Tenor
Der Antrag des Klägers auf Festsetzung des Gegenstandswerts im Verfahren vor dem Bundessozialgericht wird abgelehnt.
Gründe
Der Kläger betreibt Heime und Ausbildungsstätten für Behinderte. Dazu gehört eine Werkstatt für Behinderte (WfB) mit verschiedenen Zweigwerkstätten iS einer sog Komplexeinrichtung, die bereits 1975 vorläufig als WfB anerkannt worden war. Im November 1980 stellte der Kläger Antrag auf (endgültige) Anerkennung als WfB. Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) anerkannte im Einvernehmen mit dem beigeladenen Landeswohlfahrtsverband die Einrichtung des Klägers als WfB iS des § 55 Abs 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) aF (§ 57 Abs 1 SchwbG nF), verband die Anerkennung jedoch ua mit der Auflage, daß der Grundbetrag des Arbeitsentgelts im Arbeitsbereich mindestens die Höhe der von der BA im Arbeitstrainingsbereich gewährten Leistung haben müsse. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht die Klage abgewiesen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat das erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt. Nach Beendigung des Rechtsstreits haben die Bevollmächtigten des Klägers die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Verfahren vor dem BSG beantragt.
Der Antrag ist abzulehnen. Denn die Voraussetzungen, unter denen eine Festsetzung des Gegenstandswerts erfolgt, sind nicht erfüllt.
Gemäß § 116 Abs 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) erhält der Rechtsanwalt im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit grundsätzlich eine Rahmenpauschgebühr. Die Berechnung seiner Gebühren nach dem Gegenstandswert kommt nur in den in § 116 Abs 2 BRAGebO vorgesehenen Fällen in Betracht. Nach § 116 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BRAGebO, hier anwendbar idF des Gesetzes zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 20. August 1990 (BGBl I 1765) und in Kraft ab 1. September 1990 (Art 4), werden in Verfahren auf Grund von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet. Der Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der BA hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Auflage ist keine Streitigkeit zwischen einem Arbeitgeber und der BA iS des § 116 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BRAGebO.
Arbeitgeber ist nach dem allgemeinen und juristischen Sprachgebrauch derjenige, dem die Verfügungsmacht über die Arbeitskraft eines oder mehrerer Arbeitnehmer zusteht (BSGE 17, 273, 176 = SozR RVO § 633 aF Bl Aa 2 Nr 6). Auch für die Anwendung des § 116 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BRAGebO kommt es deshalb entscheidend darauf an, daß ein Beteiligter den Rechtsstreit in eben dieser Eigenschaft führt. Das trifft im Bereich des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) häufig zu, zB in Fällen nach §§ 49, 54, 60, 63 ff, 74 ff, 77 ff, 83 ff, 91 ff, 128, 128a, 128b, 160, 171, 172 AFG. Demgemäß hat der Senat ua in Zusammenhang mit der Gewährung von Eingliederungsbeihilfen (§ 54 AFG) und von Kurzarbeitergeld (§§ 63 ff AFG), aber auch im Rahmen der Befreiung von der Erstattungspflicht nach § 128 AFG aF, den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 116 Abs 2 BRAGebO festgesetzt (BSG Beschlüsse vom 11. Februar 1992 – 7 BAr 18/91 –, 21. Oktober 1992 – 7 BAr 38/92 – und 5. Oktober 1992 – 7 BAr 104/90 – ≪jeweils unveröffentlicht≫). Demgegenüber hat er den Antrag des Trägers einer beruflichen Bildungsmaßnahme, der gegen die BA wegen Förderung der von ihm veranstalteten Lehrgänge einen Rechtsstreit führte, mit der Begründung abgelehnt, der Maßnahmeträger sei nicht als Arbeitgeber iS des § 116 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BRAGebO, sondern als Unternehmer aufgetreten (BSG vom 20. Juni 1978 – 7 RAr 17/76 – DBlR Nr 2352 zu § 193 SGG).
Für die Anwendung des § 116 Abs 2 BRAGebO ist zu beachten, daß es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, die einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich ist (BSG vom 20. Juni 1978 – 7 RAr 17/76 – DBlR Nr 2352 zu § 193 SGG; BSG vom 27. Mai 1981 – 12 RK 63/79 – DBlR Nr 2679 zu SonstRecht § 116 BRAGO; vgl auch LSG Schleswig-Holstein; MDR 1980, 1052; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1992, 522). Sie beruht auf der Erwägung, daß nur in den ausdrücklich aufgeführten Fällen die für den niedrigen Gebührenrahmen des § 116 Abs 1 BRAGebO sprechenden sozialpolitischen Gründe nicht eingreifen (BT-Drucks 7/3243 S 11 zu Nr 56). Die hier gegebene Streitigkeit über die Rechtmäßigkeit der Auflage gehört indes in den Schutzbereich des § 116 Abs 1 BRAGebO.
Allerdings ist der Kläger auch Arbeitgeber. Denn er übt Verfügungsmacht über Arbeitnehmer, zB über das Betreuungspersonal der WfB, aus. Doch betraf der Rechtsstreit die Frage der Rechtmäßigkeit einer Nebenbestimmung (Auflage) zu der von der Beklagten antragsgemäß ausgesprochenen (endgültigen) Anerkennung als WfB (§ 55 SchwbG aF; § 57 SchwbG nF). Bereits diese Anerkennung bezog sich im Kern nicht auf typische Arbeitgeberrechte und -pflichten, sondern in erster Linie auf die gesetzlich geregelte Betreuung von Behinderten unter der Aufsicht von Sozialleistungsträgern (vgl §§ 2 ff des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation; §§ 52 ff SchwbG aF; §§ 54 ff SchwbG nF). So muß die WfB es den Behinderten ermöglichen, ihre Leistungsfähigkeit zu entwikeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und ein dem Leistungsvermögen angemessenes Arbeitsentgelt zu erreichen (§ 52 Abs 2 Satz 1 SchwbG aF; § 54 Abs 2 Satz 1 SchwbG nF). Der Realisierung dieser Ziele dienen ua Eingangsverfahren, Arbeitstrainingsbereich und Arbeitsbereich (§§ 3 ff der Werkstättenverordnung Schwerbehindertengesetz ≪SchwbWV≫). Insgesamt sind die Bemühungen einer WfB von der Idee getragen, den unterschiedlichen Arten der Behinderungen und ihren Auswirkungen auf geeignete Weise Rechnung zu tragen (§ 1 Abs 2 SchwbWV). In dieser „Betreuungsfunktion” liegt der eigentliche Unterschied zwischen einer WfB und einem Arbeitgeber im hergebrachten Sinn. Die in eine WfB aufgenommenen Behinderten sind deshalb ungeachtet des Zweckes, ihnen eine Arbeitsmöglichkeit zu verschaffen, nicht Arbeitnehmer im herkömmlichen Sinn, sondern betreute Personen, die eines besonderen sozialversicherungsrechtlichen Schutzes bedürfen (vgl etwa § 5 Abs 1 Nr 7 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung –, § 1 Satz 1 Nr 2 Buchst a Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung –).
Nichts anderes gilt für die Situation, deretwegen sich der Kläger gegen die streitige Auflage gewandt hat. Die Frage der Rechtmäßigkeit derartiger Auflagen berührt zwar die wirtschaftlichen Interessen des Trägers einer WfB. Jedoch handelt es sich nicht iS des § 116 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BRAGebO um ein typisches Arbeitgeberinteresse, sondern um Auswirkungen auf die Funktion der WfB im Rahmen sozialrechtlicher Betreuungspflichten. Dies wird nicht zuletzt an den für die Aufnahmemöglichkeiten von Behinderten in eine WfB relevanten Auswirkungen der streitigen Auflage deutlich, worauf der Senat im Urteil vom 1. April 1993 – 7 RAr 86/92 – in Anlehnung an eigene Ausführungen des Klägers hingewiesen hat.
Aus alledem folgt, daß der Kläger den Rechtsstreit nicht in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber geführt hat, sondern in seiner Eigenschaft als Betreuer der in der WfB tätigen Behinderten, was die Anwendung des § 116 Abs 2 BRAGebO ausschließt.
Mit dieser Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seinem Beschluß vom 21. Dezember 1992 – 7 RAr 46/91 – (unveröffentlicht). Dort hatte sich der Kläger, der mit dem Kläger des vorliegenden Falles identisch ist, gegen feststellende Bescheide der BA betreffend Ausgleichsabgaben gewehrt. Hätte jenes Klageverfahren Erfolg gehabt, hätte der Kläger für mehrere Jahre die Entrichtung von Ausgleichsabgaben erspart. Der Kläger hatte somit an der Aufhebung der angefochtenen Bescheide in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber ein wirtschaftliches Interesse. Der vorliegende Fall ist hiermit nicht vergleichbar. Denn hier resultiert das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Aufhebung der angegriffenen Auflage nicht aus der Eigenschaft als Arbeitgeber, sondern aus dem oben umschriebenen „Betreuerstatus”.
Fundstellen