Leitsatz (amtlich)
1. Bei Versicherungsfällen, die vor dem 1.7.1982 eingetreten sind, hat der deutsche Versicherungsträger für die Erfüllung der Wartezeit außer den deutschen Versicherungszeiten alle Versicherungszeiten anzurechnen, die nach den zweiseitigen Sozialversicherungsabkommen zu berücksichtigen sind, die die Bundesrepublik Deutschland mit der Republik Österreich, der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und der Republik Türkei geschlossen hat.
2. Kommen für einen Rentenanspruch außer deutschen Beitragszeiten Beitragszeiten nach mehr als einem der vorgenannten Sozialversicherungsabkommen in Betracht, so ist die zuerst angegangene Verbindungsstelle zuständig.
Orientierungssatz
Zur Frage der Besetzung des Großen Senats des Bundessozialgerichts iS von SGG § 41 Abs 5 S 2 Alt 1.
Normenkette
RVO § 1250; SozSichAbk AUT Art 26 Abs 1 S 1; SozSichAbk AUT Art 27 Abs 1; SozSichAbk TUR Art 27 Nr 1; SozSichAbk YUG Art 25 Abs 1 S 1; SGG § 41 Abs 5 S 2 Fassung: 1972-05-26
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 22.07.1980; Aktenzeichen L 16/Ar 441/79) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 03.06.1980; Aktenzeichen L 5/Ar 513/78) |
SG Landshut (Entscheidung vom 26.06.1979; Aktenzeichen S 4/Ar 58/78 - Ju) |
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 06.12.1978; Aktenzeichen L 14/Ar 161/76) |
SG Bayreuth (Entscheidung vom 27.09.1978; Aktenzeichen S 3/Ar 413/77) |
SG München (Entscheidung vom 20.02.1976; Aktenzeichen S 2/Ar 743/73) |
Tatbestand
In den drei Ausgangsverfahren streiten die Beteiligten darüber, ob und gegen welchen deutschen Versicherungsträger die Kläger einen Anspruch auf Rente aus den in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten haben, insbesondere ob und welche der im Ausland zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb dieses Rentenanspruchs zu berücksichtigen sind.
Für den - jugoslawischen - Kläger in der Streitsache 4 RJ 117/79 (GS 1/82) sind an Versicherungszeiten nachgewiesen: 40 Kalendermonate in der Bundesrepublik Deutschland, 17 Kalendermonate in Österreich, 8 Monate und 11 Tage in Jugoslawien. Der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit ist am 8. Oktober 1971 eingetreten. Das Sozialgericht (SG) und das Landessozialgericht (LSG) halten die Wartezeit für nicht erfüllt. Weder die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) Oberbayern als deutsch-österreichische Verbindungsstelle noch die beigeladene LVA Niederbayern-Oberpfalz als deutsch-jugoslawische Verbindungsstelle seien dafür zuständig, die in den beiden ausländischen Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten zusammenzurechnen.
Für den am 17. Mai 1974 verstorbenen Ehemann und Vater der - türkischen - Kläger in der Streitsache 4 RJ 97/80 (GS 3/82) sind an Versicherungszeiten nachgewiesen: 15 Kalendermonate in der Bundesrepublik Deutschland, 17 Kalendermonate in Österreich, 34 Kalendermonate in der Türkei. Die beklagte LVA Oberfranken und Mittelfranken als deutsch-türkische Verbindungsstelle lehnte den Antrag auf Hinterbliebenenrente mit der Begründung ab, die Wartezeit sei nicht erfüllt. Die Vorinstanzen (SG Bayreuth und Bayerisches LSG) haben der Klage stattgegeben. Sie halten die Beklagte für verpflichtet, sämtliche Versicherungszeiten zusammenzurechnen.
Für den am 1. Mai 1977 verstorbenen Ehemann und Vater der - jugoslawischen - Kläger in der Streitsache 4 RJ 107/80 (GS 2/82) sind an Versicherungszeiten nachgewiesen: 45 Kalendermonate in der Bundesrepublik Deutschland, 21 Kalendermonate in Österreich, 10 Tage in Jugoslawien. Die Kläger stellten den Hinterbliebenen-Rentenantrag bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz als der deutsch-jugoslawischen Verbindungsstelle. Diese lehnte ihn mangels Erfüllung der Wartezeit ab. Im Gerichtsverfahren ist die LVA Oberbayern als deutsch-österreichische Verbindungsstelle beigeladen worden. Die Vorinstanzen haben die Beklagte verurteilt, den Klägern Witwen- und Waisenrente zu zahlen. Die Beklagte hat nach Einlegung der Revision einen entsprechenden Bescheid erteilt. Unabhängig davon hat die Beigeladene danach den Anspruch der Kläger auf Gewährung von Hinterbliebenenrenten anerkannt. Sie hat zwar zunächst die Auszahlung der Witwenrente im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 1315 ff Reichsversicherungsordnung (RVO) aF abgelehnt, später aber in Anwendung der §§ 1315 ff RVO idF des Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1982 - RAG 1982 - vom 1. Dezember 1981 (BGBl I, 1205) auch die Auszahlung der Witwenrente bewilligt. Danach hat die Beklagte die Zahlung eingestellt, und der Vorsitzende des 4. Senats hat die Vollstreckung aus dem Urteil des LSG ausgesetzt.
Der 4. Senat hat mit Beschlüssen vom 10. August 1982 in den drei Ausgangsverfahren dem Großen Senat (GS) des Bundessozialgerichts (BSG) folgende Frage vorgelegt:
In welcher Weise sind Versicherungszeiten zu berücksichtigen, wenn ein Versicherter solche Zeiten sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in mindestens zwei ausländischen Staaten zurückgelegt hat, die mit der Bundesrepublik Deutschland durch je ein zweiseitiges Sozialversicherungsabkommen verbunden sind, 1. sofern die Versicherungszeit, die für die Begründung eines deutschen Rentenanspruchs mindestens erforderlich ist, nur bei Zusammenrechnung aller zurückgelegten Versicherungszeiten erreicht wird, 2. sofern zwar ein Rentenanspruch auch bereits durch die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland und in einem Abkommenstaat begründet wird, sich aber bei bloßer Berücksichtigung der beiden Zeiten ein anderer deutscher Rentenanspruch ergeben würde als bei Berücksichtigung aller Versicherungszeiten?
In der Begründung hält der 4. Senat die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten aufgrund mehrerer bilateraler Verträge nicht mehr für zulässig. Der Lösungsweg, den der 11., 1. und ursprünglich der 4. Senat selbst gegangen sind (BSGE 34, 90, - 11. Senat -; BSGE 51, 5, SozR 6555 Art 34 Nr 1 - 1. Senat -; SozR 2200 § 1250 Nr 11, SozR Nr 2 zu Abk USA Art IV vom 29. Oktober 1954 - 4. Senat -), sei nicht mehr gangbar. Die zahlreichen entgegenstehenden Äußerungen im Schrifttum und eine vom 4. Senat eingeholte Äußerung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) nötigten zu einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung. Die nach den einzelnen Abkommen anzurechnenden Versicherungszeiten würden nicht wie deutsche Versicherungszeiten behandelt. Eine teilweise Gleichstellung von ausländischen mit deutschen Versicherungszeiten sei zwar für die "Miniversicherungszeiten" erfolgt (unter 12 Monaten nach § 26 Abs 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit vom 22. Dezember 1966 - BGBl 1969 II, 1235 -; unter 12 Monaten nach § 25 Abs 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 - BGBl 1969 II, 1438 -; unter 6 Monaten nach Art 27 Ziff 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 - BGBl 1965 II, 117O -). Aber auch hier werde ausdrücklich vorausgesetzt, daß die Wartezeit nach deutschen oder bilateralen Vorschriften erfüllt sei. Für Versicherungszeiten ab 12 Monaten sei eine generelle Gleichstellungsvorschrift - etwa vergleichbar mit § 15 des Fremdrentengesetzes (FRG) - in keinem der hier anzuwendenden Abkommen vorhanden. Obwohl eine Zusammenrechnung daher nicht in Betracht komme, könne ein versicherungsrechtliches Äquivalent aber doch wohl nicht versagt werden. Der 4. Senat weist zur Begründung dieser Ansicht auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 20. März 1979 (BVerfGE 51, 1 = SozR 2200 § 1315 Nr 5) hin. Für den hier gegebenen Sachverhalt könne der Senat jedoch keine befriedigende Lösung finden.
Der GS hat die drei Vorlagen verbunden und beim 1. und 11. Senat angefragt, ob sie an ihrer Rechtsauffassung festhalten, daß die nach mehreren zweiseitigen Sozialversicherungsabkommen jeweils anzurechnenden ausländischen Versicherungszeiten insgesamt mit den deutschen Versicherungszeiten zusammenzurechnen sind (Beschlüsse vom 3. November 1983). Der 11. Senat hat daraufhin seine bisherige Auffassung aufgegeben (Beschluß vom 6. Dezember 1983), der 1. Senat hält daran fest (Beschluß vom 16. Februar 1984).
Entscheidungsgründe
Die Besetzung des GS folgt aus § 41 Abs 5 Satz 2 Alternative 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der 4. Senat hat seine Vorlagebeschlüsse zwar auf § 43 SGG - Rechtsfortbildung - gestützt. Er will jedoch iS des § 42 SGG von Entscheidungen des 1. und 11. Senats abweichen, wie aus den Gründen der Vorlagebeschlüsse deutlich wird; er ist danach entschlossen, die vom 1. und 11. Senat bisher vertretene Rechtsauffassung im Ergebnis preiszugeben. Daß er selbst keine bestimmte andere Entscheidung in Aussicht stellt, ändert an diesem Vorlagegrund nichts (BSGE 44, 151, 153).
Der 11. Senat ist iS des § 41 Abs 5 SGG allerdings nicht an dem Verfahren vor dem GS beteiligt und hat daher keinen Berufsrichter in den GS zu entsenden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die von ihm entschiedenen Rechtsfragen mit den vom 4. Senat vorgelegten identisch sind und der 11. Senat zunächst an dem Verfahren vor dem GS beteiligt war. Jedenfalls steht seine Entscheidung einer abweichenden Entscheidung nicht mehr entgegen, nachdem der 11. Senat seine frühere Rechtsprechung durch Beschluß aufgegeben hat (vgl BSGE 51, 23, 24). Die Stammbesetzung des GS ist somit ergänzt durch je ein Mitglied des 4. und des 1. Senats. Auch soweit die Anrufung des GS über Abweichungsfragen hinausgeht und auf § 43 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestützt ist, bleibt es bei der Besetzung nach § 41 Abs 5 Satz 2 Alternative 1 SGG (BFHE 94, 124, 127ff).
Die Anrufung des GS ist zulässig. Die vorgelegten Rechtsfragen sind für die vom 4. Senat zu treffenden Entscheidungen rechtserheblich. Ihre Beantwortung ist jedoch auf die drei Abkommen - mit Österreich, Jugoslawien und der Türkei - zu beschränken, die in den Ausgangsverfahren anzuwenden sind, und zwar in den dafür maßgeblichen Fassungen. Die zu entscheidenden Rechtsfragen können sich zwar bei anderen zweiseitigen Sozialversicherungsabkommen mit anderen Staaten ebenso stellen, wenn die einschlägigen Abkommensregelungen gleich sind (vgl BSGE 34, 90). Zwingend ist dies aber nicht, weil die einzelnen Regelungen in Verbindung mit dem übrigen Inhalt der Verträge, dem betroffenen Sozialversicherungssystem und den besonderen Erklärungen der vertragschließenden Stellen auszulegen sind. Die erste Frage - Zusammenrechnung für die Erfüllung der Wartezeit - hat nur für die Ausgangsverfahren 4 RJ 117/79 und 4 RJ 97/80 Bedeutung. Die zweite Rechtsfrage ist ebenfalls enger zu sehen, als ihr Wortlaut zunächst nahelegt. In keinem der Ausgangsfälle ist im gegenwärtigen Stand des Verfahrens über die Rentenhöhe zu entscheiden. Es sind bisher nur Grundurteile begehrt und auch nur solche erlassen oder abgelehnt worden. In der Revisionsinstanz ist keine Erweiterung des Streitgegenstands mehr möglich (§ 168 SGG). Ist aber die Versicherungszeit nach zwei oder mehr Sozialversicherungsabkommen zu ermitteln, so ist fraglich, nach welchem Abkommen der zuständige deutsche Versicherungsträger bestimmt wird. Insoweit ist die Sachlegitimation des zur Entscheidung berufenen Trägers der Rentenversicherung der Arbeiter für alle drei Ausgangsverfahren erheblich. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch im Ausgangsverfahren - 4 RJ 107/80 - die gestellte Vorlagefrage entscheidungserheblich.
Der GS hält an der bisherigen Rechtsprechung des BSG fest, nach der, wenn im Einzelfall die Wartezeit für den Erwerb eines deutschen (Teil-)Rentenanspruchs nur mit Versicherungszeiten aus mehreren zweiseitigen Sozialversicherungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit ausländischen Staaten erfüllt ist, der deutsche Rentenversicherungsträger alle zugunsten eines Wanderarbeitnehmers (Hinterbliebenen) anrechenbaren ausländischen Versicherungszeiten zu berücksichtigen hat ("multilaterale" Zusammenrechnung).
In den vorliegend verbundenen Streitsachen stehen folgende Abkommensbestimmungen zur Erörterung:
Art 26 Abs 1 Satz 1 und Art 27 Abs 1 des deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens vom 22. Dezember 1966:
"Sind nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten Versicherungszeiten zurückgelegt, so werden sie... für den Erwerb eines Leistungsanspruchs zusammengerechnet, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen."
"Beanspruchen ein Versicherter, für den die Voraussetzungen des Art 26 Abs 1 zutreffen, oder seine Hinterbliebenen eine Pension (Rente), so stellt der zuständige Träger jedes Vertragsstaates nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften fest, ob die betreffende Person unter Berücksichtigung der in Art 26 Abs 1 vorgesehenen Zusammenrechnung der Versicherungszeiten Anspruch auf die Pension (Rente) hat."
Art 27 Ziff 1 des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens vom 30. April 1964:
"War eine Person nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsparteien versichert, so sind die Renten nach Maßgabe dieses Abschnitts unter Anwendung folgender Regeln zu gewähren: 1. Für den Erwerb, die Aufrechterhaltung und das Wiederaufleben des Anspruchs hat der Träger der einen Vertragspartei die nach den Rechtsvorschriften der anderen Vertragspartei zurückgelegten Zeiten... zu berücksichtigen, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen."
Art 25 Abs 1 Satz 1 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens vom 12. Oktober 1968:
"Sind nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten anrechnungsfähige Versicherungszeiten vorhanden, so werden für den Erwerb des Leistungsanspruchs nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften auch die Versicherungszeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaats anrechnungsfähig sind und nicht auf dieselbe Zeit entfallen."
Allen diesen Bestimmungen ist gemeinsam, daß sie am jeweiligen Abkommen, einem völkerrechtlichen Vertrag, nicht beteiligte, als Nichtvölkerrechtssubjekte auch nicht beteiligungsfähige Dritte (Individualpersonen) - "Versicherter", "Hinterbliebene", "betreffende Person", "versicherte Person", Personen mit "Leistungsanspruch" gegen den Rentenversicherungsträger eines der Vertragsstaaten - in bestimmter Weise begünstigen.
In der Praxis der deutschen Rentenversicherungsträger, in der sozialrechtlichen Literatur und in der Rechtsprechung der deutschen Sozialgerichtsbarkeit stand zu keiner Zeit in Frage, daß die durch eine solche Vertragsbestimmung begünstigten - deutschen oder ausländischen - Wanderarbeitnehmer (oder ihre Hinterbliebenen) nach Zustimmung des Deutschen Bundestags durch ein Gesetz nach Art 59 Abs 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) einen innerstaatlichen, vor den deutschen Sozialgerichten einklagbaren (vgl § 54 Abs 4 SGG) Anspruch gegen den zuständigen deutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung darauf haben, daß die ausländische "Vertragszeit" gem § 1249 Satz 1 RVO auf die Wartezeit für eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, für das Altersruhegeld oder für eine Hinterbliebenenrente (§ 1263 Abs 2 RVO) angerechnet wird. Diese allgemein gebilligte und praktizierte Rechtsübung ist aus folgenden Gründen bedenkenfrei:
Der bilaterale völkerrechtliche Vertrag zugunsten Dritter ist allgemein anerkannt. Grund hierfür ist, daß durch ihn die bilateral vereinbarte Vertragspflicht des einen Staates lediglich in eine bestimmte Richtung gelenkt und dem Dritten ein subjektives Recht übertragen wird, wobei es diesem Dritten freisteht, das Recht auszuüben oder nicht auszuüben (vgl Wetzel, Verträge zugunsten und zu Lasten Dritter nach der Wiener Vertragsrechtskonvention, Institut für Völkerrecht der Universität Göttingen, Reihe Allgemeines Völkerrecht, Bd 15, 276; Menzel-Ipsen, Völkerrecht, 2. Aufl 1979, 313; Verdross-Simma, Universelles Völkerrecht, 383 ff, 385). Vom bilateralen Vertrag zugunsten Dritter begünstigt sein kann dabei nicht nur ein Völkerrechtssubjekt (Staat), sondern auch eine Individualperson als Angehöriger einer abgrenzbaren Gruppe von Personen ("Versicherte", "Wanderarbeitnehmer" uä). Die Staatenpraxis liefert zahlreiche Beispiele, daß durch den völkerrechtlichen Vertrag Individuen begünstigt werden (vgl die Nachweise bei Wetzel aaO, 257). Auch die vorstehend zitierten Bestimmungen aus zweiseitigen internationalen Abkommen der Bundesrepublik über Soziale Sicherheit gehören nicht zu den bilateralen zwischenstaatlichen Abmachungen, aus denen allein die beiden vertragschließenden Staaten (Völkerrechtssubjekte) selbst - zB die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich - berechtigt und verpflichtet werden. Die Beziehungen, die die Bundesrepublik Deutschland und der jeweils beteiligte ausländische Staat zum Zwecke der sozialen Sicherung ihrer Staatsbürger oder der sonstigen auf ihrem Staatsgebiet versicherungspflichtig beschäftigten Personen vertraglich begründen, erschöpfen sich nicht in gegenseitigen Rechten und Pflichten auf der Ebene der Vertragsstaaten und in deren Eigenschaft als Völkerrechtssubjekte. Soll die soziale Sicherung der jeweiligen Staatsangehörigen und der sonstigen im jeweiligen Staatsgebiet versicherungspflichtig beschäftigten Personen verbessert werden, so muß die Begünstigung notwendig auch "Lebenssachverhalte des einzelnen" zum Gegenstand der völkerrechtlichen Vereinbarung machen (Verdross-Simma aaO, 220).
Die durch die beiden Völkerrechtssubjekte begünstige Einzelperson erhält freilich gegenüber der Bundesrepublik Deutschland (und ihren Organen und Behörden) ein subjektives Recht erst mit dem Erlaß des Zustimmungsgesetzes des Deutschen Bundestages nach Art 59 Abs 2 Satz 1 GG (ganz herrschende Meinung, vgl BVerfGE 29, 348, 360; v. Maydell, DVBl 1971, 905, 906; derselbe, VSSR 1973, 347, 354; Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd I, 2. Aufl 1975, 171; Dahm, Völkerrecht, Bd I, 414 und Bd III, 115/116). Während der völkerrechtliche Vertrag selbst nur die - noch keine unmittelbare Rechtswirkung entfaltende - "Abrede" (BVerfGE aaO) einer Drittwirkung gegenüber Individualpersonen enthält, entsteht erst durch das Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestags ein entsprechender innerstaatlicher Leistungsanspruch des begünstigten Wanderarbeitnehmers (Hinterbliebenen) gegen Behörden, Organe und Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland.
Gegenstand der Meinungsverschiedenheit kann nach alledem nur sein, ob in der Person eines Wanderarbeitnehmers (Hinterbliebenen) mehrere Drittbegünstigungen der soeben dargestellten Art zusammentreffen können, wenn er (oder der Hinterbliebene) - wie hier - vom persönlichen Anwendungsbereich mehrerer Abkommen über Sozialversicherung erfaßt wird. Auch diese Frage ist zu bejahen.
Zu den Gesetzen, an die die deutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung als Organe der vollziehenden Gewalt gebunden sind (Art 20 Abs 3 GG), zählen auch alle vom Deutschen Bundestag erlassenen Gesetze nach Art 59 Abs 2 Satz 1 GG, durch die von der Bundesrepublik vertraglich verabredete Ansprüche von Wanderarbeitnehmern (Hinterbliebenen) auf Berücksichtigung ausländischer Vertragszeiten bei der deutschen Wartezeit mit der Qualität innerstaatlichen deutschen Gesetzesrechts ausgestattet worden sind. Wird der Wanderarbeitnehmer (Hinterbliebene) daher von mehreren solchen Gesetzen begünstigt, hat der deutsche Träger in dem Bescheid (Verwaltungsakt), den er dem Wanderarbeitnehmer (Hinterbliebenen) auf dessen Antrag auf Gewährung einer deutschen Teilrente aus den deutschen Beiträgen zu erteilen hat (vgl § 1631 RVO), auch alle ausländischen Vertragszeiten wartezeit-stützend zu berücksichtigen. Diese aus den mehreren deutschen Vertragsgesetzen herrührende öffentlich-rechtliche Verpflichtung des deutschen Rentenversicherungsträgers unterscheidet sich im Grundsatz nicht von seiner Rechtspflicht, neben den in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Beitragszeiten (§ 1250 Abs 1 Buchst a RVO) außerdem zB die von dem Versicherten im Ausland zurückgelegten Zeiten nach § 15 oder § 16 FRG oder im Ausland verwirklichte Ersatzzeit-Tatbestände (§ 1251 RVO) für den Erwerb des deutschen Rentenanspruchs zu berücksichtigen. Hat nämlich der deutsche Gesetzgeber - hier durch "Vertragsgesetz" - bestimmt, daß auch andere Zeiten als die in §§ 1249 Satz 1, 1250 Abs 1 RVO genannten Versicherungszeiten auf die Wartezeit anzurechnen sind, so liegt darin eine Gleichstellung dieser anderen Zeiten mit den in § 1249 Satz 1 RVO ausdrücklich genannten deutschen Versicherungszeiten in bezug auf ihre Fähigkeit, auf die Wartezeit angerechnet zu werden. Daß zuletzt alle nach deutschem innerstaatlichen Recht auf die Wartezeit "anrechnungsfähigen" Versicherungszeiten (§ 1249 Satz 1 aaO) "zusammengerechnet" werden müssen, um prüfen zu können, ob die anrechnungsfähigen Zeiten insgesamt den für die Wartezeit gesetzlich vorgeschriebenen Umfang von 60, 180 oder 240 Kalendermonaten erreichen (vgl §§ 1246 Abs 3, 1247 Abs 3, 1248 Abs 7 Satz 2, 1263 Abs 2 RVO), ergibt sich auch ohne eine ausdrückliche Verklammerung durch besondere gesetzliche Vorschrift aus der Geltungskraft der einzelnen (Zustimmungs-)Gesetze. Daß in den Verträgen nur die Beiträge zu den Versicherungseinrichtungen der vertragschließenden Staaten erwähnt sind, folgt schon daraus, daß der Vertrag grundsätzlich allein dazu bestimmt ist, die Berücksichtigung der im jeweils anderen Land zurückgelegten Versicherungszeiten zu sichern, nicht aber die Aufgabe hat zu regeln, wie sich dies im Verhältnis zu Beiträgen in Drittstaaten auswirkt.
Gegen eine abschließende Zusammenrechnung unter Einschluß von nach mehreren Vertragsgesetzen für die Wartezeit zu berücksichtigenden ausländischen Vertragszeiten läßt sich nicht ins Feld führen, daß alle hier einschlägigen Abkommen über Sozialversicherung, in denen die Bundesrepublik mit ausländischen Vertragspartnern die Anrechnungsfähigkeit verabredet hat, bilateral sind. Die Wanderarbeitnehmer und ihre Hinterbliebenen sind am Abschluß der völkerrechtlichen Verträge der Bundesrepublik mit ausländischen Staaten über Sozialversicherung nicht beteiligt gewesen; sie waren als Nichtvölkerrechtssubjekte auch nicht beteiligungsfähig. Sie sind, wie oben dargelegt, in bezug auf die völkerrechtlichen Abkommen Drittbegünstigte, die erst durch das Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestages einen innerstaatlichen Anspruch gegen den deutschen Rentenversicherungsträger auf Mitberücksichtigung der ausländischen Vertragszeiten bei der Wartezeit erworben haben. Dieser vertragsgesetzliche innerstaatliche deutsche Anspruch des Wanderarbeitnehmers (Hinterbliebenen) gegen den deutschen Rentenversicherungsträger unterscheidet sich in nichts von einem Anspruch, der dem Wanderarbeitnehmer (Hinterbliebenen) aus einem sonstigen deutschen Gesetz gegen den deutschen Rentenversicherungsträger zusteht. Ihm haftet keine völkerrechtliche Bilateralität an. Im übrigen ist das "Zusammenrechnen" von Zeiten nur ein rechnerischer Vorgang. Dagegen besagt die "Berücksichtigungsfähigkeit" oder "Anrechnungsfähigkeit" einer Vertragszeit, daß sie nicht anders als eine deutsche Versicherungszeit nach §§ 1249 Satz 1, 1250 RVO wartezeitstützend zur abschließenden Zusammenrechnung zur Verfügung steht. Bei der Ermittlung der für die Wartezeit zu berücksichtigenden ausländischen Vertragszeiten findet nur eine abschließende Zusammenrechnung statt; eine Zusammenrechnung zunächst mehrerer "Vertragszeiten", sodann gesondert von Zeiten nach §§ 1250 Abs 1 Buchst a, 1250 Abs 1 Buchst b iVm 1251 Abs 1 Nr 1 bis 6 RVO, §§ 15, 16 FRG usw ist unzulässig. Jede berücksichtigungsfähige, anrechnungsfähige Zeit hat in bezug auf ihre Fähigkeit, in die innerstaatliche deutsche Wartezeit einzugehen, die gleiche rechtliche Qualität. Es ist daher ohne rechtlichen Belang, daß sich die beteiligten Staaten bei Abschluß eines bilateralen Abkommens über Rentenversicherung - sinnvoll - auf Zeiten zu beschränken pflegen, die die begünstigten Wanderarbeitnehmer (Hinterbliebenen) in einem der beiden Vertragsstaaten zurückgelegt haben (vgl zB Art 25 Abs 1 Satz 1 iVm Art 2 Abs 1 Nr 1 und Nr 2, jeweils Buchst c, und Abs 2 des deutsch-jugoslawischen Abkommens aaO).
Daß die zuletzt genannte Bestimmung des deutsch-jugoslawischen Abkommens (Art 2 Abs 2) und inhaltlich ähnliche in anderen Abkommen - nach ihnen sind "Rechtsvorschriften, die sich aus zwischenstaatlichen Verträgen mit dritten Staaten... ergeben..., soweit sie nicht Versicherungslastregelungen enthalten, im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten nicht zu berücksichtigen" (Art 2 Abs 3 des deutsch-österreichischen Abkommens) - einer "multilateralen" Zusammenrechnung verschiedener ausländischer Versicherungszeiten mit deutschen Zeiten nicht im Wege stehen, ist auch schon in früheren Entscheidungen des BSG (vgl insbesondere SozR 2200 § 125O Nr 11 S 11 ff, ferner BSGE 34, 90, 92 ff) zutreffend ausgeführt worden. Denn Zweck dieser Bestimmungen ist lediglich - entsprechend dem völkerrechtlichen Grundsatz, daß kein Staat ohne seine Zustimmung durch Verträge zwischen anderen Staaten, an denen er nicht beteiligt ist, belastet werden darf (vgl Verdross-Simma aaO, 383, 386) -, die Belastung eines Vertragsstaates durch vom anderen Vertragsstaat mit dritten Staaten abgeschlossene Abkommen zu verhindern; eine Ausnahme gilt nur, wenn der andere Vertragsstaat durch ein Abkommen mit einem dritten Staat Versicherungszeiten, die nach dessen Recht zurückgelegt sind, in die eigene Versicherungslast übernimmt. Von dieser - ausdrücklich geregelten - Ausnahme abgesehen, soll kein Vertragsstaat den anderen durch Verträge mit dritten Staaten belasten dürfen. Nicht gehindert ist dagegen durch die genannten Bestimmungen ein Vertragsstaat, durch von ihm selbst abgeschlossene weitere Abkommen mit dritten Staaten die Anrechenbarkeit der in diesen Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb eines Rentenanspruchs in der eigenen Versicherung zu regeln.
Ob eine "multilaterale" Zusammenrechnung verschiedener ausländischer Versicherungszeiten mit deutschen Zeiten in den Abkommen der Bundesrepublik Deutschland mit ausländischen Staaten wirksam ausgeschlossen werden könnte, braucht der GS nicht zu entscheiden. Das gilt insbesondere für etwaige bilaterale Bestimmungen, in denen für die Erfüllung der Wartezeit eine Zusammenrechnung der jeweiligen ausländischen Zeiten mit deutschen Zeiten ausdrücklich davon abhängig gemacht würde, daß allein schon durch die "bilaterale" Zusammenrechnung nach diesem Abkommen die Wartezeit erfüllt ist. Keines der hier anzuwendenden Abkommen enthält für die fragliche Zeit eine einschränkende Bestimmung dieser Art.
Auch der im Völkervertragsrecht entsprechend der Interessenlage der Vertragspartner in der Regel vorauszusetzende und deshalb bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge zu beachtende Grundsatz der Gegenseitigkeit kann nicht dazu führen, daß sich mehrere vertragsgesetzliche Ansprüche eines Wanderarbeitnehmers (Hinterbliebenen) auf Mitberücksichtigung ausländischer Vertragszeiten bei der Wartezeit einer abschließenden Zusammenrechnung durch den deutschen Versicherungsträger entzögen. Darauf zu achten, daß das Prinzip der Gegenseitigkeit beim Abschluß einer zweiseitigen völkerrechtlichen Vereinbarung und der darin von beiden Seiten übernommenen Verpflichtungen gewahrt ist, ist Sache der vertragschließenden Staaten. Ergibt mithin die Auslegung eines von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Sozialversicherungsabkommens - wie bei den hier in Rede stehenden Abkommen -, daß dieses Abkommen eine "multilaterale" Zusammenrechnung ausländischer und deutscher Versicherungszeiten durch den deutschen Versicherungsträger nicht ausschließt, dann hat auch der das jeweilige Abkommen auslegende und anwendende deutsche Richter davon auszugehen, daß die getroffene Abkommensregelung dem Grundsatz der Gegenseitigkeit der beiderseits übernommenen Verpflichtungen entspricht. Im übrigen würde der Bruch einer - im Verhältnis der Gegenseitigkeit stehenden - Verpflichtung durch einen der Vertragsstaaten die dafür im Völkerrecht vorgesehenen Sanktionen auslösen; zB könnte dies Grund für eine Kündigung auch solcher innerstaatlicher Vertragsregelungen sein, durch die Einzelpersonen begünstigt werden. Mindestens bis zu einer etwaigen Aufhebung solcher Vertragsbestimmungen gilt jedoch das deutsche, zugunsten der Wanderarbeitnehmer (Hinterbliebenen) einklagbare, öffentlich-rechtliche Leistungsansprüche begründende "Zustimmungsgesetz" für die Beziehung zwischen Wanderarbeitnehmern (Hinterbliebenen) und deutschen Rentenversicherungsträgern wie jedes andere deutsche Gesetz fort. "Soweit Rechte des einzelnen in einem transformierten Abkommen begründet sind, kann die innerstaatliche Anwendung dieses Abkommens ... nicht davon abhängig gemacht werden, daß auch die anderen Vertragspartner ihren Verpflichtungen nachkommen" (v. Maydell in VSSR 1973, 347, 354).
Das Ergebnis dieser rechtlichen Überlegungen befriedigt vor allem im Hinblick auf den gemeinsamen Zweck der zwischenstaatlichen Regelungen und der übernationalen Normen auf dem Gebiet der sozialen Sicherung (vgl die Verordnungen Nr 1408/71 und 574/72 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft). Alle diese Regelungen bezwecken nämlich, die Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer in sozialer Hinsicht abzusichern, insbesondere ihr Recht, in jeden der beteiligten Staaten einzureisen und dort (versicherungspflichtig) zu arbeiten. Wie sehr dabei die Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer von einer zwischen- oder übernationalen Regelung speziell auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung abhängt, zeigen folgende Erwägungen:
Alle Staaten, die von solchen zwischen- oder übernationalen Vorschriften erfaßt werden, haben ein mehr oder weniger ausgebautes System der gesetzlichen Rentenversicherung zum Zweck der Sicherung vor allem der Arbeitnehmer vor den Lebensrisiken der Invalidität, des Alters und - zugunsten der Hinterbliebenen - des Todes. Verlegt nun ein Wanderarbeitnehmer aufgrund der ihm durch völkervertragliche Abmachungen eingeräumten Freizügigkeit seinen Aufenthaltsort in einen anderen Staat, so scheidet er aus dem System der gesetzlichen Rentenversicherung des Staates, den er verlassen hat, aus, soweit dieses System aufgrund der Gebietshoheit des betreffenden Staates mit Versicherungs- und Beitragspflicht verknüpft ist. Da die gesetzliche Rentenversicherung aller hier in Betracht kommenden Staaten die wirksame Zurücklegung von Pflichtbeitragszeiten nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern allein an die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auf dem Gebiet des jeweiligen Staates bindet ("Territorialitätsprinzip", vgl zB § 3 SGB 4), legt der Wanderarbeitnehmer nach Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Zuzugsstaat wiederum Pflichtbeitragszeiten zurück, die ihrerseits unter dem Einfluß der Gebietshoheit dieses Staates nur dort wirksam, dh anrechenbar sind (vgl hierzu auch Hennig, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbands, Bd XXIV, 25, 27).
Dem Grundsatz nach hat nunmehr der Wanderarbeitnehmer aus den aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung oder Tätigkeit in jedem Staat zurückgelegten Versicherungszeiten eine Rentenanwartschaft gegen den Träger jedes dieser Staaten. Indessen wehren die meisten Einzelstaaten Ansprüche aus nur kurzen Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit, wie sie Wanderarbeitnehmer nicht selten zurücklegen, als "schlechte Versicherungsrisiken" ab, indem sie den Rentenanspruch nach Eintritt des Versicherungsfalls zusätzlich davon abhängig machen, daß der Versicherte ihrem Versicherungssystem eine bestimmte, nicht zu kurze Zeit kraft Versicherungspflicht angehört hat (sog Wartezeit, vgl die bereits zitierten Vorschriften der §§ 1246 Abs 3, 1247 Abs 3, 1248 Abs 7 Satz 2, 1263 Abs 2 RVO). Hiernach ist die dem Versicherten verliehene Freizügigkeit mit dem einschneidenden sozialrechtlichen Nachteil verbunden, daß aufgrund seiner Beschäftigung in mehreren Staaten eine Mehrzahl kleiner, die Wartezeit nicht erreichender, einzelstaatlich gebundener Versicherungszeiten vorliegt, die aber jede für sich einen einzelstaatlichen Rentenanspruch nicht begründet. Das ist, wie der anrufende 4. Senat zutreffend hervorgehoben hat, sozialpolitisch im hohen Maße unerwünscht (vgl dazu auch Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Juli 1964 in EuGH-Rechtsprechung X, 1215, 1231 ff).
Dieses Ergebnis zu vermeiden, ist der Zweck der vorbezeichneten Bestimmungen der von der Bundesrepublik mit mehreren ausländischen Staaten abgeschlossenen zweiseitigen Verträge ua auf dem Gebiet der Rentenversicherung. Sie ermöglichen nämlich den Erwerb eines Teilrentenanspruchs gegen den einzelstaatlichen Versicherungsträger auch aus nur kurzen bei ihm zurückgelegten Versicherungszeiten, sofern die Dauer dieser Versicherungszeiten bestimmte Mindestgrenzen überschreitet (Ausschluß von bereits erwähnten "Miniversicherungszeiten"). Die genannten Vertragsbestimmungen fingieren damit - durch Gleichstellung der ausländischen mit den jeweiligen innerstaatlichen, die Wartezeit stützenden Versicherungszeiten - eine Aufhebung der territorialen Grenzen zwischen den Vertragsstaaten, die der Versicherte während seines Arbeitslebens "durchwandert" hat, so daß für die Erfüllung der Wartezeit gleichsam ein einheitliches Territorium ohne nationalstaatliche Abgrenzungen besteht. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß der Wanderarbeitnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalles aus allen Versicherungszeiten - wenn auch in Form mehrerer "Teilrenten" gegen die Träger verschiedener Staaten - Rentenansprüche erwirbt, die sein ganzes Versicherungs- und Arbeitsleben widerspiegeln und damit alles umfassen, was er sich durch seine Arbeits- und Beitragsleistung lebenslang rentenrechtlich erdient hat.
Der so ermittelte Normzweck aller einschlägigen Vertragsbestimmungen läßt es nicht zu, dem Wanderarbeitnehmer (Hinterbliebenen) für den Erwerb eines innerstaatlichen Teilrentenanspruchs die Vergünstigung einer dieser Bestimmungen vorzuenthalten. Der Normzweck spricht vielmehr eindeutig für die gleichzeitige Berücksichtigung aller begünstigenden Vertragsbestimmungen, weil der deutsche Gesetzgeber durch den Erlaß jedes neuen Vertragsgesetzes den sozialrechtlichen Status der Wanderarbeitnehmer (Hinterbliebenen) verbessern will.
Keiner Prüfung des GS bedarf es, ob etwa nach "multilateraler" Zusammenrechnung von Versicherungszeiten weitere Rechtsfragen, etwa für die Bestimmung der Rentenhöhe zu beantworten wären; denn derartige Folgefragen sind vorliegend nicht entscheidungserheblich. Sie können auch im übrigen nicht die Frage berühren, ob die Wartezeit erfüllt ist oder nicht.
Zur Entscheidung über Ansprüche von Wanderarbeitnehmern auf Gewährung einer deutschen Teilrente aus den in der deutschen Angestellten- und in der deutschen knappschaftlichen Rentenversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten sind die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und die Bundesknappschaft als bundesunmittelbare Versicherungsträger "alleinzuständig". Dagegen kann der Umstand, daß in der Bundesrepublik mehrere Landesversicherungsanstalten - für das Gebiet eines Landes oder für sonstige Gebietsteile - bestehen (§ 1326 RVO), bei der verwaltungsmäßigen Durchführung zweiseitiger Sozialversicherungsabkommen gewisse Schwierigkeiten bedingen. Einzelne die Rentenversicherung der Arbeiter betreffende Abkommen enthalten nämlich die Abrede, daß ihre Durchführung in der Bundesrepublik einer bestimmten LVA als "Vertrags-Verbindungsstelle" übertragen ist (vgl dazu BSGE 51, 5, 7 ff). Hiernach können an der Bearbeitung eines Rentenanspruchs des Wanderarbeitnehmers mehrere LVAen beteiligt sein. Die Vertragspartner haben nicht hinreichend beachtet, daß von deutscher Seite nach deutschem Recht - einschließlich der Vorschriften aller einschlägigen Vertragsgesetze - der einheitliche Anspruch eines Wanderarbeitnehmers auf deutsche Teilrente einer einheitlichen und abschließenden "Gesamtentscheidung" durch Verwaltungsakt zugeführt werden muß. Der Verwaltungsakt (Rentenbescheid) des deutschen Rentenversicherungsträgers muß nämlich auch in einem Fall der hier zu entscheidenden Art den vom Wanderarbeitnehmer (Hinterbliebenen) angemeldeten Anspruch auf Gewährung einer deutschen Teilrente aus den in der Bundesrepublik zurückgelegten Versicherungszeiten - als Ergebnis des von dem Träger gesetzmäßig durchgeführten Verwaltungsverfahrens - abschließend und mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit "regeln" (vgl zB Hauck/ Haines, SGB X K § 31 RdNr 20).
Hiernach muß in den Fällen, in denen in mehreren, denselben Wanderarbeitnehmer (Hinterbliebenen) begünstigenden völkerrechtlichen Abkommen verschiedene deutsche Rentenversicherungsträger für zuständig erklärt worden sind, im Wege der Rechtsfortbildung eine abschließende "Zuständigkeit" eines deutschen Trägers zur Gesamtentscheidung bestimmt werden. Der GS schließt sich daher dem 1. Senat aaO mit der Änderung an, daß in diesen Fällen nicht die zuletzt, sondern die von dem Wanderarbeitnehmer (Hinterbliebenen) zuerst angegangene "Verbindungsstelle" zuständig ist. Dieser Vorrang der erstentscheidenden Stelle entspricht der Grundentscheidung des Sozialgesetzbuchs, den Interessen des einzelnen möglichst weit entgegenzukommen und das materielle Recht nicht an formalen Schwierigkeiten scheitern zu lassen (vgl §§ 2 Abs 2, 16, 33 SGB 1). Dieser Vorrang fügt sich vor allem auch in die Entscheidung des Gesetzgebers ein, Zuständigkeitsfragen grundsätzlich nicht zu Lasten des Leistungsberechtigten auszutragen (vgl § 43 Abs 1 SGB 1).
Hiernach könnten mehrere ausländische Versicherungszeiten nach mehreren denselben Versicherten (Hinterbliebenen) begünstigenden Vertragsgesetzen nur dann nicht zur abschließenden "Zusammenrechnung" durch den zur Gesamtentscheidung berufenen deutschen Rentenversicherungsträger zur Verfügung stehen, wenn eine Norm des innerstaatlichen deutschen Rechts - auch eine in innerstaatliches Recht transformierte Bestimmung eines völkerrechtlichen Abkommens - ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmte. Dies ist indessen, wie schon ausgeführt, nicht der Fall. Ob die Ergänzung der Ziffer 2 des Schlußprotokolls zum deutsch-österreichischen Vertrag in Art I Nr 13 des Dritten Zusatzabkommens vom 29. August 1980 (BGBl 1982 II 414) - Einfügung eines neuen Buchst d (keine Berücksichtigung anderer Abkommen) - eine solche abweichende Regelung enthalten könnte, läßt der GS offen. Diese Ergänzung des Schlußprotokolls ist erst am 1. Juli 1982 in Kraft getreten (BGBl 1982 II, 748). Da im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung auf einen Leistungsanspruch - soweit nicht ausdrücklich oder schlüssig anderes bestimmt ist - dasjenige Recht anzuwenden ist, das im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles galt, ist das genannte Zusatzabkommen hier nicht anwendbar (vgl dazu zB BSGE 44, 231, 232 = SozR 2200 § 1236 Nr 3; BSGE 45, 213, 214 = SozR 2200 § 182 Nr 29; SozR 2200 § 182 Nr 85 und ständige Rechtsprechung).
Fundstellen