Verfahrensgang
LSG Berlin (Beschluss vom 08.01.1999) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Landessozialgerichts Berlin vom 8. Januar 1999 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage (auf höhere Alhi ab 7. Mai 1996) abgewiesen (Urteil vom 2. April 1998). In der Berufungsinstanz hat das Landessozialgericht (LSG) dem Kläger mit Schreiben vom 18. September 1998 mitgeteilt, es sei beabsichtigt, die Berufung durch Beschluß zurückzuweisen. Der Kläger hat daraufhin gegenüber der Rechtsantragsstelle des LSG erklärt, daß er mit einer Entscheidung gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht einverstanden sei. Gleichzeitig bat er um Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Prozeßkostenhilfe.
Am 8. Januar 1999 hat das LSG die Berufung des Klägers durch Beschluß zurückgewiesen und den Antrag auf Prozeßkostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde. Er macht das Vorliegen von Verfahrensmängeln geltend (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Im einzelnen trägt er vor: Ihm sei kein rechtliches Gehör gewährt worden (Art 103 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫, § 62 SGG). Weiterhin sei sein Anspruch auf ein faires Verfahren und der Grundsatz der Mündlichkeit verletzt worden. Es sei aufgrund des Akteninhalts deutlich gewesen, daß er obdachlos gewesen sei und Schwierigkeiten im Umgang mit staatlichen Behörden habe. Es hätte dem Gebot der Fairneß entsprochen, ihm Gelegenheit zur mündlichen Verhandlung und zur Darstellung seines Rechtsstandpunkts zu geben. Die mündliche Verhandlung sei Kernstück jeden gerichtlichen Verfahrens. Werde gegen den Grundsatz der Mündlichkeit verstoßen, so liege auch ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs vor.
Zudem seien die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung unvollständig gemäß § 136 Abs 1 Nr 6 SGG. Es sei nicht dargelegt worden, daß die rechtserheblichen Anspruchsvoraussetzungen fehlen. Zum Mindestinhalt der Entscheidungsgründe gehöre die Angabe der angewandten Rechtsnormen und der für erfüllt oder nicht erfüllt erachteten Tatbestandsmerkmale. Das LSG habe in dem Beschluß vom 8. Januar 1999 keine einzige Rechtsnorm benannt, sondern lediglich die Berufung damit zurückgewiesen, daß das SG mit zutreffender Begründung entschieden habe. Dies sei nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Verfahrensmängel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sind nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Soweit der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG) rügt, hat er ua darzutun, welches Vorbringen durch die Vorenthaltung des rechtlichen Gehörs verhindert worden ist und inwiefern die Entscheidung des LSG gerade darauf beruhen kann (Beschluß des Senats vom 13. Juni 1994 – 7 BAr 140/93; BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; BSG, Beschluß vom 8. Juli 1998 – B 11 AL 89/98 B). Der Kläger trägt hierzu nur allgemein vor, angesichts seiner Lebensumstände (Obdachlosigkeit etc) wäre eine mündliche Verhandlung geboten gewesen. Er behauptet dabei noch nicht einmal, daß er in einer mündlichen Verhandlung rechtlich relevante Umstände vorgetragen hätte, die die Entscheidung des LSG inhaltlich hätten beeinflussen können.
Soweit der Kläger eine Verletzung des Grundsatzes der Mündlichkeit rügt, indem die Vorgehensweise des LSG gemäß § 153 Abs 4 SGG (Entscheidung durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung) beanstandet wird, hätte er im einzelnen darlegen müssen, daß seitens des LSG ein Ermessensfehlgebrauch vorlag. Verfahrensrechtlich zu beanstanden ist eine Sachentscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs 4 SGG nur, wenn das Verfahren des LSG auf sachfremden Erwägungen oder grober Fehleinschätzung beruht (so BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; BSG, Beschluß vom 13. Mai 1998 – B 10 LW 5/97 B). Hierzu bringt die Beschwerdebegründung nichts vor. Der Beschwerdeführer vertritt lediglich die Meinung, das LSG hätte unter Berücksichtigung seiner allgemeinen Lebensumstände zu dem Ergebnis kommen müssen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei erforderlich. Mit einem solchen Vorbringen ist ein Verstoß gegen § 153 Abs 4 SGG bzw den Grundsatz der Mündlichkeit nicht hinreichend bezeichnet (vgl auch BSG, Beschluß vom 13. Juni 1994 – 7 BAr 140/93 –, und BSG, Beschluß vom 22. Mai 1997 – 6 BKa 2/97).
Soweit der Kläger eine unzureichende Begründung der Entscheidung des LSG geltend macht, ist eine Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG jedenfalls nicht ausreichend dargetan. Nach § 142 Abs 1 SGG gilt § 136 SGG ausschließlich für Beschlüsse entsprechend, die nach mündlicher Verhandlung ergehen, also gerade nicht für solche nach § 153 Abs 4 SGG (vgl BSG SozR 3-1500 § 142 Nr 1). Einschlägig für Beschlüsse nach § 153 Abs 4 SGG ist vielmehr § 142 Abs 2 SGG, wonach Beschlüsse zu begründen sind, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über ein Rechtsmittel entscheiden (BSG aaO; vgl auch BSG, Beschluß vom 8. Juli 1998 – B 11 AL 89/98 B). Auch wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, er habe eine Verletzung dieser Vorschrift rügen wollen, hat er eine Verletzung des § 142 Abs 2 SGG nicht ausreichend dargetan. Der Kläger macht insbesondere geltend, das LSG habe nicht auf die Entscheidungsgründe des SG verweisen dürfen. Zur schlüssigen Darlegung eines Verfahrensmangels hätte sich der Kläger hierzu zunächst mit der Vorschrift des § 153 Abs 2 SGG auseinandersetzen müssen, die eine Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe der ersten Instanz und ggf sogar auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid – jedenfalls für Urteile – zuläßt (vgl hierzu Beschluß des Senats vom 20. Januar 2000 – B 7 AL 116/99 B –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Er hätte sodann aufzeigen müssen, inwieweit das LSG von dieser für Urteile vorgesehenen Möglichkeit gemäß § 153 Abs 2 SGG im Rahmen des Beschlußverfahrens nach § 153 Abs 4 SGG nicht in ordnungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht hat (hierzu BSG Beschluß vom 8. Juli 1998 – B 11 AL 89/98 B). Hieran fehlt es. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, daß das LSG § 153 Abs 2 SGG nicht zitiert oder nicht hinreichend deutlich gemacht hat, auf welche Teile der Entscheidungsgründe des SG Bezug genommen wird (vgl hierzu BSG SozR 3-1500 § 142 Nr 1 S 3). Der Kläger hat auch nicht geltend gemacht, daß die in Bezug genommenen Entscheidungsgründe des SG sich nicht (vollständig) mit dem Klagebegehren auseinandersetzen oder Teile des Klageantrags übergehen (hierzu BSG, Beschluß vom 11. März 1998 – B 9 SB 6/97 B – mwN). An entsprechenden Darlegungen fehlt es vollständig. Der lediglich pauschale Hinweis, es sei nicht zulässig, daß das LSG auf die Entscheidung des SG verweise, vermag das Vorliegen eines Verfahrensfehlers iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht schlüssig darzutun.
Entspricht die Begründung somit nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1175839 |
SozSi 2001, 328 |