Verfahrensgang
Thüringer LSG (Urteil vom 23.11.2016; Aktenzeichen L 12 R 523/15) |
SG Nordhausen (Entscheidung vom 25.03.2015; Aktenzeichen S 35 R 7344/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 23. November 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 23.11.2016 hat das Thüringer LSG einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum BSG eingelegt. Die Klägerin beruft sich auf einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG und rügt insbesondere eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht aus § 103 SGG. Das LSG sei ihrer Anregung, ein weiteres "Obergutachten" gemäß § 106 Abs 3 Nr 5 SGG einzuholen, nicht gefolgt. Stattdessen habe das LSG sich lediglich auf die für die Klägerin ungünstigen Gutachten des Ö. H. Klinikums und des Dr. S. gestützt. Die für die Klägerin günstigen Gutachten der Dipl.-Med. Sch. und des Dr. H. habe das LSG hingegen gänzlich ignoriert. Das LSG habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, weil es die für die Klägerin ungünstigen Gutachten nicht kritisch hinterfragt und davon abgesehen habe, weitere Stellungnahmen und/oder Gutachten einzuholen. Zudem hätten sich zu Unrecht weder die Gutachter noch das LSG in seiner Entscheidung mit der Frage der Berufsunfähigkeit der Klägerin gemäß § 240 SGB VI befasst.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Die Klägerin versäumt es bereits, den vom LSG festgestellten Sachverhalt darzustellen. Dessen Wiedergabe ist aber Mindestvoraussetzung für eine Entscheidung des Senats über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde. Denn nur in diesem Fall wird das BSG in die Lage versetzt, allein aufgrund des Vorbringens in der Beschwerdebegründung zu beurteilen, ob der gerügte Zulassungsgrund vorliegt. Es ist nicht Aufgabe des erkennenden Senats, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten herauszusuchen (vgl nur BSG Beschluss vom 23.7.2007 - B 13/4 R 381/06 B - Juris RdNr 8 mwN).
Unabhängig davon hat die Klägerin eine Verletzung des § 103 SGG nicht schlüssig bezeichnet.
Werden - wie vorliegend - Verstöße gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
Die Klägerin hat bereits nicht aufgezeigt, dass sie einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt habe. Zur Darlegung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Es wird lediglich allgemein vorgetragen, dass die Einholung eines Gutachtens gemäß § 106 Abs 3 Nr 5 SGG beantragt worden sei, da gravierende Widersprüche aus den zu Gericht gelangten fachärztlichen Einschätzungen hervorgegangen seien. Über welche bestimmte Tatsachenbehauptung Beweis erhoben werden sollte, wird hingegen von der Klägerin nicht vorgetragen. Bloße Beweisanregungen wie vorliegend (vgl zur Unterscheidung vom Beweisantrag näher BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9) genügen indessen den Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein nicht.
Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Klägerin auch nicht wenigstens behauptet, dass sie ihren Antrag aufrechterhalten hat. Ein "Beweisantrag" hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warn- und Hinweisfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird bzw wie konkret diesem Mangel abgeholfen werden soll. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise wiederholt wird (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 S 73 mwN). Wird ein Verfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden, ist ein zuvor gestellter Antrag dann nicht mehr aufrechterhalten, wenn sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklären, ohne den zuvor bereits formulierten Beweisantrag gleichzeitig zu wiederholen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 S 74 mwN).
Soweit die Klägerin eine aus ihrer Sicht unzutreffende Würdigung der vorliegenden Gutachten rügt, verkennt sie, dass die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG, der den Grundsatz der freien Beweiswürdigung normiert, ausweislich der ausdrücklichen Bestimmung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht gestützt werden kann.
Soweit die Beschwerdebegründung sinngemäß eine nur bruchstückhafte Würdigung des Prozessstoffs beanstandet (§ 128 Abs 1 S 2 SGG), legt sie jedenfalls nicht dar, wie sich der behauptete Fehler ausgehend von der maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts und von dessen sonstigen Feststellungen zum Sachverhalt auf das Verfahrensergebnis auswirkt.
Soweit die Klägerin schließlich rügt, dass sich weder die Gutachter noch das LSG in seiner Entscheidung mit der Frage der Berufsunfähigkeit der Klägerin gemäß § 240 SGB VI befasst hätten, rügt sie damit im Kern die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts. Auch die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung kann jedoch mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Eine inhaltliche Überprüfung durch das BSG als Revisionsgericht findet erst nach zulässiger Einlegung einer durch Zulassung statthaften Revision statt.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10970271 |