Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. bedarfsunabhängige Zulassung. Mindestumfang der Teilnahme im Zeitfenster. keine Benachteiligung für Mütter. keine Diskriminierung wegen des Geschlechts iS des Gemeinschaftsrechts. Nichtanwendung der Gemeinschaftsgrundrechte auf rein innerstaatliche Rechtsakte. Nichtaussetzung des Revisionsverfahrens und Vorlage nach Art 234 EG. einstweilige Berechtigung zur psychotherapeutischen Behandlung
Orientierungssatz
1. Die für alle Bewerber um eine bedarfsunabhängige Zulassung geltenden Anforderungen an den Mindestumfang der "Teilnahme" an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der Krankenkassen stelle keine unzulässige Benachteiligung von Müttern dar.
2. Art 6 GG verpflichtet den Gesetzgeber nicht, alle mit der Mutterschaft und/oder Kindererziehung zusammenhängenden wirtschaftlichen und beruflichen Belastungen auszugleichen. Ihm steht vielmehr bei seiner Entscheidung, in welchem Umfang und nicht welchen Mitteln er dem Schutzauftrag des Art 6 GG nachkommt, eine weite Gestaltungsfreiheit zu (vgl BSG vom 18.3.1998 - B 6 KA 37/96 R = BSGE 82, 41 = SozR 3-2500 § 103 Nr 2).
3. Wenn in einer übergangsrechtlichen, unter Härtegesichtspunkten auf den Umfang einer zu einer bestimmten Zeit geschaffenen Praxissubstanz abstellenden Vorschrift der Zugang zu einer beruflichen Tätigkeit von einem Mindesttätigkeitsumfang unterhalb einer üblichen Halbtagstätigkeit abhängig gemacht wird, liegt darin keine Diskriminierung wegen des Geschlechts iS der EWGRL 207/76 vom 9.2.1976 und EWGRL 613/86 vom 11.12.1986.
4. Es entspricht der Einschätzung des Senats aus zahlreichen, seit dem Jahre 2000 anhängig gewesenen Verfahren über bedarfsunabhängige Zulassungen von Psychotherapeuten, dass nicht selten Anträge von Psychotherapeutinnen daran gescheitert sind, dass der Behandlungsumfang in der eigenen Praxis wegen anderer psychologischer Tätigkeiten und nicht in erster Linie wegen der Kindererziehung den Mindestanforderungen an eine "Teilnahme" nicht entsprochen hat.
5. Den besonderen Belastungen, die mit der Schwangerschaft und der Versorgung von kleinen Kindern verbunden sind, trägt das Gesetz in § 95 Abs 11b SGB 5 angemessen Rechnung.
6. Die Diskriminierungsverbote des Gemeinschaftsrechts, wie die Gemeinschaftsgrundrechte, finden auf rein innerstaatliche Rechtsakte keine Anwendung (vgl zB BVerfG vom 12.10.1993 - 2 BvR 2134/92 = BVerfGE 89, 155, 174).
7. Die Regelung des § 95 Abs 10 S 1 Nr 3 SGB 5 ist mit nationalem Verfassungsrecht vereinbar. Die bloße Möglichkeit, dass der EuGH ihre Anwendung für denjenigen Personenkreis, der in der fraglichen Zeit in einem anderen EU-Land tätig war, beanstanden könnte, zwingt das Revisionsgericht nicht zur Aussetzung eines bei ihm anhängigen Revisionsverfahrens.
8. Die Inanspruchnahme einer nur einstweilen, dh unter dem Vorbehalt der Überprüfung im Hauptsacheverfahren sowie nach einer lediglich summarischen tatsächlichen und rechtlichen richterlichen Prüfung erteilten Berechtigung stellt ein Handeln auf eigene Gefahr dar (vgl BSG vom 11.9.2002 - B 6 KA 41/01 R = MedR 2003, 359).
Normenkette
SGB 5 § 95 Abs. 10 S. 1 Nr. 3, Abs. 11b; GG Art. 6 Abs. 1-2, 4; EWGRL 207/76 Art. 3 Abs. 1; EWGRL 613/86 Art. 4; EG Art. 43, 234
Verfahrensgang
Tatbestand
Die als Psychologische Psychotherapeutin approbierte Klägerin begehrt die bedarfsunabhängige Zulassung als Psychotherapeutin für einen Psychotherapeutensitz in B. bei M. Sie ist 1950 geboren, schloss ihr Psychologiestudium 1974 mit der Diplom-Prüfung ab und war zwischen 1974 und 1985 als angestellte Psychologin tätig. Zwischen 1986 und 1995 war sie im Hinblick auf die Geburt ihrer beiden 1985 und 1989 geborenen Kinder nur eingeschränkt freiberuflich tätig. Seit Beginn des Jahres 1995 arbeitet sie in einer eigenen psychotherapeutischen Praxis.
Ihren Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin lehnten Zulassungs- und Berufungsausschuss ab, weil die Voraussetzungen einer "Teilnahme" an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten iS des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht erfüllt seien. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage in der Hauptsache abgewiesen, der Klägerin aber zuvor mit Beschluss vom 28. April 2000 im Wege der einstweiligen Anordnung eine vorläufige, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulassung befristete Zulassung für den Praxissitz B. verschafft. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe den vom Bundessozialgericht (BSG) als Voraussetzung für die "Teilnahme" geforderten Behandlungsumfang von 250 Stunden in einem Halbjahres- bzw maximal in einem Jahreszeitraum nicht erreicht (Urteil vom 6. Oktober 2004).
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin geltend, im Rechtsstreit seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Den von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu.
Die Klägerin hält zunächst für klärungsbedürftig, ob "durch eine europarechtskonforme Auslegung des Begriffs der Teilnahme in § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V gemäß der Richtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 und der Richtlinie 86/613/EWG vom 11. Dezember 1986 iVm Art 2 des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft (EGV) bei den im sog Zeitfenster nachzuweisenden Behandlungsstunden die von der Klägerin vorgetragenen Umstände, dass sie als weibliche Psychotherapeutin ihre psychotherapeutische Behandlungstätigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung wegen der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder nicht mit der von der Rechtsprechung geforderten Mindeststundenzahl von 250 Behandlungsstunden in einem Halbjahres- bis Jahreszeitraum erbracht habe, Berücksichtigung finden" müssten. Diese Frage ist in der von der Klägerin gestellten Form nicht klärungsfähig und im Übrigen nicht klärungsbedürftig.
Die Klägerin stellt in der von ihr formulierten Rechtsfrage bereits auf ihre persönliche Situation ab, die sie dadurch gekennzeichnet sieht, dass ihre 1989 geborene Tochter während des sog "Zeitfensters", also von Juni 1994 bis Juni 1997, erheblich erkrankt gewesen sei und deshalb von ihr - der Klägerin - besonders intensiv habe betreut werden müssen. Zudem macht die Klägerin geltend, diese intensive Betreuung habe nur sie durchführen können, weil ihr Ehemann und Vater des Kindes an seinem Arbeitsplatz nicht abkömmlich gewesen sei. Der Umstand, dass sich die Klägerin nach ihren eigenen Angaben dafür entschieden hat, den Aufbau ihrer Praxis zu Gunsten der Betreuung des Kindes zurückzustellen, und nicht ihr Ehemann seine berufliche Tätigkeit zu Gunsten der Betreuung des Kindes eingeschränkt hat, prägt die besondere Situation des Einzelfalles der Klägerin und ist nicht geeignet, in rechtsgrundsätzlicher Weise geklärt zu werden.
Dementsprechend könnte allenfalls grundsätzlich geklärt werden, ob die Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Senats an den Tätigkeitsumfang im sog Zeitfenster zu stellen sind (BSGE 87, 158, 175 ff = SozR 3-2500 § 95 Nr 25 S 123 ff) generell eine nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft (EG) unzulässige Diskriminierung wegen des Geschlechts bewirken. Diese Frage ist ohne weiteres zu verneinen, ohne dass es insoweit der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Der Senat hat in seinen Urteilen vom 8. November 2000 dargelegt, dass der Zielsetzung des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V im Sinne einer Bestandsschutzregelung für zwischen Juni 1994 und Juni 1997 geschaffene Praxen nur dann angemessen Rechnung getragen wird, wenn der Behandlungsumfang gegenüber Versicherten der Krankenkassen in dieser Zeit annähernd einer halbtägigen Tätigkeit entsprochen hat und die Behandlungen in eigener Praxis nicht gegenüber anderen beruflichen Tätigkeiten - sei es in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, sei es gegenüber anderen Kostenträgern - von nachrangiger Bedeutung gewesen sind (ua BSGE 87, 158, 177 = SozR 3-2500 § 95 Nr 25 S 125). Die von zwei im Revisionsverfahren unterlegenen Klägern gegen die Urteile vom 8. November 2000 erhobenen Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen, weil Grundrechtsverletzungen nicht ersichtlich seien (Beschlüsse ≪Kammer≫ vom 22. März 2001 - 1 BvR 409/01, zu B 6 KA 46/00 R und vom 3. April 2001 - 1 BvR 462/01, zu B 6 KA 44/00 R).
Der Senat hat die Anforderungen an die "Teilnahme" iS des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V weiterhin dahin präzisiert, dass ein Behandlungsumfang von 11,6 Behandlungsstunden pro Woche in einem Halbjahreszeitraum den Anforderungen entsprechen kann (BSGE aaO S 178 = SozR aaO S 126). Es bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, sondern liegt auf der Hand, dass mit diesem Beschäftigungsumfang auch den spezifischen Belastungssituationen von Frauen angemessen Rechnung getragen wird, die sich in besonderer Weise der Betreuung und Erziehung von Kindern gewidmet haben. Die Auffassung der Klägerin, diese für alle Bewerber um eine bedarfsunabhängige Zulassung geltenden Anforderungen an den Mindestumfang der "Teilnahme" an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der Krankenkassen stelle eine unzulässige Benachteiligung von Müttern dar, ist erkennbar unzutreffend. Der Senat hat im Urteil vom 18. März 1998 (BSGE 82, 41 = SozR 3-2500 § 103 Nr 2) unter Anführung der Rechtsprechung des BVerfG ausgeführt, dass Art 6 Grundgesetz (GG) den Gesetzgeber nicht verpflichtet, alle mit der Mutterschaft und/oder Kindererziehung zusammenhängenden wirtschaftlichen und beruflichen Belastungen auszugleichen. Ihm steht vielmehr bei seiner Entscheidung, in welchem Umfang und mit welchen Mitteln er dem Schutzauftrag des Art 6 GG nachkommt, eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Deshalb hat der Senat es in einer das Zulassungsbegehren einer Psychotherapeutin betreffenden Entscheidung nicht für klärungsbedürftig gehalten, "ob bei Schwangerschaft oder Kindererziehung der Schutzgedanke des Art 6 Abs 1, 2 und 4 GG gebiete, die Anforderungen an eine Teilnahme iS des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V zu reduzieren oder ob eine europarechtliche Auslegung des Teilnahmebegriffs dies gebietet" (Beschluss vom 27. April 2004 - B 6 KA 117/03 B -). Das BVerfG (Kammer) hat die Verfassungsbeschwerde der in diesem Verfahren betroffenen Diplom-Psychologin nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 27. Juli 2004 - 1 BvR 1252/04 -).
Wenn in einer übergangsrechtlichen, unter Härtegesichtspunkten auf den Umfang einer zu einer bestimmten Zeit geschaffenen Praxissubstanz abstellenden Vorschrift der Zugang zu einer beruflichen Tätigkeit von einem Mindesttätigkeitsumfang unterhalb einer üblichen Halbtagstätigkeit abhängig gemacht wird, liegt darin keine Diskriminierung wegen des Geschlechts im Sinne der Richtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 und 86/613/EWG vom 11. Dezember 1986. Die Bestimmung des Art 4 der Richtlinie von 1986 iVm Art 3 Abs 1 der Richtlinie von 1976 untersagen die geschlechtsbezogene Benachteiligung bei den Bedingungen des Zugangs zu Beschäftigung und Arbeitsplätzen sowie bei der Aufnahme oder Ausweitung sonstiger selbstständiger Erwerbstätigkeiten. Eine solche enthält die Forderung nach einer zumindest annähernd halbtags auszuübenden Behandlungstätigkeit gegenüber einer Frau, deren Kinder zu Beginn des fraglichen Zeitpunkts neun bzw fünf Jahre alt gewesen sind, nicht.
Auf die von der Klägerin weiterhin aufgeworfene Frage, ob eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts darin zu sehen sein könne, dass mehr Anträge von Frauen auf bedarfsunabhängige Zulassung nach § 95 Abs 10 Satz 1 SGB V erfolglos geblieben seien als von Männern, käme es in einem Revisionsverfahren nicht an. Abgesehen davon, dass das LSG festgestellt hat, dass die Ablehnungsquote bei Männern höher war als bei Frauen, steht nicht fest, aus welchen Gründen die Anträge der Bewerberinnen erfolglos waren. Es entspricht jedenfalls der Einschätzung des Senats aus zahlreichen, seit dem Jahre 2000 hier anhängig gewesenen Verfahren über bedarfsunabhängige Zulassungen von Psychotherapeuten, dass nicht selten Anträge von Psychotherapeutinnen daran gescheitert sind, dass der Behandlungsumfang in der eigenen Praxis wegen anderer psychologischer Tätigkeiten und nicht in erster Linie wegen der Kindererziehung den Mindestanforderungen an eine "Teilnahme" nicht entsprochen hat. Im Übrigen hat die Klägerin, was unter dem Gesichtspunkt der Klärungsfähigkeit von Bedeutung ist, durch ihren eigenen Tätigkeitsumfang selbst zum Ausdruck gebracht, dass die relativ geringe Stundenzahl von psychotherapeutischen Behandlungen gegenüber Versicherten der Krankenkassen im sog Zeitfenster nicht allein auf ihren familiären Belastungen beruht. Sie hat nämlich nach den Feststellungen des LSG während dieser Zeit in nicht unbeträchtlichem Umfang (30 Zeitstunden im Jahr 1995, 60 Zeitstunden im Jahr 1996 und 31 weitere Stunden zu 45 Minuten ebenfalls im Jahre 1996) Kurse zur Stressbewältigung im Auftrag einer Krankenkasse durchgeführt. Wenn die damit verbundene Belastung der Klägerin trotz ihrer familiären Situation zumutbar war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Umfang der Tätigkeit gegenüber den Versicherten der Krankenkassen allein aus familiären Gründen eingeschränkt worden ist.
Schließlich beachtet die Klägerin nicht hinreichend, dass die Entscheidung von Müttern und Vätern, ihre berufliche Tätigkeit zu Gunsten der Betreuung von Kindern einzuschränken, rechtlich abgesichert und geschützt ist, dass aber nicht alle aus dieser Entscheidung folgenden Nachteile von der Rechtsordnung missbilligt werden. Wer etwa nach Ende der Elternzeit mit Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes (§ 15 Abs 2 Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz ≪BErzGG≫) seinen Arbeitsplatz aufgibt oder seine Arbeitszeit reduziert, um sich ausschließlich oder überwiegend der Kindererziehung zu widmen, hat keinen Anspruch auf Fortzahlung von (vollem) Arbeitsentgelt und muss die mit der Reduzierung von Arbeitszeit und Einkünften verbundenen wirtschaftlichen Einschränkungen in Kauf nehmen. Das war dem Ehemann der Klägerin ersichtlich bewusst, der eine Bescheinigung seines Arbeitgebers zu den berufungsgerichtlichen Akten hat reichen lassen, wonach er "ab 1990 als Projektleiter tätig und in diesem Zusammenhang stark engagiert" war.
Die Klägerin hat den Aufbau ihrer Praxis ab 1995 nach eigener Einschätzung wegen ihrer besonderen familiären Situation nicht in dem gewünschten Umfang vorantreiben können. Es widerspricht jedoch allgemeiner Lebenserfahrung, dass Mütter von zwei neun- bzw fünfjährigen Kindern generell gehindert sind, halbtags erwerbstätig zu sein. Das gilt erst recht, wenn wie hier bei psychotherapeutischen Behandlungen die Möglichkeit weitgehend freier Zeitplanung und -einteilung besteht. Dies allein ist für die Beurteilung einer etwaigen Benachteiligungswirkung des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V entscheidend. Auf die ganz speziellen Umstände im Fall der Klägerin (häufige Erkrankungen des Kindes L., keine Hilfsmöglichkeit von Mutter und Schwiegermutter) kommt es genau so wenig an wie auf ihre Bewältigung dieser Umstände (zB Verzicht der Klägerin und ihres Ehemannes auf Beschäftigung einer Kinderfrau bzw Tagesmutter zur Ermöglichung des Aufbaus der Praxis).
Den besonderen Belastungen, die mit der Schwangerschaft und der Versorgung von kleinen Kindern verbunden sind, trägt das Gesetz in § 95 Abs 11 b SGB V angemessen Rechnung. Danach wird für einen Psychotherapeuten, der im Zeitfenster wegen der Betreuung und Erziehung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, der Beginn der Frist um die Zeit vorverlegt, die der Zeit der Kindererziehung in dem Dreijahreszeitraum entspricht. Diese Vorschrift wirkt sich hier zu Gunsten der Klägerin nicht aus, weil - wie das LSG zutreffend dargestellt hat - ihre Kinder zu Beginn des Zeitfensters das dritte Lebensjahr bereits seit längerem vollendet hatten.
Schließlich hält die Klägerin für klärungsbedürftig, ob § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V und die darin geforderte Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten gegen die in Art 43 EGV garantierte Niederlassungsfreiheit mit der Folge verstößt, dass bei Erteilung einer bedarfsunabhängigen Zulassung das Teilnahmeerfordernis des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V wegen des Grundsatzes der verbotenen Inländerdiskriminierung gemäß Art 3 Abs 1 GG nicht angewandt werden dürfe. Dabei bezieht sich die Klägerin auf ein von der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Frage, ob es mit europarechtlichen Bestimmungen unvereinbar ist, dass die Teilnahmevoraussetzungen des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V nur durch Behandlungen von Versicherten der Krankenkassen in der Bundesrepublik Deutschland erfüllt werden können, sodass Personen, die während der fraglichen Zeit zwischen Mitte 1994 und Mitte 1997 in einem anderen EU-Staat tätig gewesen sind, diese Voraussetzungen von vornherein nicht erfüllen können.
Unmittelbar betrifft diese Frage den Anspruch der Klägerin nicht, weil bei ihr kein Fall mit Auslandsberührung vorliegt. Es ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wie des BVerfG hinreichend geklärt, dass die Diskriminierungsverbote des Gemeinschaftsrechts wie die Gemeinschaftsgrundrechte auf rein innerstaatliche Rechtsakte keine Anwendung finden (zB EuGH, Sammlung 1987, 3719, 3754 RdNr 28; BVerfGE 89, 155, 174). Bei rein innerstaatlichen Sachverhalten ohne Verbindung zum europäischen Recht ist der EuGH deshalb auch nicht zur Rechtskontrolle berufen (Sammlung 1995 I, 3981, 3988 RdNr 10).
Betroffen könnte die Klägerin allenfalls unter dem Gesichtspunkt der "Inländerdiskriminierung" sein, doch führt auch das nicht zu einer grundsätzlich klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Das europäische Recht steht materiell der "Inländerdiskriminierung" neutral gegenüber. Das hat zur Folge, dass in Inlandsfällen, in denen lediglich das Problem der Inländerdiskriminierung betroffen wäre, eine Vorlagepflicht nach Art 234 EGV von vornherein nicht besteht (vgl zuletzt Beschluss des Senats vom 27. April 2005 - B 6 KA 38/04 B -). Im Übrigen bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die Klägerin die von ihr in erster Linie angestrebte Aussetzung des auf ihre Beschwerde hin einzuleitenden Revisionsverfahrens gemäß § 114 Abs 2 SGG im Hinblick auf das von der Europäischen Kommission angestrengte Vertragsverletzungsverfahren nicht erreichen kann. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht fest, dass die Regelung des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V in der Auslegung durch den Senat mit nationalem Verfassungsrecht vereinbar ist. Die bloße Möglichkeit, dass der EuGH ihre Anwendung für denjenigen Personenkreis, der in der fraglichen Zeit in einem anderen EU-Land tätig war, beanstanden könnte, würde den Senat nicht zur Aussetzung eines bei ihm anhängigen Revisionsverfahrens zwingen. Es lässt sich nicht absehen, ob überhaupt und ggf in welcher Hinsicht bzw für welchen Personenkreis der EuGH eine Vertragsverletzung anerkennen und welche Wege zu ihrer Beseitigung er der Bundesrepublik Deutschland aufgeben oder eröffnen würde. Noch weniger lässt sich derzeit prognostizieren, wie sich eine eventuelle Vorgabe des EuGH auf die Rechtsansprüche derjenigen Psychologen auswirken würde, die - wie die Klägerin - in ihrem beruflichen Werdegang keinen Auslandsbezug aufweisen. Nicht jede Ungleichbehandlung von Inländern gegenüber Bürgern aus anderen EU-Staaten ist verfassungswidrig (vgl zum Diskussionsstand Streinz, in: EUV/EVG, Hrsg Streinz, 2003, Art 12 RdNr 63).
Da seit dem Inkrafttreten der Übergangsregelung des § 95 Abs 10 SGB V inzwischen nahezu sechs Jahre vergangen sind und es für die Bedarfsplanung von erheblicher Bedeutung ist, in welchem Umfang Psychologen bedarfsunabhängig zuzulassen sind, wäre es im Hinblick auf die Zulassungschancen aller Psychologen nicht zu rechtfertigen, ein Streitverfahren hinsichtlich der bedarfsunabhängigen Zulassung einer Psychologin allein im Hinblick auf die vage Möglichkeit, dass der EuGH die bisherige Rechtspraxis in wenigen Fällen mit Auslandsbezug beanstanden könnte, in der Schwebe zu lassen.
Der Umstand, dass die Klägerin, die auf der Grundlage der einstweiligen Anordnung des SG München vom 28. April 2000 seit nunmehr fünfeinhalb Jahren in B. wie eine zugelassene Psychologische Psychotherapeutin tätig ist, ihre Praxis dort künftig nicht weiter betreiben kann, weil ihr nunmehr rechtskräftig die Zulassung versagt ist, verleiht den maßgeblichen Rechtsfragen ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Der Senat hat in seinem - einen ebenfalls durch einstweilige Anordnung vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens zugelassenen Psychotherapeuten betreffenden - Urteil vom 11. September 2002 - B 6 KA 41/01 R - (MedR 2003, 359) bereits entschieden, dass die Inanspruchnahme einer nur einstweilen, dh unter dem Vorbehalt der Überprüfung im Hauptsacheverfahren sowie nach einer lediglich summarischen tatsächlichen und rechtlichen richterlichen Prüfung erteilten Berechtigung ein Handeln auf eigene Gefahr darstellt. Es birgt regelmäßig das von dem Betroffenen selbst zu tragende Risiko, dass später im Hauptsacheverfahren unter Anwendung der dafür geltenden prozessualen und materiellen Prüfungsmaßstäbe auch ein anderes Ergebnis als im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu Stande kommen kann. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde des betroffenen Psychotherapeuten im Verfahren B 6 KA 41/01 R nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 6. Dezember 2002 - 1 BvR 2021/02 -). Die Entscheidung des SG München über die vorläufige, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache befristete Zulassung der Klägerin datiert vom 28. April 2000. Etwas mehr als sechs Monate später sind die Urteile des Senats vom 8. November 2000 ergangen. Nach den dort entwickelten Maßstäben konnte die Klägerin nicht mehr erwarten, in der Hauptsache zu obsiegen, und das musste ihr, die in allen Stadien des Rechtsstreits anwaltlich vertreten war, klar gewesen sein. Wenn sie gleichwohl die Praxis an dem bisherigen Standort in B., an dem sie wegen der bestehenden Überversorgung von vornherein keine Chance auf eine bedarfsabhängige Zulassung hatte, weitergeführt hat, hat sie dies auf eigenes Risiko getan.
Zur Vermeidung von Härten sowohl für die Klägerin wie für die von ihr behandelten Patienten stellt der Senat im Anschluss an sein oben erwähntes Urteil vom 11 September 2002 klar, dass die Klägerin ihre Praxis in B. noch übergangsweise bis zum 30. Juni 2006 sowie beschränkt auf bereits begonnene Psychotherapien fortführen und ihre Leistungen gegenüber der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen darf.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
Fundstellen