Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsbereitschaft eines Kindes. Verzögerung der Briefbeförderung durch Post
Orientierungssatz
1. Zur Frage der Dauer der Arbeitsbereitschaft eines Kindes, das aus kindlicher Neugier bei Wartungsarbeiten am Ladewagen seines Vetters zugeschaut hat.
2. Gegen Verzögerungen der Briefbeförderung durch die Post braucht der Kläger keine Vorkehrungen zu treffen (vgl BSG vom 3.6.1958 - 4 RJ 25/57 = SozR Nr 17 zu § 67 SGG). Ihm ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Normenkette
RVO § 539 Abs 2; RVO § 539 Abs 1 Nr 1; SGG § 67 Abs 1
Verfahrensgang
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm für die Folgen des Unfalls vom 25. Mai 1985 die gesetzlichen Leistungen aus der Unfallversicherung zu gewähren, ohne Erfolg geblieben (Bescheide der Beklagten vom 13. Juni 1985 und 30. Juni 1986; Urteile des Sozialgerichts -SG- Mannheim vom 13. März 1987 und des Landessozialgerichts -LSG- Baden-Württemberg vom 3. September 1987). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß sich der Unfall nicht bei einer Tätigkeit ereignet habe, die einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich sei (§ 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Der Kläger habe lediglich aus kindlicher Neugierde bei den Wartungsarbeiten seines Vetters zugeschaut.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger fristgerecht Beschwerde eingelegt, diese jedoch nicht innerhalb der bis zum 21. Dezember 1987 verlängerten Frist begründet. Wegen der Fristversäumnis hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die versäumte Prozeßhandlung nachgeholt. Er macht geltend, die Revision sei gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zuzulassen, weil das LSG in seinen tragenden Urteilsgründen gegen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) verstoßen habe, und zwar gegen die Urteile vom 26. Oktober 1978 - SozR 2200 § 539 Nr 49 -, vom 30. April 1979 - SozR aaO Nr 57 - und vom 8. Mai 1980 - SozR aaO Nr 67 -. Danach komme es nicht auf die Beweggründe des Verletzten an; entscheidend sei allein, ob das Handeln des Verletzten dem Unternehmen objektiv dienlich gewesen sei.
Die Beschwerde ist zulässig, weil der Kläger glaubhaft dargetan hat, daß er den verspäteten Eingang der Beschwerdebegründung nicht zu vertreten hat (§ 67 Abs 1 SGG). Bei Aufgabe des Schriftstücks zur Post am Freitag, dem 18. Dezember 1987 durfte er bei regelmäßigem Betriebsablauf damit rechnen, daß er am Montag, dem 21. Dezember 1987 bei Gericht eingehen werde. Gegen Verzögerungen der Briefbeförderung durch die Post braucht er keine Vorkehrungen zu treffen (vgl BSG SozR § 67 SGG Nr 17). Ihm war daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die Beschwerde ist aber unbegründet, weil die behauptete Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht vorliegt. Das LSG ist in seinen tragenden Urteilsgründen nicht von der bezeichneten höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen. Es hat zur Verneinung des Versicherungsschutzes nicht lediglich auf das subjektive Interesse bzw die Beweggründe des Verunglückten abgestellt, ohne der Frage nachzugehen, ob der Kläger im Unfallzeitpunkt dem Unternehmen dienliche Tätigkeiten verrichtet hat. Es hat vielmehr die Zeugenaussagen gewürdigt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger seinem Vetter S. B. nur in kindlicher Neugierde bzw aus technischem Interesse zugeschaut habe, als dieser den Ladewagen betriebsbereit gemacht habe. Soweit der Kläger diese fremde Tätigkeit zeitweise durch das Zureichen von Werkzeugen unterstützt habe, hat es das LSG ausdrücklich offengelassen, ob es sich dabei um eine ernstliche, dem Unternehmen dienende und Versicherungsschutz auslösende Tätigkeit gehandelt haben könnte: Denn "zur Überzeugung des Senats steht fest, daß sich der Unfall erst ... zu einer Zeit ereignet hatte, als der Reinigungs- und Reparaturvorgang bereits beendet war". Aus diesem Grund liegt auch kein Verstoß gegen das Urteil des BSG vom 8. Mai 1980 (SozR 2200 § 539 Nr 67) vor, in welchem der 8. Senat entschieden hat, Versicherungsschutz liege bereits dann vor, wenn sich der Beschäftigte "arbeitsbereit" halten müsse. Hierzu hat das LSG unter Bezugnahme auf die Angaben des Zeugen S. B. ausgeführt, der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt nicht mehr zu weiteren Handreichungen bereithalten müssen. Insofern geht die Beschwerde von einem anderen als dem vom LSG ermittelten Sachverhalt aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen