Leitsatz (amtlich)
Eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes hat die Gebühr nach SGG § 184 für das Revisionsverfahren auch dann zu entrichten, wenn die von dem Prozeßgegner eingelegte Revision nach SGG § 169 durch Beschluß als unzulässig verworfen worden ist.
Normenkette
SGG § 169 Fassung: 1953-09-03, § 184 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Erinnerung der Allgemeinen Ortskrankasse für den Landkreis ... und den Stadtkreis ... gegen die Feststellung der Gebühr durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 8. Juni 1955 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
Durch Beschluß des 3. Senats vom 28. März 1955 ist die Revision der ... gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSGer.) Celle vom 11. November 1954 als unzulässig verworfen worden, weil das mit der Revision angefochtene Urteil einen vom LSGer. in letzter Instanz zu behandelnden Streitfall (§ 214 Abs. 5 SGG) betraf.
Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) vertritt die Auffassung, sie sei zur Entrichtung einer Gebühr nach § 184 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für das Revisionsverfahren nicht verpflichtet. Sie macht geltend, das Bundessozialgericht ( BSGer .) sei im Rechtsmittelverfahren nicht tätig gewesen, weil es eines besonderen Beschlusses durch das BSGer . nicht bedurft habe; nicht nur die Revision, sondern schon die Berufung der Frau ... sei unzulässig gewesen, weil sich der Anspruch in Wirklichkeit nicht gegen die AOK, sondern gegen den Arbeitgeber gerichtet habe, so daß nicht die Sozialgerichte, sondern die Arbeitsgerichte zur Entscheidung berufen gewesen seien. Es habe sich daher nicht um eine rechtshängige Sache im Sinne des § 184 SGG, sondern höchstens um eine "Petitionsschrift" gehandelt. Nach der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (RVA.) zu dem früheren § 80 der Reichsversicherungsordnung (RVO) könnten nur diejenigen Versicherungsträger zur Zahlung der Pauschgebühr verpflichtet werden, die an der Spruchsache beteiligt waren; dies sei aber nur dann der Fall gewesen, wenn sie am früheren Spruchverfahren selbst prozessual teilgenommen hätten und am Ausgang des Verfahrens sachlich interessiert gewesen seien.
Die Erinnerung der Gebührenschuldnerin gegen die Feststellung des Urkundsbeamten ist nach § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig, sie ist aber nicht begründet.
Nach § 184 SGG haben die Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts für jede Streitsache, an der sie beteiligt sind, eine Gebühr zu entrichten. Die Auffassung der Gebührenschuldnerin, sie sei an dem Verfahren überhaupt nicht beteiligt gewesen, ist rechtsirrig; denn der Anspruch auf Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen hat sich gegen die AOK gerichtet, die sich ihrerseits in dem Verfahren darauf berufen hatte, daß sie die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile, soweit der Erstattungsanspruch noch nicht verjährt war, an den Arbeitgeber erstattet habe. Für die Frage, ob eine Körperschaft an einem Verfahren beteiligt ist, kommt es nicht darauf an, ob der in dem Verfahren geltend gemachte Anspruch sachlich begründet ist oder nicht; entscheidend ist vielmehr allein der Umstand, daß sie an dem sozialgerichtlichen Verfahren als Kläger, Beklagter oder Beigeladener beteiligt war (§ 69 SGG). Die Gebührenschuldnerin war aber nicht nur an dem Berufungsverfahren, sondern auch an dem Revisionsverfahren beteiligt, weil ... gegen das in dem Berufungsverfahren ergangene Urteil des LSGer., durch das ihre Berufung als unzulässig verworfen worden war, Revision eingelegt hatte.
Die nach § 184 SGG zu entrichtende Gebühr entsteht, sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist; sie ist für jeden Rechtszug zu zahlen (a. a. O. Abs. 1 Satz 2). Durch den Eingang der Revisionsschrift beim BSGer . ist die Sache beim Revisionsgericht anhängig geworden (vgl. auch Entscheidung des RVA. zu § 80 RVO vom 25.10.1935 - EuM. Bd. 39 S. 8). Die Unzulässigkeit des Rechtsmittels schließt die Rechtshängigkeit im Sinne des § 184 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht aus; auch ein unzulässiges Rechtsmittel bedingt grundsätzlich die Tätigkeit des Gerichts. Die Gebühr ist eine Pauschgebühr, bei der Unterscheidungen nach der im Einzelfall erforderlichen Gerichtstätigkeit nicht vorgesehen sind. Die Ansicht der Gebührenschuldnerin, daß "die Zurückweisung der Sache durch das BSGer . eines besonderen Beschlusses" gar nicht bedurft hätte, steht im Widerspruch zu der Vorschrift des § 169 SGG. Somit ist der Einwand der Gebührenschuldnerin, die Sache sei beim BSGer . nicht rechtshängig im Sinne des § 184 Abs. 2 SGG geworden, unbegründet.
Die der Gebührenschuldnerin auferlegte Gebühr ist hiernach zu Recht festgestellt worden.
Fundstellen