Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 18.03.1994; Aktenzeichen L 4 Kr 656/92)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. März 1994 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die Klägerin macht mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) sowie die Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (≪BSG≫ § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und diese Rechtsfrage klärungsbedürftig, also zweifelhaft und klärungsfähig, dh für die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) und die angestrebte Revisionsentscheidung erheblich ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 1). Dies ist darzulegen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Wegen der von der Klägerin dazu im einzelnen aufgeworfenen Fragen kommt der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung entweder nicht zu, oder diese ist schon nicht hinreichend dargelegt.

Wegen der auf S 3 unter 1. a) und b) der Beschwerdebegründung gestellten Fragen kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu. Nach § 24 Abs 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) ist Voraussetzung für die Erhebung von Säumniszuschlägen, daß der Zahlungspflichtige die Beiträge eine Woche nach Fälligkeit noch nicht entrichtet hat. § 28n Nr 2 SGB IV enthält die Verordnungsermächtigung zu regeln, wann Beiträge als eingezahlt gelten und welche Zahlungsmittel verwendet werden dürfen. Damit ist zwangsläufig verbunden, daß der Leistungsort als der Ort, an dem eine Zahlung als erbracht gilt, abweichend vom Sitz des Beitragsschuldners bestimmt werden kann. Ebenso ist damit auch die Ermächtigung verbunden, den Zeitpunkt, an dem Beiträge als eingezahlt gelten, jeweils für die einzelnen zugelassenen Zahlungsformen – Zahlungsmittel nach dem Sprachgebrauch der Verordnung – zu bestimmen. Weder der Umfang der Verordnungsermächtigung noch der Inhalt der in der Beitragszahlungsverordnung (BZVO) aufgrund der Ermächtigung getroffenen Regelungen sind zweifelhaft. Es ist für den Senat auch nicht zweifelhaft und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, daß die BZVO in § 1 Abs 1 nicht den Zahlungseingang in bezug auf die Abführung der Beiträge durch die Einzugsstellen regelt. Die Überschrift des 1. Abschnitts der BZVO und der Wortlaut von § 1 Abs 1 sprechen ausdrücklich den Arbeitgeber als Verpflichteten an.

Soweit die Klägerin auf S 3 unter 1. c) sowie auf S 4 unter a) und b) ihrer Beschwerdebegründung Fragen nach der Zulässigkeit bzw der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit bestimmter Regelungen aufwirft, ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt. Es ist angesichts der genannten Rechtsgrundlagen nicht aufgezeigt und daher für den Senat nicht erkennbar, worin die rechtlichen oder sogar verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die beanstandeten Regelungen bestehen sollen. Das BSG hat bereits entschieden, daß die undifferenzierte Behauptung einer Verfassungswidrigkeit nicht genügt, um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11). Das gilt erst recht, wenn in der Beschwerdebegründung ohne nähere rechtliche Ausführungen lediglich allgemein die rechtliche oder verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Bestimmungen infrage gestellt wird.

Entsprechendes gilt für die auf S 5 unter 2. a) aufgeworfenen Fragen zum Ermessen. Die in den § 24 SGB IV und § 1 BZVO getroffenen Regelungen, in denen bestimmt wird, daß Säumnis bei verspäteter Einzahlung der Beiträge vorliegt und zu welchem Zeitpunkt Beiträge als eingezahlt gelten, sind eindeutig. Weshalb es in diesem Zusammenhang nicht auf die im Gesetz genannten Merkmale für die Feststellung der Säumnis ankommen soll, sondern auf Vorbereitungshandlungen des Schuldners zum Bewirken der Leistung, ist nicht erkennbar. Die Klägerin formuliert in diesem Zusammenhang in ihrer Beschwerde zutreffend, daß für die Feststellung einer Säumnis iS des § 44 Abs 1 SGB IV der in § 1 BZVO festgestellte Tag der Zahlung maßgebend ist. Worauf sich die behaupteten Zweifel angesichts der von ihr selbst zutreffend erkannten und dargestellten Rechtslage gründen, wird aus der Beschwerdebegründung nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der von der Klägerin auf S 5 unter 2. b) und c) genannten Rechtsfragen ist deren Klärungsfähigkeit nicht dargelegt. Die Klägerin nennt gewisse Tatbestandsmerkmale, die ihrer Ansicht nach zweifelhaft erscheinen lassen, ob bei richtiger Ermessensausübung Säumniszuschläge erhoben werden dürfen. Es ergibt sich aus der Beschwerdebegründung jedoch nicht, daß ausschließlich diese genannten Tatbestandsmerkmale für die Erhebung der Säumniszuschläge im vorliegenden Rechtsstreit maßgebend gewesen sind. Ausweislich des angefochtenen Urteils sind im Gegenteil auch andere Tatsachen bei der Entscheidung über die Erhebung der Säumniszuschläge von der Beklagten berücksichtigt worden, zB frühere Zahlungsverzögerungen durch die Klägerin.

Soweit die Klägerin für sich auf S 2 unter a) ihrer Beschwerdebegründung eine Abweichung des LSG von einer Entscheidung des BSG und damit den Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG geltend macht, kann dieses ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Aus der Beschwerdebegründung selbst ergibt sich, daß das Urteil des LSG auf der Anwendung des ab 1989 geltenden neuen Rechts beruht, während das Urteil vom 11. Dezember 1987 (BSGE 63, 1 = SozR 2100 § 24 Nr 4) früheres Recht betraf, das durch § 28n SGB IV und die BZVO abgelöst worden ist.

Aus dieser Entscheidung ergibt sich im übrigen, daß das BSG die damalige Rechtslage für unbefriedigend hielt, soweit diese bei der Beurteilung, ob Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung rechtzeitig entrichtet sind, auf der entsprechenden Anwendung des § 269 BGB beruhte. Dies insbesondere dann, wenn die in § 24 Abs 1 SGB IV vorgesehene einwöchige Schonfrist nach Fälligkeit der Beiträge entgegen ihrem eigentlichen Zweck, kurze „versehentliche” Überschreitungen der Beitragsfälligkeit nicht zugleich mit Säumniszuschlägen zu ahnden, von einzelnen Beitragsschuldnern systematisch dazu genutzt wurde, um den Versicherungsträgern die ihnen zustehenden Beiträge über deren Fälligkeit hinaus vorzuenthalten (vgl BSG aaO S 6). Das BSG hat zur Verhinderung eines solchen Verhaltens ein Tätigwerden des Gesetzgebers für notwendig gehalten. Nunmehr enthält § 28n Nr 2 SGB IV bzw die aufgrund dieser Ermächtigung ergangene BZVO die hierzu vom BSG für notwendig gehaltene Regelung. Nach Ansicht der Klägerin soll es jedoch weiterhin ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber nach Fälligkeit, aber vor Ablauf der Schonfrist, die Zahlung der Beiträge überhaupt erst veranlaßt. Dies läuft darauf hinaus, daß der Senat nunmehr das schon damals mißbilligte Verhalten entgegen dem Wortlaut der angemahnten gesetzlichen Regelung ausdrücklich als fristwahrend und die Säumnis ausschließend billigen soll. Eine Begründung für dieses Ansinnen ist der Beschwerde nicht zu entnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172948

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