Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezeichnung der Divergenz

 

Orientierungssatz

Eine unrichtige Subsumtion stellt nur dann eine Divergenz dar, wenn das angefochtene Urteil auf einem Obersatz beruht, der einem entsprechenden Rechtssatz aus der Rechtsprechung des Revisionsgerichts widerspricht.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 2, § 160a Abs 2 S 3

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 05.12.1990; Aktenzeichen L 2 J 1353/89)

 

Gründe

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 5. Dezember 1990 ist unzulässig, weil die Beklagte die Beschwerde nicht substantiiert begründet hat.

Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 Nrn 1 bis 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Gründen zugelassen werden - grundsätzliche Bedeutung, Divergenz oder Verfahrensfehler -. Die Beklagte hat sich auf Divergenz und auf Verfahrensfehler berufen. In der Beschwerdebegründung muß jedoch die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht oder der Verfahrensfehler bezeichnet werden. Daran fehlt es.

Die Beklagte weist darauf hin, daß das LSG bei der Prüfung, ob die in Frage kommende Verweisungstätigkeit der Klägerin zumutbar ist, nicht ebenso wie bei der Frage der Bewertung des Hauptberufs von der tariflichen Einstufung ausgegangen ist. Darin sieht sie eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Die Beklagte hebt insoweit hervor, daß die Beurteilung des Hauptberufs und des Verweisungsberufs jeweils denselben Regeln folgt. Das LSG hat in der Tat den Hauptberuf (Ausgangsberuf) - Briefzustellerin - der Klägerin deshalb so hoch, nämlich als Facharbeiterberuf, angesehen, weil er im Tarifgefüge entsprechend hoch eingestuft sei, dagegen hat es sich bei der Bewertung der in Frage stehenden Verweisungstätigkeiten (Registratorin, Postabfertigerin) mit dem Hinweis begnügt, die genannte Verweisungstätigkeit scheide schon deshalb aus, weil sie nicht den qualitativen Anforderungen an eine sog Anlerntätigkeit entspreche. Die Einarbeitung könne innerhalb weniger Tage erfolgen, weshalb diese Tätigkeit der Gruppe der Ungelernten zuzuordnen sei. Indessen reicht der Nachweis einer unrichtigen Subsumtion nicht aus, um eine Divergenz darzutun. Eine unrichtige Subsumtion stellt nur dann eine Divergenz dar, wenn das angefochtene Urteil auf einem Obersatz beruht, der einem entsprechenden Rechtssatz aus der Rechtsprechung des Revisionsgerichts widerspricht. Die Revisionszulassung dient der Rechtseinheit, nicht in erster Linie der Berichtigung materiell-rechtlich unrichtiger Urteile. Der Tatrichter, der - nach Auffassung des Beschwerdeführers - eine unrichtige Subsumtion vorgenommen hat, ist damit noch nicht im Sinne des Rechts der Nichtzulassungsbeschwerde von einer oberstgerichtlichen Entscheidung abgewichen. Abweichen kann der Richter der Tatsacheninstanz von bestimmten Aussagen einer höchstrichterlichen Rechtsprechung, indem er selbst eine andere rechtliche Aussage macht oder indem er stillschweigend von einer anderen rechtlichen Aussage ausgeht. Hinter seiner Rechtsanwendung muß dann aber die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende rechtliche Auffassung erkennbar sein. Der Beschwerdeführer hat deshalb auch darzulegen, welche konkrete rechtliche, von einer Entscheidung des BSG abweichende Aussage das angefochtene Urteil getroffen hat. Er hat im einzelnen darzutun, daß es sich nicht nur um eine falsche Subsumtion handelt, sondern daß die angegriffene Rechtsanwendung auf einem vom Tatsachengericht unterstellten Rechtssatz beruht, der den Aussagen höchstrichterlicher Urteile widerspricht. Der Beschwerdeführer hat den vom Tatsachengericht zugrunde gelegten, der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechenden Rechtssatz sichtbar zu machen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29). Wenn das LSG es versäumt hat, den Verweisungsberuf ebenso unter dem Gesichtspunkt seiner tariflichen Einordnung zu prüfen, wie es das beim Hauptberuf richtig getan hat, so kann das auf einem bloßen Versäumnis oder auf der rechtlichen Annahme beruhen, beim Verweisungsberuf erübrige sich eine solche Prüfung. Nur im letzteren Falle wäre im Subsumtionsfehler zugleich eine Divergenz zu sehen. Das ist vom Beschwerdeführer darzutun. Doch fehlt es insoweit an Ausführungen der Beklagten, da sie selbst nicht ausschließt, daß das LSG von einer Einstufung der Verweisungstätigkeit - entsprechend seiner Beschreibung als ungelernte Tätigkeit - in die Tarifgruppe IXb ausgegangen ist. Insoweit meint die Beklagte zwar, das LSG hätte sich mit der davon abweichenden Aussage des Sachverständigen S. auseinandersetzen müssen. Dieses Vorbringen beinhaltet indes nur die Rüge einer Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG, auf die die Zulassungsbeschwerde nicht gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

Ein Verstoß gegen die §§ 128 Abs 1 Satz 2 SGG und 136 Abs 1 Nr 6 SGG ist ebenfalls nicht dargelegt. Die Beschwerdebegründung macht nicht deutlich, inwiefern das Urteil des LSG nicht die Gründe enthalte, die für die Entscheidung des LSG tragend gewesen sind. "Entscheidungsgründe" (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG) fehlen, wenn in der Urteilsbegründung selbst nicht mindestens die Erwägungen zusammengefaßt sind, auf denen die Entscheidung über jeden einzelnen für den Urteilsausspruch rechtserheblichen Streitpunkt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht (BSG SozR 1500 § 136 Nr 8). Die Beklagte selbst bringt vor, daß das LSG es darauf abgestellt hat, der Verweisungsberuf sei von der Dauer des Erwerbs seiner Fähigkeiten her kein Anlernberuf. Das sind insoweit die für das Urteil tragenden Gründe. Daß dieser vom LSG allein beachtete Gesichtspunkt materiell-rechtlich zu kurz greifen kann, ist kein formeller Mangel des Urteils, sondern allenfalls eine Frage der materiellen Richtigkeit des Urteils.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651711

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