Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Oktober 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 86 086,30 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die aufgrund einer Betriebsprüfung erhobene Beitragsnachforderung von 86 086,30 Euro für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. und 2. als Gesellschafter-Geschäftsführer der klagenden GmbH in der Zeit vom 1.1.2015 bis zum 29.7.2018.
Die Beigeladenen sind Eheleute und waren zunächst die alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer der klagenden GmbH. Im November 2009 wurden deren beide Töchter zusätzlich zu Geschäftsführerinnen bestellt. Das Stammkapital verteilte sich im streitgegenständlichen Zeitraum zu je 15,75 % auf die Beigeladenen und zu je 34,25 % auf deren Töchter. Im Gesellschaftsvertrag (GV; § 9 Ziffer 2) wurde bestimmt, dass Beschlüsse der Gesellschafterversammlung grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der Stimmrechte gefasst werden; außerdem gewährten danach die von den Beigeladenen gehaltenen Geschäftsanteile unabhängig von ihrem Nennbetrag gemeinsam so viele Stimmen, dass die beiden Gesellschaftern zustehenden Stimmen mindestens 51 %, die den anderen Gesellschaftern zustehenden Stimmen höchstens 49 % der Gesamtstimmenzahl ausmachten. Zudem gab es eine Poolvereinbarung, wonach sich die Beigeladenen verpflichteten, über ihre Anteile nur einheitlich zu verfügen und die Stimmrechte einheitlich auszuüben.
Die Beklagte stellte aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahr 2019 die Versicherungspflicht der Beigeladenen in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung fest und forderte die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen (Bescheide vom 8.10.2019 und 18.2.2020; Widerspruchsbescheid vom 25.3.2020). Das SG hat der Klage hinsichtlich der für die Dauer der Aussetzung von der Beklagten geforderten Verzinsung stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 10.12.2020). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Beigeladenen hätten aufgrund des Erfordernisses einer einfachen Mehrheit zur Beschlussfassung nicht über die zur Annahme von Selbstständigkeit erforderliche Rechtsmacht verfügt. Die Bestimmung in § 9 GV ändere daran nichts. Diese treffe bei objektivierter Auslegung nur eine Aussage über die Stimmanteile im Fall einer konzertierten Abstimmung, schließe eine alleinige Abstimmung aber nicht aus. Erst die außerhalb des GV geschlossene Poolvereinbarung verpflichte zu einer gemeinsamen Stimmabgabe. Diese könne die Rechtsmachtverhältnisse aber nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung verschieben. Zu prüfen sei, wie sich die Rechtsmacht im Fall der Nichteinigkeit gestalte. In diesem Fall könnten die Beigeladenen überstimmt werden. Der klägerische Vortrag, es sei nur eine einheitliche Stimmabgabe der Beigeladenen gewollt gewesen und diese sei tatsächlich auch stets erfolgt, könne als wahr unterstellt werden, so dass es dazu keiner Zeugenvernehmung bedürfe. Darauf komme es ebenso wenig an wie darauf, ob die Beigeladenen "Kopf und Seele" des Unternehmens gewesen seien. Im Übrigen werde die Annahme von Beschäftigung auch durch die weiteren Umstände wie zB die Alleinvertretung oder die Darlehensgewährung nicht widerlegt (Urteil vom 11.10.2022).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht entsprechend § 160a Abs 2 Satz 3 SGG hinreichend bezeichnet.
1. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wird ein Verstoß gegen das Amtsermittlungsprinzip gerügt, ist darzulegen, dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag in der abschließenden mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt, in dem feststand, dass das LSG von sich aus Ermittlungen nicht mehr durchführen würde, bis zuletzt aufrechterhalten oder gestellt worden ist. Ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag muss sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angeben und aufzeigen, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden soll (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 51 f; BSG Beschluss vom 28.5.1997 - 9 BV 194/96 - SozR 3-1500 § 160 Nr 20 S 32 f; BSG Beschluss vom 18.12.2018 - B 12 R 37/18 B - juris RdNr 3). Das LSG muss darauf hingewiesen worden sein, dass der Betroffene die Amtsermittlungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht (BSG Beschluss vom 15.7.2019 - B 12 KR 5/19 B - juris RdNr 12).
Die Klägerin rügt eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG). Das SG wie auch das LSG hätten § 9 GV unzutreffend nach dem Wortlaut und nicht nach dem Willen der Verfasser ausgelegt. Das Wort "gemeinsam" sei von allen Beteiligten so verstanden worden, dass das Stimmrecht von den Beigeladenen auch gemeinsam einheitlich ausgeübt würde. Insoweit seien der handelnde Notar und die Steuerberaterin sowie die Prokuristin als Zeugen benannt worden. Letztere könne auch bestätigen, dass das Stimmrecht im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich stets gemeinsam und einheitlich von den Beigeladenen ausgeübt worden sei. Es bleibe unverständlich, weshalb das LSG trotz Beweisanträgen auf eine Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme des Notars und der Steuerberatung verzichtet habe. Dies sei zweitinstanzlich auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung gerügt worden.
Mit der Formulierung, sie habe die fehlende Beweisaufnahme "gerügt", hat die auch vor dem LSG anwaltlich vertretene Klägerin bereits nicht hinreichend dargetan, welche konkreten prozessordnungsgemäßen Beweisanträge sie bis zuletzt aufrechterhalten und zu Protokoll gestellt hätte. Außerdem setzt sie sich nicht damit auseinander, weshalb sich das LSG auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung (vgl BSG Beschluss vom 31.7.2019 - B 13 R 263/18 B - juris RdNr 5) zu weiterer Sachaufklärung des von den Beteiligten gewollten und tatsächlich durchgeführten Stimmverhaltens hätte gedrängt fühlen müssen. Die Klägerin rügt vielmehr im Kern, das LSG habe eine unzutreffende Auslegung vorgenommen und das Recht falsch angewendet. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 3 mwN).
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Sie stellt im Wesentlichen ihre Rechtsauffassung anhand von behaupteten Kriterien in der Rechtsprechung des BSG und des BGH dar. Sie legt aber keinen konkreten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar, dem das LSG mit einem bestimmten Rechtssatz widersprochen habe. Ihr sinngemäßes Vorbringen, das Berufungsurteil beruhe auf einer Missachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, stellt letztlich eine Subsumtionsrüge dar. Die Behauptung einer unrichtigen Rechtsanwendung kann die Zulassung der Revision aber auch insoweit nicht begründen (vgl zB BSG Beschluss vom 19.7.2022 - B 12 BA 1/22 B - juris RdNr 12).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG und folgt der Festsetzung des LSG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15635401 |