Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeitsanforderungen an eine Revisionsbegründung bei Rüge der Verletzung materiellen Rechts
Orientierungssatz
Wird mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts gerügt, muss die Revisionsbegründung sich auch mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen und erkennen lassen, dass und warum das LSG die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts nicht oder nicht richtig angewandt hat. Das erfordert auch eine zumindest kurze Darstellung des entscheidungsrelevanten Lebenssachverhalts (vgl. letztens BSG, 26. Juli 2016, B 4 AS 25/15 R).
Normenkette
SGG § 164 Abs. 2 Sätze 1, 3, § 169 Sätze 2-3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die vom Beklagten fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist nach § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen, weil die Revisionsbegründung vom 17.10.2016 die an sie zu stellenden Zulässigkeitsanforderungen nicht wahrt.
Nach § 164 Abs 2 Satz 1 und 3 SGG ist die Revision nicht nur fristgerecht, sondern unter Einhaltung bestimmter Mindesterfordernisse zu begründen. Die Begründung muss "einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben". Diese gesetzlich festgelegten Anforderungen hat das BSG in ständiger Rechtsprechung präzisiert. Danach muss, wenn mit der Revision - wie hier - die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, in der Begründung dargelegt werden, weshalb eine Vorschrift des materiellen Rechts im angefochtenen Urteil nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Die Angabe der verletzten Rechtsnorm ist notwendig, aber allein noch nicht ausreichend. Vielmehr ist - im Sinne einer erkennbaren und notwendigen Befassung des Revisionsführers mit der angefochtenen Entscheidung - auszuführen, warum die Rechtsansicht der Vorinstanz nicht geteilt wird. Die Revisionsbegründung muss sich deshalb - zumindest kurz - auch mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen und erkennen lassen, dass und warum das LSG die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts nicht oder nicht richtig angewandt hat. Das erfordert auch eine zumindest kurze Darstellung des entscheidungsrelevanten Lebenssachverhalts, weil die Rechtsverletzung das Ergebnis der Anwendung einer fehlerhaft ausgelegten Norm auf den zugrunde liegenden Sachverhalt ist; denn erst das Ergebnis eines Subsumtionsschlusses kann Rechte des in der Vorinstanz unterlegenen Beteiligten "verletzen" (vgl letztens BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 AS 25/15 R - juris RdNr 10 mwN).
Hieran gemessen ist die Revision des Beklagten unzulässig. Die Revisionsbegründung vom 17.10.2016 bezeichnet schon keine verletzte Rechtsnorm. Zudem fehlt jede Angabe zu dem der Entscheidung des LSG zugrunde liegenden Sachverhalt, zu den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung und ein Mindestmaß an Auseinandersetzung hiermit. Hierfür reichen ersichtlich weder die Sätze "Die Vorinstanz geht fehl, wenn hier anhand von Begrifflichkeiten eine künstliche Unterscheidung für denselben Sachverhalt - Zufluss von Zinsen - festzustellen wäre. Denn es kann nach Auffassung des Revisionsklägers keinen Unterschied im Ergebnis geben, ob Einkommen aus 'Einkünften' oder Einnahmen erzielt wird" noch der Bezug auf früheres Vorbringen. Selbst wenn das als ausreichend anzusehen wäre (wie in der Regel nicht, vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 9f), könnte das jedenfalls nicht die gebotene Befassung mit der vorinstanzlichen Entscheidung ersetzen (vgl nur BSG Urteil vom 30.10.2002 - B 1 KR 19/01 R - SozR 3-2400 § 28p Nr 1 S 3 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10448948 |