Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarverteilungsmaßstab ist irrevisibles Recht. grundsätzlichen Bedeutung einer außer Kraft getretenen Rechtsvorschrift
Orientierungssatz
1. Beim Honorarverteilungsmaßstab handelt es sich um irrevisibles Recht; diesbezügliche Fragen können grundsätzlich nicht revisionsgerichtlich geklärt werden (§ 162 SGG). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist deshalb nicht dargetan, wenn die Beschwerdebegründung eine Frage irrevisiblen Rechts als klärungsbedürftig bezeichnet (vgl BSG vom 15.10.1975 11 BA 88/75 = SozR 1500 § 160 SGG Nr 10.
2. Eine außer Kraft getretene Rechtsvorschrift kann in der Regel keine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfen (vgl BSG vom 28.11.1975 12 BJ 150/75 = SozR 1500 § 160a Nr 19). Dem Erfordernis, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen, kann die Beschwerdebegründung in solchen Fällen nur dann genügen, wenn sie auch Angaben enthält, denen zu entnehmen ist, daß an der Klärung der Rechtsfrage noch ein allgemeines Interesse besteht.
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 1, § 162; RVO § 368f Abs 1
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 10.12.1987; Aktenzeichen L 5 Ka 11/87) |
Gründe
Der Kläger ist als Internist, Kardiologe und Sportarzt zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen. Seine Honorarforderungen für die Quartale IV/1985 und I/1986 kürzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) gemäß § 6 Abschnitt 5 ihres am 12. Juni 1985 für die Zeit vom 1. Oktober 1985 bis zum 30. Juni 1986 beschlossenen Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) insgesamt um rund DM 56.360,--. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) sah die Regelung zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit einzelner Kassenärzte eine gestaffelte Kürzung der Honorarforderung vor, soweit diese über einen bestimmten Grenzbetrag hinausging; bei Ärzten, die die Ausgangsfallzahl ihrer Fachgruppe (= um 50 % erhöhte durchschnittliche Fallzahl) überschritten, bestand der volle Honoraranspruch nur bis zu dem Betrag, der sich aus der Multiplikation der Ausgangsfallzahl mit dem Fallwert der Fachgruppe ergab; überschritt ein Arzt auch den Fallwert seiner Fachgruppe, wurde der Berechnung sein eigener Fallwert zugrunde gelegt, höchstens jedoch der Fachgruppen-Fallwert zuzüglich 20 %.
Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Beklagte - entsprechend einer Anregung von seiten des Gerichts - den Honoraranspruch des Klägers unter Berücksichtigung der Regelungen eines früher geltenden HVM neu berechnet. Dadurch ergab sich eine Herabsetzung der Kürzungen auf insgesamt rund DM 35.380,--. Die Klage gegen diese Neuberechnung hat das LSG abgewiesen.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers. Sie stützt sich auf die Zulassungsgründe Nr 1 und Nr 3 des § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beschwerde ist unzulässig, denn ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Begründung der geltend gemachte Zulassungsgrund dargelegt werden. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (Nr 1 des § 160a Abs 2 SGG) hat sich darauf zu erstrecken, daß eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Klärung bedarf und in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt werden kann sowie daß die Klärung dieser Rechtsfrage von allgemeinem Interesse ist. Die Begründung einer auf einen Verfahrensmangel gestützten Beschwerde (Nr 3 des § 160 Abs 2 SGG) muß genaue Angaben der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben.
Soweit der Kläger Rechtsfragen aufwirft, die sich auf den HVM selbst oder seine Auslegung durch die Verwaltung und die gerichtlichen Vorinstanzen beziehen, können sie seine Beschwerdebegründung nicht stützen. Beim HVM handelt es sich um irrevisibles Recht; diesbezügliche Fragen können grundsätzlich nicht revisionsgerichtlich geklärt werden (§ 162 SGG). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist deshalb nicht dargetan, wenn die Beschwerdebegründung eine Frage irrevisiblen Rechts als klärungsbedürftig bezeichnet (BSG SozR 1500 § 160 SGG Nr 10).
Revisibel ist allerdings die Frage der Vereinbarkeit des HVM mit übergeordnetem Recht, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Revisibel ist daher die Frage des Klägers, ob der hier angewandte § 6 Abschnitt 5 des ab 1. Oktober 1985 gültig gewesenen HVM Ziele verfolgt hat, die vom Sinn und Zweck des § 368f Abs 1 Satz 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht gedeckt gewesen sind. Diese Frage bezieht sich jedoch auf eine außer Kraft getretene Rechtsvorschrift. Nach den Feststellungen des LSG soll der hier maßgebliche HVM für die Zeit vom 1. Oktober 1985 bis zum 30. Juni 1986 beschlossen worden sein. Dem Senat ist aus anderen Verfahren bekannt, daß die beanstandete Bestimmung des HVM über die der Honorarkürzung zugrunde gelegenen Ausgangszahl (Erhöhung der Durchschnitts-Fallzahl um - nur - 50 %) seit dem 1.Januar 1988 nicht mehr gilt. Eine außer Kraft getretene Rechtsvorschrift kann in der Regel keine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Dem Erfordernis, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen, kann die Beschwerdebegründung in solchen Fällen nur dann genügen, wenn sie auch Angaben enthält, denen zu entnehmen ist, daß an der Klärung der Rechtsfrage noch ein allgemeines Interesse besteht. In der Beschwerdebegründung des Klägers werden dazu keine Ausführungen gemacht.
Soweit der Kläger beanstandet, die Beklagte habe bei der Neuberechnung auf den einige Zeit vor den hier streitbefangenen Quartalen gültig gewesenen HVM idF vom 1. Juli 1978 zurückgegriffen, lassen sich seinen Ausführungen ebenfalls keine revisiblen Rechtsfragen von allgemeinem Interesse entnehmen. Berücksichtigt man die Gründe des Berufungsurteils, so ergibt sich, daß es nur um die Anwendung des HVM geht. Der frühere HVM sei lediglich - zugunsten des Klägers - als Maßstab für die Obergrenze der Kürzungen verwendet worden; der Rückgriff habe sich praktisch auf die Nichtanwendung von zwei der zwischenzeitlich beschlossenen Verschärfungen beschränkt. Diese Rechtsanwendung hat auch tatsächlich zu einer erheblichen Reduzierung des Kürzungsbetrages geführt.
Die Rüge des Klägers zum Verfahrensmangel läuft auf den Vorwurf hinaus, das LSG habe über einen falschen Streitgegenstand entschieden. Der Kläger übersieht jedoch, daß für das LSG nach der Neuberechnung und nachdem der Kläger diese Neuberechnung ausdrücklich in seinen Antrag einbezogen hatte, der Streitgegenstand eben unter Berücksichtigung der Kürzungsreduzierung bestimmt war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen