Verfahrensgang

SG Konstanz (Entscheidung vom 13.12.2017; Aktenzeichen S 1 R 2897/15)

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 23.09.2012; Aktenzeichen L 7 R 936/18)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. September 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV).

Der Kläger ist als selbstständiger Rechtsanwalt seit 2000 Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer K und des berufsständischen Versorgungswerks in Nordrhein-Westfalen. Er wurde seit 2005 für jeweils zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse an verschiedenen Hochschulen von der Versicherungspflicht zur GRV befreit. Nachdem er für die Tätigkeit als Professor an der Universität in M in den Jahren 2013 und 2014 für drei Semester hintereinander jeweils Befreiungen von der Rentenversicherungspflicht erhalten hatte, wurde sein Befreiungsantrag für eine Gastprofessur in B von Oktober 2014 bis März 2015 unter Berufung auf höchstrichterliche Rechtsprechung abgelehnt, weil keine aktuell wirksame Befreiung nach § 6 Abs 1 Satz 1 SGB VI für eine versicherungspflichtige berufsspezifische Beschäftigung oder Tätigkeit vorliege. Während des Klageverfahrens wurden weitere Befreiungsanträge für nachfolgende Lehrtätigkeiten an verschiedenen Hochschulen abgelehnt. Das SG hat die jeweiligen Klagen verbunden und abgewiesen (Urteil vom 13.12.2017), das LSG die Berufung zurückgewiesen. Eine Befreiung für die Tätigkeit als Hochschullehrer komme weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI in Betracht, weil es sich dabei nicht um eine rechtsanwaltliche Tätigkeit handele. Die Erstreckung einer Befreiung nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI sei nicht möglich, weil für den Zeitraum der streitigen Tätigkeit keine Befreiung nach § 6 Abs 1 SGB VI erteilt worden sei. § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI sei kein eigenständiger Befreiungstatbestand. Der Kläger übe seine Rechtsanwaltstätigkeit selbstständig aus; eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Rechtsanwalt habe im streitigen Zeitraum nicht vorgelegen. Selbst bei einer analogen Anwendung auf selbstständige Tätigkeiten sei eine Befreiung ausgeschlossen, weil § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI seinem Zweck nach auf eine Umbruchsituation zugeschnitten sei und nicht auf den Fall dauerhaft neben der anwaltlichen Tätigkeit ausgeübter Tätigkeiten. Der Kläger sei durch diese Auslegung nicht in seinem Recht auf Gleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 GG oder in seiner Berufsfreiheit nach Art 12 Abs 1 GG verletzt. Auch auf eine Bindungswirkung zuvor erteilter Befreiungen oder auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen (Urteil vom 23.9.2021).

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend bezeichnet oder dargelegt.

1. Wird geltend gemacht, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann eine Beschwerde nur gestützt werden, wenn sich der geltend gemachte Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

Der Kläger rügt einen Verstoß gegen den Fair-Trial-Grundsatz aus Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG sowie gegen Art 6 EMRK und Art 47 Abs 2 Satz 1 der Europäischen Grundrechtecharta (EU-GRC), weil die Beklagte in ca der Hälfte der Zeit der mündlichen Verhandlung nicht vertreten gewesen sei und die in dieser Zeit durchgeführten Verfahrensteile nicht wiederholt worden seien. Der Vertreter der Beklagten sei laut Protokoll erst mit zwanzigminütiger Verspätung erschienen. Die Anwendung des Fair-Trial-Grundsatzes gehe über den Anspruch auf rechtliches Gehör hinaus, weil er sich darauf erstrecke, dass prozessuale Rechte insgesamt und im Hinblick auf alle Beteiligten gewahrt würden. Er nehme die Qualität der Entscheidungsgrundlagen und des Entscheidungsergebnisses in den Blick, von denen beide Streitparteien profitieren würden. Durch die Abwesenheit eines Beteiligten werde diese Balance erheblich gestört. Da nicht vollkommen ausgeschlossen werden könne, dass vonseiten der Beklagten sinnvolle oder sogar notwendige Hinweise und Stellungnahmen in der ersten Hälfte der mündlichen Verhandlung hätten erfolgen können, sei der Fair-Trial-Grundsatz, der dem Schutz der beteiligten Streitparteien diene, nachdrücklich verletzt. Dies folge auch aus Art 6 EMRK sowie Art 47 Abs 2 Satz 1 EU-GRC und der entsprechenden Rechtsprechung des EGMR, die bei der Auslegung deutschen Rechts zu berücksichtigen seien.

