Orientierungssatz

Zur schlüssigen Bezeichnung einer Verletzung des § 103 SGG als wesentlicher Verfahrensfehler gehört die Bezugnahme auf einen protokollierten Beweisantrag. Erweist sich das Protokoll insoweit als unrichtig, als das LSG einen solchen tatsächlich in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag entgegen der Vorschrift des § 160 Abs 3 Nr 2 ZPO nicht protokolliert hat, dann steht dem betreffenden benachteiligten Beteiligten das Verfahren der Protokollberichtigung gemäß § 122 SGG iVm § 164 ZPO zu, die von dem Richter vorzunehmen ist, der das Protokoll unterschrieben hat und nicht etwa von dem BSG nach Durchführung einer Beweisaufnahme (vgl BSG vom 10.5.1993 - 2 BU 33/93).

 

Normenkette

SGG §§ 103, 122; ZPO § 164

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 10.12.1992; Aktenzeichen L 7 U 1791/91)

 

Gründe

Der Kläger ist mit seinem Begehren, seinen Unfall vom 25. November 1987 als Arbeitsunfall (Wegeunfall) zu entschädigen, in zweiter Instanz ohne Erfolg geblieben (Ablehnungsbescheid vom 13. September 1989, Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 1991; der Klage stattgebendes Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Stuttgart vom 5. Juli 1991 - S 6 U 621/91 - und klagabweisendes Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 10. Dezember 1992 - L 7 U 1791/91 -). Das LSG ist ua aufgrund des Ergebnisses der gerichtlichen Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger weder nach § 550 Abs 1 noch nach § 550 Abs 2 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe, als er verunglückt sei.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten gesetzlichen Form. Die Beschwerde war deshalb entsprechend § 169 SGG und der Kostenfolge entsprechend § 193 SGG zu verwerfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung erfordert § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47, 54, 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX RdNr 177 mwN). Daran fehlt es der Beschwerde.

1.

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (richterliche Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Einen solchen nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG berücksichtigungsfähigen Beweisantrag hat der Beschwerdeführer nicht bezeichnet.

Der Beschwerdeführer bezieht sich auf einen Beweisantrag, den er durch seinen rechtskundigen Prozeßbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellt haben will. Dazu ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erforderlich, daß ein solcher Beweisantrag in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG hilfsweise neben dem Sachantrag gemäß § 122 SGG iVm § 160 Abs 3 Nr 2 Zivilprozeßordnung (ZPO) zu Protokoll des Gerichts gestellt worden ist (s zuletzt den Beschluß des Senats vom 22. Juni 1993 - 2 BU 75/93 mwN). Zur schlüssigen Bezeichnung einer Verletzung des § 103 SGG als wesentlicher Verfahrensfehler gehört danach die Bezugnahme auf einen protokollierten Beweisantrag. Erweist sich das Protokoll insoweit als unrichtig, als das LSG einen solchen tatsächlich in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag entgegen der Vorschrift des § 160 Abs 3 Nr 2 ZPO nicht protokolliert hat, dann steht dem betreffenden benachteiligten Beteiligten das Verfahren der Protokollberichtigung gemäß § 122 SGG iVm § 164 ZPO zu, die von dem Richter vorzunehmen ist, der das Protokoll unterschrieben hat und nicht etwa von dem Bundessozialgericht (BSG) nach Durchführung einer Beweisaufnahme (s den Beschluß des Senats vom 10. Mai 1993 - 2 BU 33/93 mwN). Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer dieses Verfahren der Protokollberichtigung beantragt und durchführen lassen hat.

2.

Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann ausreichend bezeichnet, wenn erklärt wird, mit welchem genau bestimmten, entscheidungserheblichen Rechtssatz das angegriffene Urteil von welcher genau bestimmten, die Entscheidung tragenden rechtlichen Aussage des BSG oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29, 54). An beiden Grundvoraussetzungen fehlt es der Beschwerde, die sich nicht gegen einen abweichenden Rechtssatz des LSG, sondern gegen eine Rechtsanwendung des LSG wendet, die nach Meinung des Beschwerdeführers Rechtsgrundsätze des BSG verkennt. Ein solcher Rechtsirrtum bedeutet jedoch keine Abweichung iS des Gesetzes.

3.

Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Sie muß in der Beschwerdebegründung dargelegt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160

Nr 17). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, welcher die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching aaO IX RdNrn 65 und 66). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung, die die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, welche Vergleichsstrecken bei der Beurteilung der Frage des Umwegs zugrunde zu legen sind, keine ausreichenden Ausführungen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173398

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