Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 04.08.2016; Aktenzeichen L 7 SO 2406/16) |
SG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen S 4 SO 2057/16) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. August 2016 - L 7 SO 2406/16 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Im Streit sind Ansprüche des Klägers auf Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) während einer Inhaftierung.
Der Kläger beantragte beim örtlichen Träger der Sozialhilfe am Ort der Haftanstalt (Beklagter zu 1) Hilfen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes und der Beschaffung einer Wohnung einschließlich ggf erforderlicher Beratung. Er könne am 7.7.2016 gemäß § 57 Strafgesetzbuch (StGB) entlassen werden; dazu fehle ihm derzeit aber noch eine Wohnung und Arbeit. Der Beklagte zu 1 teilte ihm sinngemäß mit, zuständig für solche Leistungen sei das Sozialamt, in dessen örtlichen Bereich der Kläger vor Inhaftierung seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe, bzw nach Haftentlassung der Träger der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende am künftigen Wohnort (Schreiben vom 19.4.2016). Hiergegen wandte sich der Kläger mit einem Widerspruch sowie mit seiner Klage, die er gegen den Beklagten zu 1 sowie gegen den örtlichen Träger der Sozialhilfe an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort vor Inhaftierung, den Beklagten zu 2, und schließlich gegen die Bundesagentur für Arbeit (BA) richtete. Das Sozialgericht (SG) Freiburg hat die Klage als unzulässig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 7.6.2016). Der Beklagte zu 1 hat den Widerspruch zurückgewiesen, weil er unzulässig sei (Widerspruchsbescheid vom 4.8.2016). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat das Verfahren wegen der Ansprüche gegen die BA abgetrennt (Beschluss vom 28.7.2016) und die Berufung wegen der Ansprüche gegen die Beklagten zu 1 und 2 zurückgewiesen (Urteil vom 4.8.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig, weil es an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung fehle.
Mit Schreiben vom 15.8.2016 hat der Antragsteller Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG beantragt.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Ein solcher Zulassungsgrund (Verfahrensfehler) ist nach Aktenlage zwar erkennbar; jedoch fehlt es an der erforderlichen Erfolgsaussicht in der Hauptsache (vgl zu dieser Voraussetzung nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 73a RdNr 7c mwN).
Das LSG hat dadurch einen Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) begangen, dass es zu Unrecht ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen hat. Der Beklagte zu 1 hat mit dem Schreiben vom 19.4.2016 die vom Kläger beantragten Leistungen abgelehnt; bei dem Schreiben handelt es sich um einen Verwaltungsakt iS des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Die im Schreiben vom 19.4.2016 abgegebene Erklärung, der Beklagte zu 1 sei nicht zur Erbringung der begehrten Leistungen an den Kläger zuständig, kann vom objektiven Sinngehalt her (zum Maßstab vgl: Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 25 ff) nur als endgültige Ablehnung der geltend gemachten Ansprüche verstanden werden. Die hiergegen erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage ist mit Erlass des Widerspruchsbescheids vom 4.8.2016 auch im Übrigen zulässig geworden; sie durfte vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens ohnehin nicht als unzulässig abgewiesen werden (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 78 RdNr 3a).
Es ist jedoch nicht erkennbar, dass in der Sache ein Anspruch nach § 67 SGB XII - andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht - tatsächlich bestehen könnte. "Besondere Lebensumstände verbunden mit sozialen Schwierigkeiten" iS des § 67 SGB XII liegen mit der vom Kläger behaupteten Situation - er könne eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe (vgl § 57 Abs 1 StGB) erreichen, benötige hierfür aber noch eine Arbeit und eine Wohnung - nicht vor. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass im Zusammenhang mit einer Haft Bedarfslagen iS "besonderer sozialer Schwierigkeiten" entstehen können (zum Ganzen BSG SozR 4-3500 § 67 Nr 1 RdNr 16 ff). Je nachdem, ob es nach der Entscheidung des Strafgerichts ua unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse der verurteilten Person (vgl § 57 Abs 1 Satz 2 StGB) zu einer Haftverkürzung kommt oder diese abgelehnt wird, können sich die Bedarfe der inhaftierten Person dabei ändern (vgl zur Haftdauer als Maßstab insoweit BSG, aaO, RdNr 19). Die Dauer der Haft als solche stellt aber keine aktuelle Notlage iS des Existenzsicherungsrechts dar, die mit Mitteln der Sozialhilfe - insbesondere mit Leistungen nach § 67 SGB XII - zu beseitigen oder zu lindern wäre. Aufgabe der Sozialhilfe (vgl § 1 SGB XII) ist es nicht, die Voraussetzungen für eine Resozialisierung von Straftätern erst zu schaffen.
Dem Anspruch auf Beratung ist der Beklagte zu 1 mit dem Schreiben vom 19.4.2016 nachgekommen; auch insoweit ist eine Erfolgsaussicht der Klage in der Hauptsache nicht erkennbar.
PKH ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zu gewähren; denn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage ist im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung und die bereits vorliegende Rechtsprechung nicht als "schwierig" anzusehen (vgl BVerfGE 81, 347, 358 f; BVerfG, Beschluss vom 9.10.2014 - 1 BvR 83/12 -, ZFSH/SGB 2015, 84 ff). Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen ebenso wenig.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI10807154 |