Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bei Beschwerdeeinlegung durch Anwalt und gleichzeitigem Armenrechtsgesuch
Leitsatz (amtlich)
Liegt ein beim BSG zugelassener Prozeßbevollmächtigter die Nichtzulassungsbeschwerde mit einem Armenrechtsgesuch für seinen Auftraggeber ein ohne zum Ausdruck zu bringen, daß seine Vertretung mit der Einlegung der Beschwerde endet oder daß sie nur auf das Armenrechtsgesuch beschränkt wird, so muß er die Nichtzulassungsbeschwerde auch fristgerecht begründen. Versäumt er dies, so ist die gesetzliche Verfahrensfrist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht ohne Verschulden versäumt (Fortführung von BSG 1957-01-23 4 RJ 230/56 = SozR Nr 10 zu § 67 SGG).
Normenkette
SGG §§ 67, 160a Abs. 2, § 167
Tenor
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Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht das Armenrecht zu bewilligen, wird abgelehnt. |
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 1975 wird als unzulässig verworfen. |
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Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. |
Gründe
Gegen das vorbezeichnete Urteil, das der Klägerin am 4. März 1975 zugestellt worden ist, hat sie durch ihren Prozeßbevollmächtigten am 3. April 1975 die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und gleichzeitig unter Vorlage des erforderlichen Zeugnisses um Bewilligung des Armenrechts nachgesucht. Nach § 167 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann einem Beteiligten, der nicht nach § 166 Abs. 2 Satz 1 SGG vertreten ist, für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) das Armenrecht bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nur dann bewilligt und ein Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier jedoch nicht der Fall, weil die Nichtzulassungsbeschwerde mangels fristgerechter Begründung unzulässig ist.
Nach § 160 a Abs. 2 SGG ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Diesen Anforderungen ist die Klägerin nicht nachgekommen. Ihr Prozeßbevollmächtigter hat sich zwar in der Beschwerdeschrift eine nähere Begründung der Beschwerde vorbehalten, diese aber nicht fristgerecht gegeben. Die in der Beschwerdeschrift enthaltene Wendung "gerügt wird die Verletzung der materiellen und formellen gesetzlichen Vorschriften" kann nicht als eine dem § 160 a Abs. 2 Satz 3 SGG genügende und damit formgerechte Begründung angesehen werden. Denn sie läßt weder erkennen, worin die grundsätzliche Bedeutung der Sache erblickt wird, noch ist daraus ersichtlich, von welcher Entscheidung das Urteil des LSG nach Auffassung der Klägerin abweicht, bzw. an welchem Mangel das Verfahren des LSG nach ihrer Meinung leidet (vgl. hierzu für die Revision den Beschluß des erkennenden Senats vom 28. Dezember 1956 - 10 RV 489/56 - SozR Nr. 22 zu § 164 SGG sowie den Beschluß des BSG vom 25. Januar 1957 - 8 RV 917/56 - SozR Nr. 70 zu § 162 SGG).
Gegen den Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde kann der Klägerin auch nicht gemäß § 67 SGG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Denn es ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß sie ohne Verschulden verhindert war, diese Verfahrensfrist einzuhalten. Sie war insbesondere nicht durch ihre Armut gehindert, die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde rechtzeitig einreichen zu lassen, da sie bereits bei Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde anwaltschaftlich vertreten war und weder aus der Beschwerdeschrift noch aus der vorgelegten umfassenden Vollmacht ein Hinweis darauf erkennbar ist, daß die anwaltschaftliche Vertretung in irgendeiner Weise eingeschränkt ist. Bringt aber der Prozeßbevollmächtigte, nachdem er ein Rechtsmittel eingelegt hat, weder durch Niederlegung des Mandats noch auf sonstige Weise zum Ausdruck, daß er seine Vertretung auf die Einlegung des Rechtsmittels oder auf die Anbringung des Armenrechtsgesuchs beschränkt wissen will, so muß er die gesetzliche Frist für die Begründung des Rechtsmittels beachten und einhalten; andernfalls treffen die Folgen der von ihm verschuldeten Fristversäumnis gemäß § 73 Abs. 3 Satz 2 SGG (vgl. hierzu Beschluß des erkennenden Senats vom 15. Dezember 1959 - 10 RV 750/56 - in BSG 11, 158) seinen Mandanten. Das trifft im vorliegenden Fall zu, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die Beschwerdebegründung zwar vorbehalten und damit angekündigt, sie aber nicht fristgerecht eingereicht hat (vgl. hierzu auch Beschluß des BSG vom 23. Januar 1957 - 4 RJ 230/56 - in SozR Nr. 10 zu § 167 SGG).
Da somit die Nichtzulassungsbeschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden muß (vgl. hierzu den Beschluß des BSG vom 15. April 1975 - 5 RKn 1/75 -) war der Klägerin das Armenrecht wegen Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen