Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 1992 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerinnen führen den Tod ihres Ehemannes und Vaters H. … K. … am 14. März 1982 auf eine berufliche Asbeststaubeinwirkung zurück. Sie sind mit ihrem Anspruch auf Hinterbliebenenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten zu 1) vom 13. Juni 1985; Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ Köln vom 12. Oktober 1989 – S 16 U 161/85 -und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 1992 – L 17 U 220/89 –). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, bei H. … K. … habe keine Berufskrankheit (BK) vorgelegen; sein tödliches Lungenkrebsleiden sei auch nicht wie eine BK zu entschädigen, weil es an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen schädlichen Einwirkungen des Berufslebens und der Entstehung des Lungenkrebsleidens fehle.
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe iS des § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
I. 1. Ausgehend von der materiell-rechtlichen Meinung des LSG (s Krasney/ Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX RdNr 88 mwN), daß die Beklagte zu 1) in dem angefochtenen Bescheid auch die Waisenrentenansprüche abgelehnt hat, ist es verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, daß das LSG, ohne das Verfahren auszusetzen, auch darüber entschieden hat.
2. Dasgleiche gilt für die Entscheidung des LSG zu den Ansprüchen nach § 551 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Die zahlreichen hochqualifizierten medizinischen Gutachten stützen die Beweiswürdigung des LSG mit gutem Grund dahin, daß der entscheidungserhebliche Sachverhalt ausreichend aufgeklärt ist. Insofern ist das LSG den geltend gemachten Beweisanträgen der Klägerinnen mit hinreichender Begründung nicht gefolgt, wie im folgenden auszuführen sein wird.
3. Dem Hilfsantrag zu 3., eine elektromikroskopische Musterung der vorhandenen Körperpartikel auf Asbestfasern und insbesondere Asbestkörperchen aller Größen, auch diejenigen unter 5 Mikrometer Länge, ist das LSG mit hinreichender Begründung nicht gefolgt. Keiner der gehörten Sachverständigen, insbesondere auch nicht der Pathologe Prof. Dr. O. … und der Arbeitsmediziner Prof. Dr. W. …, haben eine solche Untersuchung für notwendig erachtet, zumal Prof. Dr. W. … ein arbeitsmedizinisch-lungenstaubanalytisches Zusatzgutachten mit Analyse im analytischen Rastertransmissionselektronenmikroskop eingeholt hat. Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, daß die Klägerinnen eine auf eine entscheidungserhebliche Sachverhaltslücke zielende medizinische Stellungnahme vorgewiesen haben, die das LSG hätte drängen müssen, diesem Beweisantrag zu folgen.
4. Da das LSG das arbeitsmedizinische Gutachten Prof. Dr. W. … vom 22. April 1985 für überzeugend hielt, hatte es keinen Grund, das von Prof. Dr. W. … nur vorsorglich anheimgestellte toxikologische Gutachten zusätzlich einzuholen.
5. Die übereinstimmenden Gutachten aller Sachverständigen in diesem Punkt bieten eine hinreichende Grundlage dafür, daß das LSG dem nicht durch eine entsprechende medizinische Stellungnahme gestützten Hilfsantrag zu 5., ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, daß normale Lungen keine 750.000 Asbestfasern, Chrysotil- und Amphibolfasern aufweisen, nicht gefolgt ist.
6. Die Ausführungen zu 5. gelten auch für den Hilfsantrag zu 6., ein zusätzliches Sachverständigengutachten zur Frage nach den medizinischen Kriterien des Vorliegens einer Minimalasbestose einzuholen, für die nach der Beschwerdebegründung dem LSG keine entsprechende medizinische Stellungnahme vorgelegt worden ist. Insoweit liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auch nicht vor.
7. Das LSG brauchte sich nicht gedrängt zu fühlen, dem Hilfsantrag zu 7., nämlich die Akten über einen im Jahre 1981 entschädigten angeblichen Präzedenzfall beizuziehen, zu folgen, weil die Klägerinnen dazu nicht substantiiert Tatsachen vorgetragen haben, die im vorliegenden Rechtsstreit beweiserheblich sein könnten.
8. Mangels der Voraussetzungen der §§ 239 bis 241 und 245 bis 250 Zivilprozeßordnung iVm § 202 SGG hat das LSG nicht verfahrensfehlerhaft gehandelt, als es dem Aussetzungsantrag zu 8. nicht gefolgt ist.
9. Die Beklagte ist im vorliegenden Rechtsstreit ordnungsgemäß vertreten, wie das LSG zutreffend in dem angefochtenen Urteil dargelegt hat.
10. Im übrigen haben die Beschwerdeführerinnen die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und ein faires Verhalten nicht schlüssig dargelegt.
II. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG kann einer Rechtssache nur dann zukommen, wenn sie eine Rechtsfrage birgt, die in dem angestrebten Revisionsverfahren erheblich sein würde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 39). Daran fehlt es den von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten Fragen.
Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil folgende tatsächliche Feststellungen getroffen, ohne daß dagegen zulässige und begründete Verfahrensrügen vorgebracht worden sind (§ 163 SGG):
Der Verstorbene hat nicht an einer Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) gelitten. Das ist schon im medizinischen Sinne ausgeschlossen. Sowohl die röntgenologische als auch die histologische Untersuchung hat keine entsprechenden Befunde, auch nicht iS einer Minimalasbestose, ergeben. Histologisch haben sich überhaupt keine Asbestkörperchen finden lassen. Keiner der gehörten medizinischen Sachverständigen hat diese röntgenologischen und histologischen Befunde als Beweise dafür in Zweifel gezogen, daß keine Asbestose vorliegt.
1. Angesichts dieser tatsächlichen Feststellungen kommt allen von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten Fragen keine grundsätzliche Bedeutung zu, die auf die Voraussetzungen einer Asbestose zielen. Denn wenn schon keine Asbeststaublungenerkrankung im medizinischen Sinne vorliegt, folgt zwangsläufig, daß auch keine solche Erkrankung iS der Nrn 4103 und 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) vorliegen kann. Deshalb können alle darauf ausgerichteten Fragen in dem beabsichtigten Revisionsverfahren nicht mehr erheblich sein.
2. Das LSG hat ebenfalls iS des § 163 SGG bindend festgestellt, daß der Verstorbene als Elektriker nicht zu einer Berufsgruppe gehörte, die typischerweise durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung Asbeststaubeinwirkungen ausgesetzt war. Er könnte zwar maximal 62 Monate lang einer beruflichen Asbeststaubeinwirkung ausgesetzt gewesen sein, aber sein Lungen- und Pleurabefund haben keine Hinweise auf eine besondere, als Ursache für das tödliche Lungenkarzinom in Betracht kommende Asbeststaubexposition ergeben. Die röntgenologischen, histologischen und elektronenmikroskopischen Untersuchungen haben sämtlich nur den Befund einer normalen Lunge ergeben, wie er auch ohne derartige berufliche Asbeststaubexposition in der übrigen Bevölkerung vorkommt. Es besteht somit kein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Lungenkarzinom und der beruflichen Asbeststaubexposition. Demgegenüber hat das LSG auf der anderen Seite festgestellt, daß der Verstorbene starker Raucher gewesen ist, der mit 19 Jahren zu rauchen begonnen hatte. Angesichts dieser bindenden tatsächlichen Feststellungen haben die übrigen geltend gemachten Fragen ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung.
a) Die Frage, ob eine krebsverursachende Asbeststaubeinwirkung prima-facie bewiesen sein kann, vermag in dem beabsichtigten Revisionsverfahren nicht mehr erheblich zu sein, nachdem das LSG aufgrund von medizinischen Befunden das Gegenteil als nachgewiesen festgestellt hat.
b) Die Frage nach den Kriterien eines Normallungenbefundes ist von tatsächlicher medizinischer Art und kann wegen der entsprechenden bindenden tatsächlichen Feststellungen in dem beabsichtigten Revisionsverfahren nicht mehr erheblich sein.
c) Angesichts der Feststellungen des LSG, daß zwischen dem Lungenkarzinom und der beruflichen Asbeststaubeinwirkung kein ursächlicher Zusammenhang bestand und eine Asbestose fehlte, kann die Frage nach der Beweisregel in der Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO in dem beabsichtigten Revisionsverfahren nicht mehr erheblich sein.
d) Die Frage nach der Zahl der Asbestjahre als Voraussetzung für eine Entschädigung eines Lungenkrebses ohne Asbestose nach § 551 Abs 2 RVO ist eine Frage nach neuen medizinischen Erkenntnissen über die Qualität krankheitsverursachender Schadstoffeinwirkungen. Sie kann angesichts der oa Feststellungen des LSG keine grundsätzliche Bedeutung in dem angestrebten Revisionsverfahren haben.
e) Da das LSG anhand der konkreten Befunde einschließlich der elektronenmikroskopischen Staubanalyse festgestellt hat, daß der beruflichen Asbeststaubexposition des Verstorbenen überhaupt keine ursächliche Bedeutung für das Lungenkarzinom zukommt, kann auch die Frage keine grundsätzliche Bedeutung haben, wann eine Asbeststaubexposition, wenn sie Ursache im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ist, neben einer Raucheranamnese eine wesentliche ursächliche Bedeutung iS der gesetzlichen Unfallversicherung erlangt.
f) Die Frage nach der Beurteilung eines asbesttypischen Lungenkrebses hat keine grundsätzliche Bedeutung, da das LSG einen solchen Lungenkrebstyp nicht festgestellt hat.
g) Dasselbe gilt für die Frage nach der Begriffsbestimmung einer Asbeststaublungenerkrankung, da das LSG keine solche Erkrankung festgestellt und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Lungenkrebs und Asbeststaubeinwirkung verneint hat.
h) Auch die Frage nach der ursächlichen Bedeutung eines bestimmten Verhältnisses von Raucheranamnese und Asbeststaubexposition für ein Lungenkarzinom kann in dem beabsichtigten Revisionsverfahren keine grundsätzliche Bedeutung haben, weil das LSG jeglichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Lungenkrebs und beruflicher Asbeststaubexposition verneint hat.
III. Das LSG ist auch nicht von der bezeichneten Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) über die Frage der Wesentlichkeit einer Bedingung abgewichen iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, weil es keinen tragenden Rechtssatz der Art aufgestellt hat, daß nur Bedingungen, die annähernd gleichwertig in ihrer Bedeutung für den Erfolg sind, als wesentliche Mitursachen in Betracht kommen. Vielmehr hat das LSG die haftungsausfüllende Kausalität zwischen beruflicher Asbeststaubeinwirkung und dem Lungenkrebs verneint, weil vor allem die konkret erhobenen Befunde einschließlich der Lungenstaubanalyse überhaupt keinen Anhaltspunkt für eine besondere berufliche krebsverursachende Asbeststaubeinwirkung ergeben haben.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen