Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.07.1966)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juli 1966 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die vom Kläger gegen das vorbezeichnete Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Revision ist nicht statthaft.

Der Kläger hat die Revision fristgerecht eingelegt und begründet (§ 164 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–). Die Einlegung und Begründung der Revision entsprechen auch der gesetzlichen Form des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG und insbesondere des § 166 SGG. Nach § 166 Abs. 1 SGG müssen sich vor dem Bundessozialgericht (BSG) die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, durch besondere Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen. Der Kläger hat nach § 73 SGG den Landesgeschäftsführer H. und den Landessozialreferenten W. vom Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermißtenangehörigen Deutschlands e.V. (VdH), Landesverband Baden-Württemberg, zu seiner Prozeßvertretung vor dem BSG bevollmächtigt. Nach Einlegung und Begründung der Revision durch den Landesgeschäftsführer H. hat dieser eine Vollmacht der gemäß Satzung des VdH (§ 18) idF vom 7. Dezember 1964 bestellten Vertreter (Vorstand), Präsident H. und Schatzmeister D. vorgelegt, mit der ihm – nachträglich – Vollmacht des VdH zur Vertretung vor dem BSG erteilt worden ist.

Der 1. Senat des BSG hat mit Beschluß vom 21. Dezember 1959 (Az.: 1 RA 131/58) entschieden, daß der VdH nicht zu den Vereinigungen zähle, deren Mitglieder und Angestellte nach § 166 Abs. 2 Satz 1 SGG als Prozeßbevollmächtigte vor dem BSG zugelassen seien. Zwar sei der VdH beim Amtsgericht Bonn im Vereinsregister eingetragen und deshalb als Vereinigung im Sinne des § 166 Abs. 2 Satz 1 SGG anzusehen, es fehle aber an den weiteren Voraussetzungen, die nach dieser Vorschrift für die Vertretungsbefugnis vor dem BSG erforderlich seien. Der VdH sei weder eine Gewerkschaft noch eine Vereinigung, der nur eine bestimmte Personengruppe der Sozialpartner angehöre, ebensowenig sei er eine Vereinigung der Kriegsopfer; gegen letzteres sprächen nach der Satzung in der Fassung vom 19. Oktober 1957 sein praktisch nicht beschränkter Mitgliederkreis und die Aufgaben, die er sich gestellt habe und die herkömmlicherweise nicht diejenigen einer Kriegsopfervereinigung seien. Ein „Kriegsopferverband” im Sinne des § 166 Abs. 2 Satz 1 SGG habe sich nämlich – anders als der VdH mit den sich selbst gestellten vielfältigen Aufgaben – nach seiner Zwecksetzung ausschließlich oder mindestens in der Hauptsache die Aufgabe gestellt, die gemeinschaftlichen Interessen der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen zu wahren.

Diese Rechtsauffassung des 1, Senats des BSG hat der erkennende Senat für die Zeit der Geltungsdauer der Satzung des VdH idF vom 19. Oktober 1957 geteilt, auch wenn er nicht ausdrücklich in einer eigenen Entscheidung Stellung dazu genommen hat. Inzwischen hat aber der VdH seine Satzung geändert. Nach deren § 2 Abs. 2 idF vom 7. Dezember 1964 ist er „eine Vereinigung von Kriegsopfern, die durch militärischen oder militärähnlichen Dienst, insbesondere durch die Belastungen einer Gefangenschaft oder Internierung Schaden an Leib oder Leben erlitten oder nähere Angehörige verloren haben”; zu seinen Aufgaben gehört nach § 2 Abs. 7 der Satzung u. a. „die Wahrnehmung der Interessen der in Krieg und Gefangenschaft an Leib und Leben geschädigten Kriegsopfer, soweit sie nach dem Bundesversorgungsgesetz, dem Heimkehrergesetz, dem KgfEG und anderen Versorgungsgesetzen anspruchsberechtigt sind, insbesondere durch Beratung und Vertretung der Mitglieder vor den zuständigen Verwaltungsbehörden, den Sozial- und Verwaltungsgerichten” (Rechtsschutzgewährung nach § 2 Abs. 13 und 14 der Satzung). Zwar ist neben „Heimkehrern aus Krieg oder kriegsbedingter Gefangenschaft und ihren Angehörigen” (§ 4 Abs. 2 der Satzung), „Angehörigen eines im Krieg oder in kriegsbedingter Gefangenschaft Verschollenen, Vermißten oder Verschleppten” (§ 4 Abs. 5 der Satzung) auch „jeder natürlichen Person nach vollendetem 18. Lebensjahr und jeder juristischen Person, die für die Zwecke des Verbandes eintritt und seine Ziele in ideeller oder materieller Form unterstützt (§ 4 Abs. 4 der Satzung), der Beitritt als Mitglied möglich. Jedoch setzt sich nach Feststellungen des Bayerischen LSG in seinem Beschluß vom 29. Juli 1963 (L 7/S 2/62) der Mitgliederkreis des VdH zu etwa 94 v.H. aus ehemaligen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten sowie aus Angehörigen von Vermißten, Verschollenen und Kriegstoten, also aus Personen zusammen, die als Kriegsopfer im Sinne der Versorgungsgesetze in Betracht kommen. Das aber bedeutet, daß selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß er sich auch mit anderen Aufgaben befaßt (z. B. Förderung der Berufsfürsorge, Kinderlandverschickung, Wohnraumbeschaffung u.ä.), der VdH i. S. seiner geänderten Satzung sowohl nach seiner Zwecksetzung als auch nach der Zusammensetzung seines Mitgliederbestandes in einem Solchen Umfange mit der Wahrung der gemeinschaftlichen Interessen von Kriegsopfern befaßt ist, daß seiner Anerkennung als einer „Vereinigung der Kriegsopfer” i. S. des § 166 Abs. 2 Satz 1 SGG nichts mehr im Wege steht. Dies gilt nicht zuletzt auch hinsichtlich des Beschlusses des 1. Senats des BSG vom 21. Dezember 1959 und seiner Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf Grund der Satzung des VdH idF vom 19. Oktober 1957: Infolge Neufassung der Satzung und durch ihren neuen, jetzt gültigen Inhalt ist eine neue Sachlage gegeben, die eine erneute Überprüfung der Frage der Vertretungsbefugnis von Mitgliedern und Angestellten des VdH vor dem BSG rechtfertigt und auch eine neue, der des 1. Senats entgegenstehenden Entscheidung zuläßt, ohne daß es der Anrufung des Großen Senats des BSG bedürfte (§ 42 SGG). Nach allem ist der VdH nunmehr zu den Vereinigungen der Kriegsopfer zu rechnen, deren Mitglieder und Angestellte nach § 166 Abs. 2 SGG Prozeßbevollmächtigte vor dem BSG sein können.

