Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag, der Klägerin für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Dezember 2021 vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt im zugrunde liegenden Rechtsstreit die Gewährung einer Regelaltersrente.
Die am 1.7.1946 geborene Klägerin war vom 12.9.1966 bis zum 19.5.1978 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem hat sie ihren Wohnsitz wieder in der Türkei. Die Versicherungsbeiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung wurden ihr erstattet (Bescheid vom 1.9.1978).
Auf Antrag der Klägerin stellte die Beklagte die Zeit vom 1.10.1968 bis zum 28.2.1969 als Kindererziehungszeit für den Sohn C1 und die Zeit vom 1.8.1970 bis zum 31.1.1972 als Kindererziehungszeit für den Sohn F (Name inzwischen geändert zu: C2) fest (Bescheid vom 11.2.2020). Die Zeit vom 1.3.1969 bis zum 31.3.1970 sei nicht als Kindererziehungszeit vorzumerken, weil nach dem Ergebnis der angestellten Ermittlungen, ua einer Auskunft der Klägerin, C1 in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei, während die Klägerin sich weiterhin in Deutschland aufgehalten habe.
Bereits mit Schreiben vom 24.10.2019 hatte die Klägerin Regelaltersrente beantragt und vorgebracht, sie habe beide Söhne über fünf Jahre in Deutschland erzogen. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag wegen Nichterfüllung der allgemeinen Wartezeit ab (Bescheid vom 21.2.2020; Widerspruchsbescheid vom 27.1.2021). Die dagegen erhobene Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 11.8.2021). In dem von der Klägerin angestrengten Berufungsverfahren hat das LSG mit Schreiben vom 4.11.2021 auf die Absicht hingewiesen, die Berufung nach § 153 Abs 4 SGG als unbegründet zurückzuweisen. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 17.12.2021 einen Rechtsbehelf gegen das Anhörungsschreiben eingelegt, der vom Senat verworfen worden ist (Beschluss vom 9.6.2022 - B 5 R 8/22 AR). Die Berufung der Klägerin hat das LSG mit Beschluss vom 16.12.2021 zurückgewiesen. Die Klägerin könne die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (60 Monate) nur aufgrund der Kindererziehungszeiten erfüllen, die als Beitragszeiten gelten würden. Es seien jedoch lediglich 47 Monate an Kindererziehungszeiten anerkannt. Aus dem deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen ergebe sich nichts Abweichendes, weil die Klägerin keine Beitragszeiten in der türkischen Rentenversicherung zurückgelegt habe.
Die Berufungsentscheidung ist der Klägerin spätestens am 20.1.2022 zugestellt worden. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat sie mit Schreiben vom 20.1.2022 sinngemäß Beschwerde zum BSG eingelegt. Zudem hat sie mit Schreiben vom 7.3.2022 Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Eine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen hat sie vorgelegt.
II
1. Der PKH-Antrag der Klägerin ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für ein Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die von der Klägerin angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde hat keine solchen Erfolgssausichten. Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn einer der dort abschließend genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin nicht ersichtlich, dass ein vor dem BSG zugelassener Bevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) das Vorliegen eines Zulassungsgrunds erfolgreich geltend machen könnte.
a) Es ist nach Aktenlage nicht ersichtlich, dass eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfolgreich geltend gemacht werden könnte. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Derartige Rechtsfragen sind nicht erkennbar. Es ergibt sich aus dem Gesetz, dass ein Anspruch auf Regelaltersrente die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren voraussetzt (§ 35 Satz 1 Nr 2 iVm § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) und dass hierauf die Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet werden (§ 51 Abs 1 SGB VI). Hierzu zählen die Monate mit den als Pflichtbeitragszeiten ausgestalteten Kindererziehungszeiten (vgl § 55 Abs 1 Satz 1 iVm §§ 56 Abs 1 Satz 1, 2 Nr 1, 177 Abs 1 SGB VI). Dem Gesetz lässt sich auch entnehmen, dass die Anrechnung einer Kindererziehungszeit für einen Elternteil voraussetzt, dass die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht (§ 56 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB VI). Im Zusammenhang mit der hier allein in Betracht kommenden Erziehung im Inland ist anerkannt, dass der Elternteil, der die Anrechnung der Erziehungszeit begehrt, und das Kind sich während des fraglichen Zeitraums beide im Inland aufgehalten haben müssen (vgl zB Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 56 RdNr 52, Stand der Einzelkommentierung V/19). Dieses Erfordernis wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt, die lediglich geltend macht, sie habe beide Kinder in Deutschland erzogen. Die darin liegende Rüge, die angegriffene Entscheidung sei inhaltlich unrichtig, vermöchte eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache von vorneherein nicht zu begründen (vgl zB BSG Beschluss vom 4.3.2021 - B 5 R 308/20 B - juris RdNr 7).
b) Ebenso wenig ist nach der Aktenlage zu erkennen, dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) vorliegt. Die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.
c) Schließlich weist in den vorliegenden Akten nichts auf das Vorliegen eines entscheidungserheblichen Verfahrensmangels hin, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Indem das LSG im Beschlusswege über die Berufung der Klägerin entschieden hat, hat es von einer in § 153 Abs 4 Satz 1 SGG gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht. Es spricht nichts dafür, dass eine solche Verfahrensweise hier ermessensfehlerhaft gewesen sein könnte. Das LSG hat die Klägerin auch mit gerichtlichem Schreiben vom 4.11.2021 nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG zu der beabsichtigten Verfahrensweise angehört und sie auf die beabsichtigte Berufungszurückweisung hingewiesen. Zwar ist die der Klägerin darin gesetzte Frist zur Äußerung bis zum 15.12.2021, was sechs Wochen ab Fertigung des Anhörungsschreibens entsprochen hat, in diesem Einzelfall möglicherweise zu kurz gewesen. Ausweislich der Mitteilung der Deutschen Post ist das Anhörungsschreiben erst am 3.12.2021 am Wohnort der Klägerin in der Türkei zugestellt worden. Dieser sind daher weniger als zwei Wochen zur Abgabe einer Äußerung verblieben (vgl dazu, dass die Äußerungsfrist in der Regel zwei Wochen zuzüglich der Postlaufzeiten nicht unterschreiten darf, wenn das Berufungsgericht wie hier im Anhörungsschreiben ein bestimmtes Datum vorgibt, BSG Beschluss vom 12.2.2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 15). Gleichwohl ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin die erstrebte Revisionszulassung auf die darin möglicherweise liegende Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör (§ 62 Halbsatz 1 SGG; Art 103 Abs 1 GG) stützen könnte.
Eine nicht in jeder Hinsicht ordnungsgemäß durchgeführte Anhörung nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG stellt eine Gehörsverletzung dar, deren Kausalität für die angegriffene Entscheidung allerdings nicht zu unterstellen ist (vgl zuletzt BSG Beschluss vom 9.4.2021 - B 13 R 276/20 B - juris RdNr 8 mwN). Eine unvollkommen formulierte Anhörungsmitteilung lässt die in § 153 Abs 4 Satz 1 SGG festgelegten Voraussetzungen für die Befugnis des Berufungsgerichts, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, nicht zwangsläufig entfallen. Davon kann nur dann die Rede sein, wenn der Fehler den Betroffenen an Vorbringen gehindert hat, welches das Berufungsgericht hätte veranlassen müssen, von einem Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG Abstand zu nehmen (vgl BSG Beschluss vom 12.2.2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 19; BSG Beschluss vom 18.7.2019 - B 13 R 259/17 B - juris RdNr 14). Weder der Akteninhalt noch das Vorbringen der Klägerin vor dem BSG bieten Anhaltspunkte für Vortrag, der die Vorgehensweise oder die Entscheidung des LSG hätte in Frage stellen können. Insbesondere wäre es kein neuer oder vertiefter Vortrag gewesen, wenn die Klägerin geltend gemacht hätte, ihre Söhne insgesamt fünf Jahre in Deutschland erzogen zu haben. Dies hat sie seit der Stellung ihres Rentenantrags durchgehend vorgebracht. Auch in ihrem Schreiben vom 17.12.2021, mit dem sie gegenüber dem LSG "Widerspruch" gegen die Anhörungsmitteilung eingelegt hat, hat sie dies lediglich wiederholt.
2. Die von der Klägerin bereits selbst eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG vom 16.12.2021 ist unzulässig. Sie ist daher durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG). Die Beschwerde entspricht schon nicht der gesetzlich geforderten Form, weil sie nicht von einem vor dem BSG zugelassenen Bevollmächtigten (§ 73 Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1 SGG) eingereicht worden ist.
3. Die auf die Beschwerde bezogene Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Düring Hahn Hannes
Fundstellen
Dokument-Index HI15320194 |