Entscheidungsstichwort (Thema)

Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage der Gleichstellung von freiwilligen Beiträgen mit Pflichtbeiträgen

 

Orientierungssatz

Die Rechtsfrage der Gleichstellung von freiwilligen Beiträgen mit Pflichtbeiträgen ist durch die Aufnahme von § 28 Abs 2 S 2 Buchst c AVG in den Gesetzestext des Art 2 § 54a AnVNG durch das HBegleitG vom 20.12.1982 nicht wieder klärungsbedürftig geworden, weil das BSG bereits zur früheren Rechtslage ausgeführt hat (vgl Urteil vom 3.2.1977 - 11 RA 154/75 = BSGE 43, 178), daß "die Auslassung von § 28 Abs 2 S 2 Buchst c AVG im Anwendungsbereich der Gleichstellung in Art 2 § 54a Abs 1 AnVNG auf einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers beruht" habe. Das BSG hat in seiner obengenannten Rechtsprechung daher die vorgenannten Vorschriften mit dem Inhalt ausgelegt, der durch das HBegleitG auch ausdrücklich im Gesetzestext ausgesprochen ist.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 1; AVG § 28 Abs 2 S 2 Buchst c; AnVNG Art 2 § 54a Abs 1; RVO § 1251 Abs 2 S 2 Buchst c

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 19.01.1990; Aktenzeichen L 14 An 203/89)

 

Tatbestand

Der 1923 geborene Kläger begehrt in der Hauptsache höheres Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres unter Anrechnung einer Ersatzzeit für militärischen Dienst bzw Kriegsgefangenschaft in der Zeit vom 16. April 1942 bis zum 2. Oktober 1947. Nachdem er sich während des Studiums entrichtete Pflichtbeiträge hatte erstatten lassen, war er ab August 1954 bis 1978 bei einer Aktiengesellschaft zuletzt als Geschäftsführer mehrerer Konzern-Gesellschaften und als Aufsichtsrats-, Beirats- und Verwaltungsratsmitglied tätig, daneben ab 1957 als Rechtsanwalt zugelassen. Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung wurden für die Tätigkeit bei der Aktiengesellschaft - bis Dezember 1967 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze - nicht entrichtet. 1974 entrichtete der Kläger nach Zulassung der Nachentrichtung durch die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) freiwillige Beiträge für die Zeit von März 1951 bis Juli 1954 und von Januar 1956 bis Juni 1978. Die BfA lehnte die Anrechnung der Ersatzzeit ab, weil innerhalb von drei Jahren nach Beendigung dieser Zeit eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung nicht aufgenommen worden sei und ab 1951 nur freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden seien, während § 28 Abs 2 Satz 2 Buchst c des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) neben der dort verlangten Halbbelegung auch die Entrichtung von mindestens einem Pflichtbeitrag voraussetze.

Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 30. August 1989), weil Art 2 § 54a Abs 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) bei Anwendung des § 28 Abs 2 Satz 2 Buchst c AVG die nach Eintritt der Versicherungsfreiheit für die Zeit bis zum 31. Dezember 1967 entrichteten freiwilligen Beiträge den Pflichtbeiträgen gleichstelle. Auf die Berufung der BfA hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 43, 178 = SozR 2200 § 1251 Nr 30) auch bei Anwendung des § 28 Abs 2 Satz 2 Buchst c AVG außer der Halbbelegung vorausgesetzt werde, daß nach Ablauf der Dreijahresfrist (Satz 2 Buchst a und b aaO) eine im konkreten Falle (nicht nur dem Grunde nach) versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen worden ist, wofür ein nach Art 2 § 54a AnVNG dem Pflichtbeitrag gleichgestellter Beitrag nicht genüge.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig.

Nach § 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen das Urteil eines LSG ua nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Die - behauptete - sachliche Unrichtigkeit des Urteils des LSG ist hingegen kein Revisionszulassungsgrund.

Gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Erforderlich ist eine Begründung, die dem Beschwerdegericht grundsätzlich die Möglichkeit gibt, allein anhand des Vorbringens des Beschwerdeführers und des angefochtenen Urteils darüber zu entscheiden, ob die Revision zuzulassen ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Genügt die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht "dargelegt". Er hält die Frage für grundsätzlich und klärungsbedürftig, ob "seit der Gesetzesänderung vom 20. Dezember 1982 bei der Berücksichtigung von Ersatzzeiten gemäß § 28 Abs 2 Buchst c AVG freiwillige Beiträge den Pflichtbeiträgen vollständig gleichstehen". Dazu teilt er die Ansicht mit, diese Rechtsfrage sei für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblich. Es kann dahingestellt bleiben, ob er damit die Rechtsfrage, die er für grundsätzlich bedeutsam hält, hinreichend klar bezeichnet hat (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 11). Er hätte nämlich weiter die über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung der angestrebten Entscheidung aufzeigen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 39, 7; § 160 Nr 60), die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage darstellen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 59; § 160 Nr 17) und schließlich den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt aufzeigen müssen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 39; § 160a Nrn 31, 54). Diesen - verfassungsrechtlich unbedenklichen (Bundesverfassungsgericht -BVerfG- SozR 1500 § 160a Nrn 44, 45, 48) - Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Es fehlen - worauf nicht näher einzugehen ist - schon Ausführungen dazu, weshalb der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung zukommt. Ferner ist der vom Revisionsgericht einzuschlagende Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils nicht aufgezeigt worden; die Entscheidungserheblichkeit der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage ist lediglich behauptet, aber nicht dargelegt worden. Dazu hätte schon deswegen besonderer Anlaß bestanden, weil das BSG (BSGE 43, 178 = SozR 2200 § 1251 Nr 30) bereits klargestellt hat, daß die Anrechnung von Ersatzzeiten nach § 28 Abs 2 Satz 2 Buchst c AVG außer der dort verlangten sog Halbbelegung mit "Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit" als weiteres Tatbestandsmerkmal voraussetzt, daß "eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nach Ablauf der in den Buchstaben a und b genannten Frist von drei Jahren aufgenommen worden ist" (BSG aaO S 75f mit umfangreichen Nachweisen zur Entstehungsgeschichte). Dazu hat das BSG (aaO S 76) ferner entschieden, daß dieses Tatbestandsmerkmal nur erfüllt ist, wenn "die nach der Ersatzzeit aufgenommene Beschäftigung oder Tätigkeit im konkreten Falle (nicht nur an sich) versicherungspflichtig gewesen" ist. Da der Kläger - wie die Beschwerde nicht bezweifelt - nach der Ersatzzeit keine konkret rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen hat (die von der Beitragserstattung erfaßten Versicherungszeiten sind nach § 82 Abs 7 AVG für den Leistungsfall unbeachtlich), war gründlich herauszuarbeiten, weshalb das BSG über die andere Anspruchsvoraussetzung (sog Halbbelegung) würde entscheiden müssen, wenn die Revision zugelassen und in zulässiger Weise eingelegt würde.

Dieser Aufgabe war der Beschwerdeführer nicht deswegen enthoben, weil seinem Gesamtvorbringen zur Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage die Rechtsauffassung noch hinreichend bestimmt entnommen werden kann, mit einer "vollständigen" Gleichstellung der freiwilligen Beiträge mit den Pflichtbeiträgen nach Art 2 § 54a Abs 1 AnVNG komme es auf die Entrichtung von zumindest einem Pflichtbeitrag nicht mehr an. Denn das BSG (aaO S 76f) hat entschieden, daß Art 2 § 54a AnVNG "allenfalls dem Erfordernis des Pflichtbeitrages genüge" tue; nicht aber werde "damit auch das weitere Erfordernis der Aufnahme einer im konkreten Falle versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit erfüllt". Die Beschwerde läßt also nicht erkennen, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der aufgeworfenen Rechtsfrage abhängt.

Darüber hinaus hat der Kläger aber auch die Klärungsbedürftigkeit der og Frage nicht dargelegt. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich geklärt ist. Das ist im vorgenannten Urteil des BSG vom 3. Februar 1977 - wie aufgezeigt - geschehen. Dem Vorbringen des Klägers kann entnommen werden, daß er meint, die Rechtsfrage sei durch die Änderung des Art 2 § 54a AnVNG durch das Haushaltsbegleitgesetz (HBegleitG) vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1857) wieder klärungsbedürftig geworden, weil Art 2 § 54a AnVNG ua nunmehr durch die Aufnahme von § 28 Abs 2 Satz 2 Buchst c AVG in den Gesetzestext eine vollständige Gleichstellung von freiwilligen Beiträgen mit Pflichtbeiträgen bezweckt habe. Dies reicht zur Darstellung einer wiedereingetretenen Klärungsbedürftigkeit schon deswegen nicht aus, weil das BSG (aaO S 75) bereits zur früheren Rechtslage ausgeführt hat, daß "die Auslassung von § 28 Abs 2 Satz 2 Buchst c AVG im Anwendungsbereich der Gleichstellung in Art 2 § 54a Abs 1 AnVNG auf einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers beruht" habe. Das BSG hat in seiner og Rechtsprechung daher die vorgenannten Vorschriften mit dem Inhalt ausgelegt, der durch das HBegleitG auch ausdrücklich im Gesetzestext ausgesprochen ist. Der Beschwerdeführer hätte daher im einzelnen aufzeigen müssen, worin die von ihm angenommene Änderung der Rechtslage durch das HBegleitG liegt. Das ist nicht erfolgt.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbs 2 SGG ab.

Die Kostenentscheidung folgt in entsprechender Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1666821

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