Die Revision des Klägers konnte aber trotzdem keinen Erfolg haben. Dabei geht die Berufung auf § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG schon deshalb fehl, weil nach dieser Vorschrift allein nachgeprüft werden kann, ob das Vordergericht bei Beurteilung der Zusammenhangsfrage das Gesetz verletzt hat. Das Vorbringen, das LSG habe „bei der Beurteilung einer wesentlichen Änderung (§ 62 BVG) das Gesetz verletzt”, enthält deshalb keine Rüge im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG; es kann eine solche auch gar nicht enthalten, da eine Entscheidung, daß eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers eingetreten und deshalb eine Neufeststellung durch die Verwaltungsbehörde gerechtfertigt sei, mit der Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer Schädigung i. S. des BVG und einer Gesundheitsstörung nichts zu tun hat. Soweit sich die Revision aber in diesem Zusammenhang gegen den materiell-rechtlichen Inhalt des angefochtenen Urteils wenden zu können glaubt, übersieht sie, daß bei einer wie vorliegend nicht zugelassenen Revision dem Revisionsgericht eine dahingehende Nachprüfung verwehrt ist.

Die Rüge, das LSG habe gegen die Regeln der Beweiswürdigung und gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es zu der Auffassung gelangt sei, beim Kläger sei eine wesentliche Änderung (Besserung) i. S. des § 62 Abs. 1 BVG hinsichtlich der als Schädigungsfolge anerkannt gewesenen „Herzleistungsschwäche” eingetreten, kann die Revision ebenfalls nicht statthaft machen. Nach § 128 Abs. 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; in seinem Urteil hat es die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Ein Mangel des Verfahrens in bezug auf die Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Gericht die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung überschritten hat; insoweit kommt insbesondere ein Verstoß gegen Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder Denkgesetze in Betracht (BSG 2, 236, 237). Ein solcher Mangel des angefochtenen Urteils ist jedoch nicht erkennbar. Das Berufungsgericht hat die ihm vorliegenden ärztlichen Gutachten zu der im Streit stehenden Frage einer verfahrensrechtlich einwandfreien Beweiswürdigung unterzogen und ist nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen richterlichen Überzeugung ohne Verstoß gegen die Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder gegen Denkgesetze zu der Auffassung gelangt, daß die im Jahre 1951 als Schädigungsfolge anerkannte „Herzleistungsschwäche” des Klägers inzwischen abgeklungen ist und jetzt nicht mehr besteht. Wenn die Revision dazu vorträgt, das LSG habe bei seiner Würdigung unbeachtet gelassen, daß die im Jahre 1951 erhobenen und zur Anerkennung führenden Befunde sich nur „geringfügig” geändert hätten, und daß insbesondere der damals anerkannte Leidenszustand „im ganzen der gleiche geblieben sei”, so trifft dies nicht zu, denn nach den sowohl von dem Gutachter Dr. P. (Gutachten vom 9. Dezember 1960) als auch von den Ärzten der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg Prof. Dr. K. und Dr. M. (Gutachten vom 2. Mai 1962) erhobenen Befunden bestehen für eine „Herzleistungsschwäche” klinisch, röntgenologisch und elektrokardiographisch überhaupt keine Anhaltspunkte mehr, während – auch nach Auffassung des Prof. Dr. K. und des Dr. M. – im Jahre 1951 diese allerdings schon damals nicht hochgradige Gesundheitsstörung zumindest klinisch, nach der Anamnese und im Hinblick auf Entbehrungen, Strapazen und Erkrankungen in russischer Kriegsgefangenschaft und während der anschließenden Zwangsarbeit diagnostiziert worden war und auch hatte diagnostiziert werden können. Darüber hinaus aber haben Prof. Dr. K. und Dr. M. die jetzigen Beschwerden des Klägers nach den von ihnen erhobenen Befunden als Ausdruck einer regulativen Störung angesehen, die mit Kriegs- oder auch Nachkriegseinflüssen in keinerlei Zusammenhang steht. Das aber bedeutet – und mußte auch für das LSG bedeuten –, daß der jetzt vom Kläger noch geltend gemachte Leidenszustand nicht mit dem gleichgesetzt werden kann, der im Jahre 1951 festgestellt worden und Grundlage für die Anerkennung einer „Herzleistungsschwäche” als Schädigungsfolge gewesen ist.

Nach allem ist die Revision des Klägers nicht statthaft; sie war nach der Vorschrift des § 169 Satz 2 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

 

Unterschriften

Stengel, Dr. Schwankhart, Dr. Neuhaus

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926708

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