Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. März 2024 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grads der Behinderung (GdB) von 50 ab April 2017 anstelle des zuletzt zuerkannten GdB von 40.
Das LSG hat den Anspruch wie vor ihm der Beklagte und das SG nach medizinischer Beweiserhebung verneint(Urteil vom 13.3.2024) .
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt, mit der sie als Verfahrensfehler eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs und der Amtsermittlungspflicht durch das LSG geltend macht.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil sie die behaupteten Verfahrensmängel nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat( § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) .
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne( § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) , müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels( § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht.
a) Der Vortrag der Klägerin erfüllt nicht die Darlegungsanforderungen an eine Gehörsrüge.
§ 62 SGG konkretisiert den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör( Art 103 Abs 1 GG) und soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten( § 128 Abs 2 SGG) und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen mit einbezogen wird(vgl BSG Beschluss vom 28.2.2017 - B 9 SB 88/16 B- juris RdNr 9 mwN) . Das Gericht muss jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bietet keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen(vgl BSG Beschluss vom 6.8.2019 - B 9 V 14/19 B- juris RdNr 12; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94-BVerfGE 96, 205- juris RdNr 43) . Er gewährleistet nur, dass ein Beteiligter mit seinem Vortrag "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 GG nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen(vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 4.5.2020 - B 9 SB 84/19 B- juris RdNr 11 mwN) .
Die Klägerin rügt in ihrer Beschwerdebegründung detailliert das Zustandekommen einzelner Feststellungen des angefochtenen Urteils. Zum einen sei das LSG zu Unrecht davon ausgegangen, sie habe umziehen und sich eine eigene Wohnung nehmen können, in der sie sich selbstständig versorge. Ebenso wenig verfüge sie über einen Minijob, weil dieser sich im Nachhinein zerschlagen habe. Zudem sei sie entgegen der Feststellung des LSG auch nicht mehr in der Lage, den Pferdesport auszuüben.
Indes hat das LSG die nach Ansicht der Klägerin unter Verletzung ihres rechtlichen Gehörs getroffenen Feststellungen ausweislich des in Bezug genommenen angefochtenen Urteils aus den im Verfahren eingeholten und damit aktenkundigen Befundberichten, Gutachten und einem von der Klägerin zu den Akten gereichten Kalenderauszug entnommen. Sie behauptet nicht, dass ihr die diesbezüglich im Urteil wiedergegebenen Befundberichte und Gutachten vom LSG zuvor nicht zur Kenntnis gegeben worden seien. Auch legt die Klägerin in ihrer Beschwerde den genauen Inhalt der vom Berufungsgericht zur Darstellung des Sachverhalts zitierten Quellen nicht dar, sondern setzt dagegen lediglich ihre eigenen Tatsachenbehauptungen. Schon deshalb kann der Senat nicht beurteilen, ob die Klägerin zu Recht rügt, das LSG habe ihr kein Gehör zu den vermeintlich unrichtigen Tatsachen gewährt.
Zudem hat die Klägerin nicht dargelegt, dass sie alle prozessualen Möglichkeiten vor dem LSG ausgeschöpft hätte, um die nach ihrer Ansicht falschen Tatsachen, insbesondere in den vom LSG zitierten Befundberichten und Gutachten, die Gegenstand des Verfahrens geworden sind, in dessen Verlauf nach deren Übersendung richtigzustellen und sich so rechtliches Gehör zu verschaffen(vgl BSG Beschluss vom 22.9.2023 - B 9 SB 5/23 BH- juris RdNr 10) .
Soweit die Klägerin sich im Übrigen gegen die Beweiswürdigung des LSG wendet, ist diese gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzogen. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Regelung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts( § 128 Abs 1 Satz 1 SGG) mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden(stRspr; zB BSG Beschluss vom 1.7.2020 - B 9 SB 5/20 B- juris RdNr 10 mwN) .
b) Das Vorbringen der Klägerin verfehlt auch die Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge. Die Klägerin hat bereits keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO bezeichnet.
Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen( § 103 SGG) , muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Dafür ist nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch darzulegen, über welche im Einzelnen bezeichnete Tatsachenbehauptung Beweis erhoben werden sollte und was die Beweisaufnahme ergeben hätte(vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 14.5.2021 - B 9 SB 71/20 B- juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 2.6.2017 - B 9 V 16/17 B- juris RdNr 6, jeweils mwN) .
Darüber hinaus ist in der Sachaufklärungsrüge aufzuzeigen, warum sich das LSG ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu einer weiteren Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Dazu bedarf es der Darlegung, warum das Gericht objektiv gehalten gewesen ist, den Sachverhalt weiter aufzuklären und den beantragten Beweis zu erheben( BSG Beschluss vom 22.9.2022 - B 9 SB 8/22 B- juris RdNr 12 mwN) .
Diese Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerde nicht. Die Klägerin referiert lediglich einen mit Schriftsatz vom 7.6.2021 gestellten Antrag auf Einholung medizinischer Sachverständigengutachten von Fachärzten für Schmerzmedizin, Psychiatrie und Pneumologie zum Vorliegen einer chronischen Schmerzerkrankung sowie zu Gesundheitsstörungen auf fachpsychiatrischem und lungenfachärztlichem Fachgebiet und des dadurch jeweils bedingten Einzel- und Gesamt-GdB. Unabhängig von der Frage, ob damit bereits ein hinreichend genaues Beweisthema benannt war, lässt der von der Beschwerde wiedergegebene Beweisantrag jedenfalls die substantiierte Darstellung vermissen, wieso die davon betroffenen gesundheitlichen Umstände angesichts der bereits vorhandenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand der Klägerin weitere Ermittlungen nötig gemacht haben sollten. Um in der aktuellen Prozesssituation ein Beweisthema für das LSG hinreichend genau zu benennen, hätte sie substantiiert und präzise angeben müssen, warum gerade die im Beweisantrag genannten Punkte weiter aufklärungsbedürftig waren(vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 11.7.2023 - B 9 SB 4/23 B- juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 29.1.2018 - B 9 V 39/17 B- juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 16.2.2017 - B 9 V 48/16 B- juris RdNr 11) .
Daran fehlt es. Entsprechende, in der konkreten Prozesssituation an das LSG gerichtete Angaben über konkrete noch klärungsbedürftige und damit "zu begutachtende Punkte" iS des § 403 ZPO hat die Klägerin nicht bezeichnet. In der Beschwerdebegründung nachgeschobene Gründe können die fehlende Substantiierung des Beweisantrags in der aktuellen Prozesssituation im Berufungsverfahren mangels Warnfunktion für das LSG nicht ersetzen(vgl BSG Beschluss vom 4.11.2021 - B 9 SB 31/21 B- juris RdNr 9; vgl auch BSG Beschluss vom 12.10.2017 - B 9 V 32/17 B- juris RdNr 18) .
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG) .
2. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16638406 |