Leitsatz (amtlich)

1. Zur Zurückweisung von Bevollmächtigten, welche die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vor Gericht geschäftsmäßig betreiben.

2. Auf die Befolgung der Vorschrift, daß die Mitteilungen des Gerichts an den bestellten Bevollmächtigten zu richten sind (SGG § 73 Abs 3 S 1), kann der durch den Bevollmächtigten vertretene Beteiligte wirksam verzichten; ZPO § 295 Abs 1 gilt entsprechend.

 

Normenkette

SGG § 73 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1953-09-03, § 202 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 157 Fassung: 1950-09-12, § 295 Abs. 1 Fassung: 1950-09-12

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 10. Februar 1955 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Das angefochtene Urteil hat die Revision nicht zugelassen. Sie ist deshalb nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Unter diesen Gesichtspunkt hat der Kläger gerügt, sein Prozeßbevollmächtigter im Verfahren vor dem Landessozialgericht (LSG.), Rechtsbeistand N sei in der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen und ihm dadurch die Möglichkeit genommen worden, sein Anliegen sachgemäß zu Gehör zu bringen. Hierin könnte unter Umständen eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) erblickt werden, wenn der Prozeßbevollmächtigte des Klägers zu Unrecht vom LSG. in der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen worden wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Rechtsbeistand N. betreibt die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vor Gericht geschäftsmäßig; er besitzt die entsprechende Erlaubnis im Sinne des Art. 1 § 1 des Rechtsberatergesetzes vom 13. Dezember 1935 (RGBl. I, Seite 1478). Ihm ist aber nicht "durch Anordnung der Justizverwaltung" gestattet worden, als Prozeßbevollmächtigter oder Beistand in der mündlichen Verhandlung vor den Berliner Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aufzutreten (§ 157 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 73 Abs. 6 SGG). Die von dem Kläger erbetene Entscheidung der Frage, wer im Lande Berlin zur Erteilung dieser Erlaubnis zuständig ist, kann im Rahmen dieses Revisionsverfahrens nicht getroffen werden (siehe zur Zuständigkeitsfrage Erlaß des Senators für Arbeit und Sozialwesen vom 15. November 1955 (Amtsblatt für Berlin, Seite 1129) und für die Rechtslage vor diesem Erlaß LSG. Berlin vom 9. Oktober 1956 in Breithaupt 1957, Seite 88). Für die Nachprüfung unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensmangels ist allein von Bedeutung, daß der Rechtsbeistand N. die Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor Gericht nicht gehabt hat. Da er weder Rechtsanwalt ist, noch zu den in § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG genannten Personen zählt, ist er somit kraft Gesetzes als Bevollmächtigter und Beistand in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen (§ 157 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG). Diese Wirkung hat der Beschluß des LSG. vom 13. Januar 1955 - und die entsprechende Verfügung des Vorsitzenden des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 1955 - zutreffend ausgesprochen.

Auch die weitere Rüge des Klägers, das LSG. habe die Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 1955 nur ihm persönlich, aber nicht seinem Prozeßbevollmächtigten zugestellt, kann nicht durchgreifen. Zwar hätte die Ladung dem Rechtsbeistand N. zugestellt werden müssen (§ 73 Abs. 3 Satz 1 SGG), da seine Zurückweisung von der mündlichen Verhandlung an seiner Stellung als Prozeßbevollmächtigter des Klägers nichts geändert hat. Indessen gehört § 73 Abs. 3 SGG zu den Vorschriften, auf deren Befolgung ein Beteiligter wirksam verzichten kann. Da der Kläger den Mangel der unrichtigen Ladung in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 1955 ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht gerügt hat, obgleich er erschienen und ihm der Mangel bekannt war, kann die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift nach der Vorschrift des § 295 ZPO, die nach § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar ist, nicht mehr gerügt werden (vgl. BSG. 3 S. 284 (285); 4 S. 60 (64).

Die Revision ist somit nicht statthaft und nach § 169 Satz 2 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324734

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge