Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz mehrerer Beteiligter an einem Rettungsversuch

 

Orientierungssatz

Ablehnung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Celle vom 21.3.1991 - L 6 U 142/90 = Breith 1992, 15, indem es um die Abgrenzung des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a RVO zu § 539 Abs 1 Nr 1 RVO und § 539 Abs 2 RVO bei mehreren Beteiligten an einem Rettungsversuch ging.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs 1 Nr 1; RVO § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a; RVO § 539 Abs 2

 

Gründe

Das Landessozialgericht (LSG) hat unter Aufhebung des die Klage abweisenden Urteils des Sozialgerichts (SG) vom 11. September 1989 festgestellt, daß der Beklagte der zuständige Unfallversicherungsträger für die Entschädigung des Unfalls des Beigeladenen zu 1) ist (Urteil vom 21. März 1991).

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Beschwerdeführer geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung.

Insoweit ist die Beschwerde unbegründet.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist gegeben, wenn die ihr zugrundeliegende grundsätzliche Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung besitzt, von einer Entscheidung der Rechtssache im Revisionsverfahren somit erwartet werden kann, daß sie in einer bisher nicht geschehenen, jedoch die Interessen der Allgemeinheit berührenden Weise die Rechtseinheit herstellen, wahren oder sichern oder die Fortbildung des Rechts fördern wird (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 53, § 160a Nrn 31, 39, 65; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX, RdNr 60; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 106). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Beklagte sieht als grundsätzlich bedeutsam an, ob die Hilfeleistung des Beigeladenen zu 1) seinen arbeitsvertraglichen und fürsorgerechtlichen Pflichten zuzuordnen ist oder ob diese Pflichten gegenüber seinem Willen, Hilfe zu leisten, von so untergeordneter Bedeutung war, daß die Anwendung von § 539 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht in Betracht kommt. Schon die vom Beschwerdeführer wiedergegebenen Auszüge aus dem Urteil des Berufungsgerichts zeigen, daß das LSG seine Entscheidung nicht auf neue, vom Bundessozialgericht (BSG) bisher nicht entschiedene oder noch ergänzungsbedürftige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stützt, vielmehr von den bisherigen, vom Beschwerdeführer selbst angeführten Entscheidungen des BSG ausgeht und lediglich aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles, gestützt auf die im Beschwerdeverfahren nicht nachprüfbare Würdigung der tatsächlichen Feststellungen, zu dem Ergebnis gelangt ist, in dem konkreten Einzelfall des Beigeladenen zu 1) sei die Hilfeleistung nicht im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt. Eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Rechtssache besteht somit nicht. Da schon die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht gegeben ist, braucht auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht eingegangen zu werden.

Gleiches gilt auch für die Beschwerde des Beigeladenen zu 1). Er geht insoweit im wesentlichen davon aus, daß die Rechtsauffassung der LSG unzutreffend sei. Dies rechtfertigt jedoch auch nicht unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung die Zulassung der Revision (s BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Auf Seite 7/8 seiner Beschwerdebegründung führt der Beigeladene zu 1) zunächst auch aus, es stelle sich nicht die grundsätzliche Frage nach den Grenzen der Fürsorge-/Beistandspflicht. Soweit er später als Frage von grundsätzlicher Bedeutung ansieht, daß der Ausschluß der Fürsorgepflicht zur Hilfeleistung in dem Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsführer und Mitarbeiter sowie die generelle Beschränkung arbeitsvertraglicher Pflichten zum Einsatz des Lebens auf Angehörige bestimmter Berufsgruppen fehlerhaft sei, vermag dies ebenfalls aus dem vorstehend angeführten Grund die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen. Das LSG hat, wie bereits dargelegt, seine Entscheidung auf die Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles gestützt. Soweit es auf Seite 9 seiner Entscheidungsgründe allgemein hinzufügt, arbeitsvertragliche Pflichten zum Einsatz des Lebens könnten sich nach Ansicht des Senats nur für Angehörige bestimmter Berufsgruppen (zB Feuerwehrleute, Polizisten, Soldaten) aufgrund der besonderen Eigenart ihrer Tätigkeit und den mit ihr typischerweise verbundenen Gefahrensituationen ergeben, tragen diese Ausführungen die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht; denn entscheidend ist, daß das LSG mit näherer Begründung dargelegt hat, daß für den Beigeladenen zu 1) eine vertragliche Pflicht zur Rettung nicht bestanden habe.

Die Beschwerdeführer rügen außerdem als Verfahrensmangel, das LSG habe zur Begründung seiner Entscheidung auch auf das "Urteil in der Parallelsache L 6 U 126/90" verwiesen. Dieses Urteil sei ihnen aber nicht bekannt gewesen.

Diese Rüge ist ebenfalls nicht begründet.

Soweit es die Beschwerde des Beklagten betrifft, ist sie deshalb insoweit unbegründet, weil der Beklagte auch in dem Streitverfahren des LSG Niedersachsen L 6 U 126/90 beteiligt gewesen ist. Die Rüge des Beigeladenen zu 1) ist dagegen deshalb nicht begründet, weil das Berufungsgericht nicht auf den Beteiligten nicht bekannte tatsächliche Feststellungen in einem anderen Verfahren verwiesen, sondern nur hinsichtlich der rechtlichen Begründung seiner Entscheidung zum Teil auf ein anderes Urteil verwiesen hat. Diese bei den Gerichten aller Instanzen nicht nur ganz vereinzelte Übung ist rechtlich nicht zu beanstanden, jedenfalls soweit wie hier das Urteil des LSG selbst die wesentlichen Begründungselemente enthält.

Schließlich rügt der Beklagte, das LSG sei zu Unrecht Beweisanträgen des Beigeladenen zu 1) in dessen Schriftsatz vom 15. Januar 1987 nicht gefolgt, auf die der Beigeladene zu 1) in seiner Berufungserwiderung mit Bezug genommen habe. Dieser Vortrag genügt jedoch nicht für eine schlüssige Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats obliegt es jedenfalls rechtskundig vertretenen Beteiligten, in der mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht noch entscheiden soll (vgl ua Beschluß des Senats vom 14. Juni 1991 - 2 BU 21/91 -). Es ist Sinn der erneuten Antragstellung, zum Schluß der mündlichen Verhandlung auch darzustellen, welche Anträge nach dem Ergebnis der für die Entscheidung maßgebenden mündlichen Verhandlung noch abschließend gestellt werden, mit denen sich das LSG dann im Urteil befassen muß, wenn es ihnen nicht folgt. Der Beklagte hätte deshalb in der mündlichen Verhandlung vom 21. März 1991 entsprechende Beweisanträge zumindest hilfsweise zu dem Sachantrag stellen müssen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 21. März 1991 hat der Beklagte jedoch keinen Beweisantrag, sondern lediglich Anträge zur Sache gestellt. Dem steht entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht entgegen, daß er in der ersten Instanz obsiegt hatte. In einem Berufungsverfahren muß der in erster Instanz obsiegende Beteiligte damit rechnen, daß das LSG zu einer vom SG abweichenden rechtlichen Beurteilung kommt. Er hat deshalb, soweit er für diesen Fall noch eine weitere Sachaufklärung für notwendig erachtet, zumindest hilfsweise entsprechende Beweisanträge vorsorglich zu wiederholen (vgl insoweit zum Recht und zur Notwendigkeit der Gegenrüge Krasney/Udsching aaO, IX RdNr 342). Die Rüge mangelnder Sachaufklärung ist deshalb unzulässig.

Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und beachtet, daß auch der Beigeladene zu 1) als Beschwerdeführer ohne Erfolg geblieben ist.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650368

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