Beteiligte
Landwirtschaftliche Alterskasse Niederbayern-Oberpfalz |
Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 7. August 1998 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Klägerin als Ehefrau eines sogenannten Nebenerwerbslandwirts gemäß § 85 Abs 3a des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) auf Antrag von der Versicherungspflicht zu befreien ist. Ihr Ehemann war als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der beklagten landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK), die ihn jedoch im Hinblick auf seine Tätigkeit als Arbeiter von der Versicherungspflicht in der Altershilfe für Landwirte befreite.
Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 30. Dezember 1994 mit Wirkung ab dem 1. Januar 1995 die Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin in der Alterssicherung der Landwirte festgestellt. Einen am 26. Juni 1996 gestellten Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 85 Abs 3a ALG lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 3. Juli 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 1996 mit der Begründung ab, der Ehemann der Klägerin habe im Jahre 1994 – ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft – kein Erwerbs- bzw Erwerbsersatzeinkommen von mehr als 40.000 DM erzielt. Gemäß Einkommensteuerbescheid 1994 habe sein maßgebliches Arbeitsentgelt 39.158 DM brutto betragen.
Das Sozialgericht (SG) Regensburg hat mit Urteil vom 7. August 1998 die Klage abgewiesen: Die Beklagte habe zutreffend gemäß § 85 Abs 3a ALG entschieden. Das Gesetz sehe keine Ausnahmeregelungen wegen sozialer Härte oder die Berücksichtigung von höherem Erwerbseinkommen in den Jahren vor und nach dem maßgeblichen Kalenderjahr 1994 vor. Dies verstoße auch nicht gegen das Grundgesetz (GG). Das SG hat sich dafür auf die Senatsurteile vom 12. Februar 1998, Aktenzeichen B 10/4 LW 9/96 R im Hinblick auf die Versicherungspflicht der Klägerin und zum Aktenzeichen B 10 LW 2/97 R hinsichtlich der Befreiungsregelung bezogen. Auch wenn die Befreiungsmöglichkeit nicht auf das durchschnittliche Erwerbseinkommen der Jahre 1993 bis 1995 abgestellt hätte, sei die Entscheidung des Gesetzgebers für das Stichjahr 1994 nicht willkürlich gewesen.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 85 Abs 3a ALG und der Grundrechte aus Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1, Art 6 Abs 1, Art 12 Abs 1 und Art 14 Abs 1 GG sowie eine Verletzung des Verbots echt rückwirkender Gesetze. Ihr werde eine Versicherungspflicht aufgebürdet, obwohl sie über eigenes Einkommen nicht verfüge. Statt dessen müsse ihr Ehegatte den Versicherungsbeitrag aufbringen, obwohl sie nach ihm im Todesfall Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hätte. Ihre Versicherungsbeiträge an die Beklagte beliefen sich für das Jahr 1994 auf 6,78 % und für 1995 auf 7,56 % des Familienbruttoeinkommens. Eine Ungleichbehandlung liege ua darin, daß bei der Berechnung des Beitragszuschusses nach § 32 ALG das Arbeitseinkommen ihres Ehegatten als Nebenerwerbslandwirt – anders als beim Vollerwerbslandwirt – berücksichtigt werde, aus dem bereits Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden seien. Zusätzlich würden Frauen von Nebenerwerbslandwirten als Hinterbliebene durch die Einkommensanrechnung benachteiligt. Weitere Diskriminierungen ergäben sich im Vergleich mit nichtehelichen Lebensgemeinschaften, kinderlosen Paaren und tatsächlich mitarbeitenden Ehegatten. Eine ausschließlich an das Merkmal der Ehe geknüpfte Versicherungspflicht benachteilige wegen der finanziellen Belastungen Ehe und Familie und schöpfe die Erlöse aus der Landwirtschaft zu etwa 50 % ab. Damit werde der eigentumsgeschützte Bestand des Betriebes gefährdet, welcher in den Jahren 1993 bis 1995 jährlich 6.441 DM bis 7.066 DM erwirtschaftet habe. Sie sei auch dadurch besonders hart getroffen worden, daß im Jahre 1994 die 40.000 DM-Grenze nur deshalb unterschritten worden sei, weil ihr Ehegatte unbezahlten Urlaub genommen habe, um das gemeinsame Haus zu errichten. Hätte er um die inkriminierte gesetzliche Regelung gewußt, so hätte er für den Hausbau nicht unbezahlten Urlaub genommen. Letztlich sei die Einkommensgrenze dadurch überschritten worden, daß sowohl – für den Hausbau geschuldete – Naturalleistungen des Sohnes an ihren Ehemann als auch im Jahre 1994 angefallene Zinseinkünfte als Entgelt zu berücksichtigen gewesen seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, sie von der Versicherungspflicht zur Beklagten zu befreien.
Die Beklagte beantragt – unter weiterer Darlegung –,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
II
Die zulässige Revision (§ 161 SGG) ist unbegründet. Die mit ihr aufgeworfenen Rechtsfragen sind bereits durch die Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt. Auch mit Blick auf den durch die Klägerin zur Prüfung gestellten Sachverhalt und die von ihr vorgebrachten Gründe hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest.
1. Soweit sich die Klägerin auf neues tatsächliches Vorbringen stützt, scheitert dies schon an § 163 SGG. Danach ist das Bundessozialgericht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe in Gestalt von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) vorgebracht sind. In Fällen der Sprungrevision gemäß § 161 SGG – wie hier – muß sich die Revision auf die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG beschränken; auf Mängel des Verfahrens kann eine Sprungrevision nicht gestützt werden (§ 161 Abs 4 SGG). Nach den Feststellungen im Urteil des SG muß deshalb davon ausgegangen werden, daß sich das maßgebliche Erwerbseinkommen iS von § 85 Abs 3a ALG im Stichjahr 1994 auf brutto 39.158 DM belaufen hat.
2. Soweit sich die Klägerin gegen ihre Versicherungspflicht als nicht erwerbstätige Ehefrau eines Nebenerwerbslandwirts gemäß § 1 Abs 3 ALG – auch mit Verfassungsrügen – wendet, wirft sie keine ungeklärten Rechtsfragen auf. Der Senat hat mit Urteil vom 12. Februar 1998 - B 10/4 LW 9/96 R -, BSGE 81, 294 = SozR 3-5868 § 1 Nr 1 die Versicherungspflicht unabhängig davon bejaht, ob der Ehegatte in der Landwirtschaft mitarbeitet oder nicht. Er hat weiter darauf erkannt, daß dies jedenfalls dann nicht verfassungswidrig ist, wenn der Ehegatte aus landwirtschaftsspezifischen Gründen in ähnlichem Maße an einer Erwerbstätigkeit außerhalb der Landwirtschaft gehindert ist, als würde er im Betrieb mitarbeiten. Diese Rechtsprechung hat der Senat mit weiteren Urteilen vom 25. November 1998 (ua - B 10 LW 10/97 R -, veröffentlicht in SozR 3-5868 § 1 Nr 2) dahingehend fortgeführt, daß die Versicherungspflicht allein an das Bestehen der Ehe anknüpft und auch dann gilt, wenn der Ehegatte in der Landwirtschaft nicht mitarbeitet. Hierfür hat er sich insbesondere auch mit den von der Klägerin herangezogenen Grundrechten auseinandergesetzt. Auf jene ausführlich dargelegten Gründe ist hier nicht weiter einzugehen, nachdem auch das angefochtene Urteil ausdrücklich auf jene Rechtsprechung gestützt ist, die Revisionsbegründung indessen jegliche Auseinandersetzung damit vermissen läßt und auch keine Gesichtspunkte aufführt, die die Rechtsauffassung des Senats erschüttern könnten.
3. Soweit sich die Klägerin durch die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 85 Abs 3a Satz 1 Nr 3 ALG ebenfalls in ihren Grundrechten verletzt sieht, ist ihr zunächst mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats durch die weiteren Urteile vom 12. Februar 1998 - B 10 LW 2/97 R - (Wehrdienst), SozR 3-5868 § 85 Nr 2 und vom 8. Oktober 1998 - B 10 LW 9/97 R - (Erziehungsurlaub), in GVLAK RdSchr AH 8/99, entgegenzutreten. Danach liegt weder eine von der Rechtsprechung zu schließende planwidrige Gesetzeslücke noch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, wenn die einmalige Befreiungsmöglichkeit von der Pflichtversicherung in der LAK nach § 85 Abs 3a Satz 1 ALG ua allein auf das im Jahre 1994 erzielte Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen des Ehegatten abstellt, ohne zu berücksichtigen, daß dieses zB durch Wehrdienst oder andere nicht zu vertretende Umstände atypisch gemindert war. Dabei ist der Senat ausdrücklich davon ausgegangen, daß die mit dem Stichjahr 1994 im Einzelfall verbunden Härten hinzunehmen sind, weil sie doch gerade kennzeichnend für eine Übergangsregelung sind (vgl Senatsurteil vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 15 mwN). Der Senat hat eine planwidrige Gesetzeslücke in Ansehung sozial erwünschter und hoch angesehener Zeiten ohne Erwerbseinkommen im Jahre 1994 ausdrücklich verneint. Das Gesetz versagt den Sondertatbeständen von Kindererziehung, Pflege eines Pflegebedürftigen, Wehr- oder Zivildienst, sozialem/ökologischem Jahr, Entwicklungshilfe und ehrenamtlicher Tätigkeit die Anerkennung einer besonderen Härte, die zu einer Befreiung von der Versicherungspflicht führen müßte. Das muß erst Recht in Fällen der vorliegenden Art gelten, bei denen eine Unterschreitung der Einkommensgrenze von 40.000 DM infolge unbezahlten Urlaubs zum Zwecke des Eigenheimbaus behauptet wird. Alle diese Fallgruppen sind im übrigen dadurch gekennzeichnet, daß die Betroffenen der tatbestandlichen Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) an einen bereits abgeschlossenen Tatbestand unterlegen sind, eine Erhöhung des später als maßgeblich festgesetzten Einkommens durch entsprechende Dispositionen regelmäßig also nicht mehr möglich war.
§ 85 Abs 3a ALG ist danach zu sehen vor dem Hintergrund der nach dem Gesetz ohnehin bestehenden Hürden für den Eintritt der Versicherungspflicht (§ 1 Abs 3 ALG), der verschiedenen regulären Befreiungsmöglichkeiten (§ 3 Abs 1, § 85 Abs 3, 3a und 3b ALG) sowie der massiven aus Bundesmitteln erfolgenden Subvention der Beiträge jener Pflichtmitglieder in der Alterssicherung der Landwirte, die bedürftig sind (§ 32 Abs 1 und 2, § 33 Abs 1 ALG). Angesichts dieses Bündels von vorübergehenden und dauernden Befreiungsmöglichkeiten sowie der massiven Beitragssubvention, die erst bei einem relativ hohen Gesamteinkommen der Eheleute endet, besteht bei objektiver Betrachtung kein Grund, die Ehefrauen der angesprochenen Personenkreise von der Versicherungspflicht zu befreien. Dabei hat der Senat in Rechnung gestellt, daß § 85 Abs 3a ALG durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung vom 15. Dezember 1995 (≪ASRG-ÄndG≫, BGBl I 1814, berichtigt BGBl I 1996, 683) die zunächst eingeführten Übergangsregelungen des ALG idF des Agrarsozialreformgesetzes (ASRG) 1995 vom 29. Juli 1994 (BGBl I 1890) erweiterte. Bereits mit dem ASRG 1995 setzte sich der Gesetzgeber einerseits die Verbesserung der sozialen Sicherung der Bäuerin und andererseits eine gerechtere Ausgestaltung und finanzielle Stabilisierung des agrarsozialen Sicherungssystems zum Ziel. Letzterem diente die Erhöhung der Zahl der Beitragszahler durch Einbeziehung neuer Personenkreise – der Bäuerinnen – und die Umgestaltung der Beitragszuschußregelung. Um daraus sich ergebende Härten abzumildern, erließ der Gesetzgeber das ASRG-ÄndG mit den darin vorgesehenen Befreiungsmöglichkeiten des § 85 Abs 3a und 3b ALG sowie die Anrechnung der in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Pflichtversicherungszeiten auf die Wartezeiten in der Alterssicherung der Landwirte (§ 17 Abs 1 ALG). Das ASRG-ÄndG zeigt dadurch den Charakter eines Korrekturgesetzes, das durch einmalige oder zeitlich begrenzte Befreiungen von der Versicherungspflicht nur bestimmte, umschriebene Härten mildern und dadurch die allgemeine Akzeptanz der neuen Versicherung erhöhen soll, ohne die allgemeinen Grundsätze der eigenständigen Sicherung der Bäuerin aufzugeben (vgl zum Vorstehenden Senatsurteil vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 14 f mwN).
Die in diesem Zusammenhang eingefügte Befreiungsregelung konnte gegenüber der Klägerin nur insoweit (belastende) Rückwirkung entfalten, als sie die bereits mit Bescheid vom 30. Dezember 1994 statuierte Beitragspflicht ab dem 1. Januar 1995 nicht nachträglich beseitigte. Ohne diese zusätzliche Befreiungsmöglichkeit wäre es von vornherein allein bei den schon eingeführten Befreiungsregelungen in §§ 3, 85 ALG idF des ASRG geblieben. Daß die Klägerin nicht in die begünstigenden Wirkungen einer erweiterten übergangsrechtlichen Befreiungsregelung einbezogen war, spricht auch im Blick auf den Rechtsstaatsgrundsatz nicht gegen das gesetzgeberische Bemühen. Nach allem steht aber die Angemessenheit der Übergangsregelung, welche allenfalls Gegenstand der Prüfung vor dem Hintergrund „unechter Rückwirkung” sein kann, nicht mehr in Frage.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen