehlt es für die Bewilligung von PKH an weiteren Voraussetzungen. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers ist nicht zu erkennen, dass dies hier der Fall ist.
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG sind nicht erkennbar. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (Zulassungsgrund der Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Soweit der Kläger der Auffassung ist, das LSG habe die Rechtslage und höchstrichterliche Rechtsprechung verkannt, vermag dies eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu begründen. Auch für den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG), weil erheblicher Vortrag nicht berücksichtigt worden sei, fehlt es an Anhaltspunkten. Das LSG hat sich in seinem Urteil vom 8.2.2021 ausführlich mit den umfangreichen Ausführungen des Klägers befasst. Ein Gericht ist nicht verpflichtet, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen zu befassen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nur anzunehmen, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falls ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, das Vorbringen der Beteiligten zu Fragen, die nach seiner Rechtsansicht entscheidungserheblich sind, zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Soweit der Kläger meint, das LSG habe seinen rechtlichen Vortrag inhaltlich nicht hinreichend gewürdigt, übersieht er, dass Art 103 Abs 1 GG den Beteiligten keinen Anspruch darauf gibt, mit ihrem Vorbringen auch in der Sache Erfolg zu haben. Das Recht auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - juris RdNr 12 f mwN). Ebenso wenig ist erkennbar, dass das LSG ohne hinreichende Begründung einem prozessordnungsgemäßen Beweisantrag (zum notwendigen Inhalt eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags vgl BSG Beschluss vom 26.9.2019 - B 5 R 268/18 B - juris RdNr 9) nicht gefolgt sein könnte (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Der Senat muss sich nicht dazu verhalten, dass das LSG in Kenntnis der unwetterbedingten Schwierigkeiten (vgl dazu die Pressemitteilung des Deutschen Wetterdienstes, Deutschlandwetter im Februar 2021, www.dwd.de) bei Anreise der Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 8.2.2021 in deren Abwesenheit verhandelt hat. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, dass der Kläger einen Antrag auf Terminverlegung rechtzeitig gestellt hat. Nach einer Gesprächsnotiz einer Mitarbeiterin des LSG hat der Sohn des Klägers vor Beginn der für 11.15 Uhr angesetzten mündlichen Verhandlung um 10.10 Uhr bei Gericht angerufen und lediglich mitgeteilt, dass zum Termin niemand erscheinen wird (zur Notwendigkeit der Verdeutlichung eines Terminverlegungsgesuchs vgl BSG Beschluss vom 8.10.2020 - B 2 U 13/20 BH - juris RdNr 6). Das - wiederum per E-Mail - übersandte Ersuchen des Klägers um Anberaumung eines erneuten Termins erreichte das Gericht erst um 15.04 Uhr und damit nach Verkündung des Urteils. Ebenso wenig bedarf einer weiteren Vertiefung, ob das Berufungsgericht nach dem im Protokoll festgehaltenen Ablauf in der Sache des Klägers ordnungsgemäß mündlich verhandelt hat (zum Sachvortrag als Kernstück der mündlichen Verhandlung vgl § 112 Abs 1 Satz 2 SGG sowie BSG Beschluss vom 25.1.2011 - B 5 R 261/10 B - SozR 4-1500 § 112 Nr 3). Bei einer Entscheidung über die Bewilligung von PKH für ein Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die hinreichende Erfolgsaussicht nicht allein danach zu beurteilen, ob aufgrund von Verfahrensfehlern die Revision zuzulassen wäre. Vielmehr ist PKH auch dann zu versagen, wenn der Antragsteller letztlich in der Sache nicht erreichen kann, was er mit dem Prozess erreichen will, wenn die Revision also im Falle ihrer Zulassung nicht zum Erfolg führen kann oder der Antragsteller selbst nach einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht unterliegen muss (vgl BSG Beschluss vom 29.10.2020 - B 5 R 131/20 B - juris RdNr 12). PKH hat nicht den Zweck, Bedürftigen die Durchführung von Verfahren zu ermöglichen, die im Ergebnis nicht zu ihrem Vorteil ausgehen können und die ein vernünftig abwägender bemittelter Rechtsuchender auf eigene Kosten nicht führen würde (stRspr; vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 13.7.2005 - 1 BvR 1041/05 - SozR 4-1500 § 73a Nr 3 RdNr 10 ff; BSG Beschluss vom 15.12.2015 - B 13 R 9/15 B - BeckRS 2016, 65396 RdNr 6 mwN).
So verhält es sich auch hier. In der Sache kann dem Begehren des Klägers kein Erfolg beschieden sein. Der Kläger fordert eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten mit den höchstmöglichen Beiträgen im Zeitraum vom 1.5.1991 bis zum 31.12.2004, obwohl sein Versicherungskonto in dieser Zeit keinerlei Beitragszahlungen aufweist. Er meint, dies habe die Firma K zu verantworten, die von Januar 1992 bis Juni 1996 in seinem Auftrag die Lohnabrechnungen der von ihm als Alleingesellschafter geführten GmbH vorgenommen und dabei die Vereinbarung, für ihn freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abzuführen, nicht umgesetzt habe. Zudem habe er Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland und den Freistaat Sachsen, weil diese aufgrund ihrer "Regierungsverbrechen" für die Insolvenz seiner Firma und für seine Berufsunfähigkeit ab 2012 verantwortlich seien und das Unternehmen unter Preis verwertet hätten. Die Schadensersatzansprüche umfassten auch die von den Schädigern verhinderten Leistungen zur (betrieblichen) Altersvorsorge; die Beklagte hätte die entgangenen Rentenbeiträge für ihn realisieren müssen. Demgegenüber hat das LSG in seinem Urteil ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, so gestellt zu werden, als hätte er in der streitbefangenen Zeit Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet. Es folgt auch weder aus § 62 SGB VI noch aus den §§ 116, 119 SGB X eine Verpflichtung der Beklagten, vermeintliche Ansprüche des Klägers geltend zu machen.
Da dem Kläger somit keine PKH zusteht, entfällt damit zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI14668873 |