Damit wird ein Verfahrensfehler nicht hinreichend aufgezeigt. Unabhängig von der Frage, ob eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren geltend gemacht werden kann, wenn es um die Teilnahme- und Rederechte eines anderen Beteiligten geht, legt der Kläger jedenfalls nicht dar, dass er oder der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung einen derartigen Verstoß gerügt habe. Da die Beteiligten auf ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung (vgl § 126 SGG) sowie ihre eigenen Rede- und Fragerechte auch verzichten können, geht ihr Rügerecht verloren, wenn sie einen ihnen insoweit bekannten Verfahrensmangel nicht rechtzeitig in der mündlichen Verhandlung geltend machen (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 295 ZPO; vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 18.4.2000 - B 2 U 201/99 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 9.7.2015 - B 9 SB 19/15 B - juris RdNr 8). Dies gilt erst recht, wenn der Kläger, der selbst in der mündlichen Verhandlung anwesend war, aus der vermeintlichen Beeinträchtigung fremder Beteiligungsrechte einen Verfahrensmangel ableiten möchte. Mit einer solchen Rüge soll dem Gericht und den Beteiligten Gelegenheit zu weiteren Reaktionen und Ausführungen gegeben werden. Der Kläger hätte daher aufzeigen müssen, dass er den von ihm angenommenen Mangel der mündlichen Verhandlung gerügt hat oder weshalb er daran gehindert gewesen sein sollte. Daran fehlt es indes.

2. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger hält (unter II.1, II.2 und II.3 der Beschwerdebegründung) für grundsätzlich bedeutsam,

"ob ein selbständiger Rechtsanwalt, der für die Rechtsanwaltstätigkeit gar nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden kann, da er ihr nicht unterfällt, im Hinblick auf die erweiterte Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI gegenüber einem Rechtsanwalt, der abhängig beschäftigt ist, unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG benachteiligt wird",

"dass sowohl die verfassungsrechtliche Dimension des Vertrauensschutzes des Klägers und der Selbstbindung der Beklagten in der Entscheidung des LSG nicht bzw. nicht hinreichend berücksichtigt worden ist", und

"dass die grundrechtliche Überlagerungen durch die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 5 Abs. 3 i.V.m. Art. 12 GG vom LSG nicht bzw. nicht hinreichend gewürdigt worden sind".

Der Kläger hat mit den beiden letzten Überlegungen schon keine abstrakten Rechtsfragen zur Auslegung oder zum Anwendungsbereich einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) oder zu deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert, sondern die richtige Rechtsanwendung im Einzelfall in Frage gestellt. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).

Zudem hat der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage gilt auch dann als höchstrichterlich geklärt und ist damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN; s auch BSG Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6). Mit solcher Rechtsprechung hat sich eine Beschwerde auseinanderzusetzen. Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - juris RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 1 KR 79/16 B - juris RdNr 7 mwN).

Der Kläger führt zur ersten Frage aus, dass sich der von ihm angestrebte Anspruch auf Befreiung von der GRV in analoger Anwendung von § 6 Abs 1 iVm § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI ergebe. Auch wenn die Erstreckungswirkung des § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nur Fälle umfasse, in denen der Rentenversicherungsträger eine Befreiung ausgesprochen habe, so sei es unter Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) sowie aufgrund der Systematik der gesetzlichen Altersvorsoge erforderlich, diese Wirkung erst recht eingreifen zu lassen, wenn ein selbstständig Tätiger von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach dem SGB VI gar nicht erst erfasst werde. Denn warum solle eine zusätzliche - an sich versicherungspflichtige - Tätigkeit bei ausnahmsweise befreiten Selbstständigen durch Erstreckungswirkung gleichfalls befreit werden, wenn dies bei von Anfang an gar nicht versicherungspflichtigen Selbstständigen nicht der Fall sei? Diese Frage weise alle Erfordernisse einer Grundsatzfrage auf. Der systematische Unterschied der beiden Personenkreise bestehe darin, dass der eine befreit sei, weil er nicht unter §§ 1, 2 SGB VI falle, während der andere erst noch befreit werden müsse. Es komme zu Wertungswidersprüchen, wenn die selbstständigen Rechtsanwälte - in Ermangelung einer Befreiungsmöglichkeit - im Hinblick auf "andere versicherungspflichtige Tätigkeiten" schlechter gestellt würden. Offenbar habe die jahrzehntelange Verwaltungspraxis der Beklagten das systemkonforme Ziel gehabt, die Einheitlichkeit der Altersvorsorge zu gewährleisten. Soweit das LSG zwischen Selbstständigen und Nicht-Selbstständigen differenziere, ließen sich - angefangen bei Art 12 GG über die BRAO bis zum RDG - keine fachlichen oder standesmäßigen Differenzierungen für eine Unterscheidung zwischen selbstständig tätigen und abhängig beschäftigten Rechtsanwälten finden. Es liege nicht in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, beide Kategorien unterschiedlich zu behandeln.

Mit diesen Ausführungen legt der Kläger im Wesentlichen seine eigene Rechtsauffassung dar, beschäftigt sich aber nicht hinreichend mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Wortlaut des § 6 Abs 1 Satz 1 und Abs 5 Satz 1 und 2 SGB VI sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung gehen davon aus, dass Befreiungen von der Versicherungspflicht auf die "jeweilige" Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt und damit tätigkeitsbezogen, nicht personenbezogen sind (vgl ua BSG Urteil vom 11.3.2021 - B 5 RE 2/20 R - juris RdNr 28). Danach kommt eine Befreiung nur in Betracht, wenn ein und dieselbe Erwerbstätigkeit gleichzeitig zu zwei Versicherungsverhältnissen führt, dh zur Versicherung in der GRV und zusätzlich zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer (vgl BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 RE 2/17 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 37). Die Fortwirkung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht knüpft nicht an Merkmale wie etwa Berufsbezeichnungen, berufliche Qualifikation oder beruflichen Status, sondern an "dieselbe" Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit an (vgl BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 5 RdNr 21 f; BSG Urteil vom 5.12.2017 - B 12 KR 11/15 R - juris RdNr 21). Im Fall der Erstreckung einer Befreiung nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI gibt es danach eine ursprünglich versicherungspflichtige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit und eine "andere versicherungspflichtige" Tätigkeit. Der Kläger befasst sich weder mit dieser Auslegung nach dem Wortlaut und der Systematik noch hinreichend mit den Gesetzesmaterialien und den Sachgründen für die Annahme eines engen Zusammenhangs zwischen der Beschäftigung, für die nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB VI eine Befreiung erteilt wurde, und der anderen versicherungspflichtigen Tätigkeit (vgl hierzu ausführlich Urteil des 5. Senats vom 11.3.2021 - B 5 RE 2/20 R - NJW 2021, 1899, 1902 f = juris RdNr 28 ff).

Die Auseinandersetzung mit dieser auch vom LSG herangezogenen Entscheidung ist schon deshalb veranlasst, weil die vom Kläger verfolgte analoge Anwendung dem Ausnahmecharakter des § 6 Abs 5 SGB VI entgegenstünde, dessen Zweck auf eine bestimmte Umbruchsituation zugeschnitten ist (vgl BSG Urteil vom 11.3.2021, aaO). Mit Hilfe einer ausnahmsweisen Erstreckung der bisherigen Befreiung für die Dauer einer befristeten Anschlussbeschäftigung soll in einer solchen Umbruchsituation der lückenlose Aufbau einer einheitlichen Altersversorgung im bisherigen System des Versorgungswerks im Fall der anschließenden Übernahme einer wiederum zur Befreiung berechtigenden Beschäftigung möglich bleiben. Die pauschale Annahme des Klägers, das parallele Bestehen zweier Sicherungssysteme solle generell verhindert werden, reicht daher zur Begründung eines Gleichheitsverstoßes nicht aus. Zudem beschäftigt er sich nicht hinreichend mit der unterschiedlichen Zielsetzung des Berufsrechts und des Sozialversicherungsrechts, das neben der sozialen Absicherung des Einzelnen auch dem Schutz der in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossenen Mitglieder der Pflichtversicherungssysteme dient (BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 19; BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 49 RdNr 35). Sein Hinweis auf die fehlenden fachlichen oder standesmäßigen Differenzierungen zwischen selbstständig tätigen und abhängig beschäftigten Rechtsanwälten genügt zur Darlegung eines Gleichheitsverstoßes nach sozialversicherungsrechtlichen Regelungen nicht.

Soweit der Kläger einen Verstoß gegen den Vertrauensschutz und die Selbstbindung der Verwaltung rügt, fehlt ebenfalls eine hinreichende Auseinandersetzung mit den dazu aufgestellten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die das LSG zitiert. Es reicht nicht, auszuführen, die Revision solle Gelegenheit geben, "die schon lange überfällige Neuausrichtung des verfassungs- und sozialrechtlichen Vertrauensschutzes" herbeizuführen. Auch hinsichtlich der Selbstbindung der Verwaltung (vgl zB BSG Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 27 f) genügt es nicht, auf den "Unsicherheitsfaktor" aufgrund des von ihm selbst geforderten Analogieschlusses hinzuweisen. Allein aufgrund der abweichenden Rechtsauffassung des Klägers werden höchstrichterlich entschiedene Rechtsfragen nicht erneut klärungsbedürftig. Hierfür ist insbesondere darzulegen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsauffassung in der Rechtsprechung oder Literatur widersprochen worden ist oder sich völlig neue Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl zu diesem Darlegungserfordernis BSG Beschluss vom 23.6.2010 - B 12 KR 14/10 B - juris RdNr 11 mwN). Daran fehlt es.

Auch zu dem behaupteten Eingriff in Art 5 Abs 3 iVm Art 12 GG fehlt eine Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, etwa wonach der Gesetzgeber mit Beitragspflichten weder die Wahl noch die Ausübung eines Berufs steuert (vgl zB BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 12/18 R - juris RdNr 38) und auch der Schutz einer Tätigkeit nach Art 5 Abs 1 Satz 2 sowie Abs 3 GG keine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen für die Statuseinstufung gebieten (vgl BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - BSGE 123, 40 = SozR 4-2600 § 163 Nr 1, RdNr 30; BSG Beschluss vom 7.11.1996 - 12 BK 26/96 - juris RdNr 5; vgl auch BVerfG Beschluss vom 13.1.1982 - 1 BvR 848/77 - BVerfGE 59, 231 = juris RdNr 75).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Heinz                                       Beck                                  Bergner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15365147

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