Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Rechtsausübung beim Bestehen sowohl von bürgerlich-rechtlichen als auch Sozialleistungsansprüchen. Tatbestandswirkung eines Versorgungsbescheides für Ersatz-/Erstattungsanspruch. Anfechtbarkeit des Versorgungsbescheides durch Krankenkasse. Anwendung neuen Rechts über Leistungsbeginn. Auslegung eines Antrages
Leitsatz (amtlich)
Zur Familienkrankenhilfe und Gewaltopferentschädigung für ein durch den versicherten Vater vorsätzlich und rechtswidrig verletztes Kind.
Leitsatz (redaktionell)
Mit dem Antrag auf Krankenhilfe wird nicht zugleich Versorgung nach dem OEG beantragt. Der Anspruch auf Familienkrankenhilfe nach § 205 Abs 1 S 1 und Abs 2 RVO ist somit nicht ausgeschlossen, wenn ein mitversichertes Kind infolge einer vorsätzlichen rechtswidrigen Verletzung durch seinen Vater, den Versicherten, krankenhilfebedürftig geworden ist.
Orientierungssatz
1. Zur Anwendung des Rechtsgrundsatzes der unzulässigen Rechtsausübung, wenn das Kind wegen der vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführten Verletzungen sowohl eines Sachleistungsanspruchs im Rahmen der Familienkrankenhilfe als auch einen Anspruch auf Schadenersatz gegen seinen Vater (§§ 249, 823 BGB) hat.
2. Der gegenüber dem Beschädigten ergangene Anerkennungsbescheid des Versorgungsamtes hat Tatbestandswirkung für den Ersatzanspruch nach § 19 Abs 1 S 1 und 2 BVG (vgl ua BSG vom 1982-01-27 9a/9 RVg 3/81 = BKK 1982, 379). Demgemäß kann die Krankenkasse die Änderung des Verwaltungsaktes mit dem Ziel einer Anerkennung für die Zeit ab Behandlungsbeginn im eigenen Interesse fordern (vgl BSG aaO). Dazu war sie auch verfahrensrechtlich befugt, weil sie formlos, und zwar durch Zusenden des Bescheides und des Widerspruchsbescheides, zum Verwaltungsverfahren beigezogen wurde (vgl BSG vom 1982-05-05 9a/9 RVg 5/81 = USK 82139). Dies war - auch ohne ihren Antrag - von Amts wegen möglich.
3. Ist eine gesetzliche Vorschrift neu gefaßt worden, ohne daß das Änderungsgesetz eine Übergangsvorschrift für ihren zeitlichen Geltungsbereich enthält, muß nach allgemeinen Grundsätzen sowie insbesondere nach dem Zweck der gesetzlichen Anordnung und nach dem Zusammenhang, in dem sie steht, entschieden werden, ob sie auch zeitlich zurückliegende Fälle erfassen soll (vgl BSG vom 1978-04-25 9/10 RV 43/77 = BSGE 46, 127, 129 = SozR 3100 § 89 BVG Nr 6).
4. § 60 Abs 1 BVG idF des KOVAnpG 10 vom 10.8.1978, inkraftgetreten am 1.1.1979, gebietet keine Anwendung auf Tatbestände, die abgeschlossen in der Vergangenheit liegen. Einem bereits vor dem Inkrafttreten gestellten Antrag wird nicht etwa rückwirkend die Kraft zuerkannt, daß er, falls er innerhalb eines Jahres nach der Schädigung gestellt wurde, auch für die Vergangenheit die Leistungen bereits beginnen läßt. Zwar soll die neue Regelung "insbesondere den Belangen von Impfgeschädigten und Opfern von Gewalttaten Rechnung" tragen, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt. Aber dies soll erkennbar nur für die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gestellten Anträge gelten, die sich allerdings auch auf zurückliegende Schadensfälle beziehen können.
5. Die vom BSG in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätze für die Antragstellung als Grundlage der Anerkennung von Schädigungsfolgen und Leistungsgewährung gelten uneingeschränkt auch im Opferentschädigungsrecht, das insoweit auf die Regelungen des BVG verweist (§ 1 Abs 1 OEG) und das dem Antrag auf Versorgung die gleiche Bedeutung für Entstehung und Leistungsbeginn zuweist.
6. Der Antrag auf Sozialleistungen ist eine bürgerlich-rechtliche Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen; er enthält wesentlich ein Willenselement. Er ist auf den Leistungsbereich beschränkt, aus dem etwas angestrebt wird. Leistungen, die für den Antragsteller ungünstig sind, umfaßt er nicht.
7. Einem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, der nunmehr in §§ 93 und 102 bis 103 SGB X geregelt ist, gehen die Erstattungsregelungen der §§ 19 und 20 BVG als Sondervorschriften vor. In diesen Bestimmungen, die durch das SGB 10 geändert und bestätigt worden sind, ist die finanzielle Abwicklung des gesetzlichen Auftragsverhältnisses zwischen Krankenkasse und Versorgungsverwaltung abschließend und erschöpfend geregelt (ständige Rechtsprechung); vgl ua BSG 1981-03-05 9 RV 35/80 = SozR 3100 § 19 Nr 12).
Normenkette
OEG § 1 Fassung: 1976-05-11; RVO § 205; BVG §§ 19-20; SGB 10 § 102; BGB §§ 249, 823; BVG § 19 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; SGB 10 § 12 Abs. 2; BGB § 133; SGB 10 §§ 93, 103; BVG § 60 Abs. 1; KOVVfG § 6; RVO §§ 1542, 205 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
SG Stade (Entscheidung vom 19.11.1981; Aktenzeichen S 1 Vg 42/81) |
Tatbestand
Die klagende Ortskrankenkasse begehrt von dem beklagten Land den Ersatz von Heilbehandlungskosten, die sie in der Zeit vom 21. Oktober 1977 bis 31. Juli 1978 für das Kind M.-M. M. (Beigeladene) im Rahmen der Gewährung von Familienkrankenhilfe aufgewendet hat.
Die 1975 geborene Beigeladene wurde aufgrund ärztlicher Verordnung am 21. Oktober 1977 in das Städtische Krankenhaus Stade eingeliefert. Es stellte sich heraus, daß die Beigeladene von ihren Eltern so geschlagen und zugerichtet worden war, daß sie erhebliche Gesundheitsstörungen, ua. Gehirnblutungen, erlitten hatte. Das Jugend-Schöffengericht Buxtehude verurteilte die Eltern wegen Mißhandlung von Schutzbefohlenen (§ 223b Strafgesetzbuch -StGB-) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Das Urteil vom 13. Juni 1978 wurde am 21. Juni 1978 rechtskräftig.
Am 14. August 1978 wurde das Kreisjugendamt Stade, am 21. November 1978 das Kreisjugendamt Cuxhaven zum Vormund für die Beigeladene bestellt.
Im August 1978 beantragte das Kreisjugendamt Stade als damaliger Vormund der Beigeladenen Versorgungsleistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG), und zwar von der Schädigung ab. Ebenfalls im August 1978 meldete die Klägerin ihren Ersatzanspruch an. Mit Bescheid vom 20. August 1979 bewilligte das Versorgungsamt unter Anerkennung einer "Hirnschädigung als Mißhandlungsfolge" ab 1. August 1978 Beschädigtenversorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 vH. Die Klägerin erhielt eine Abschrift des Bescheides.
Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene Widerspruch ein und forderte eine Anerkennung des Leistungsanspruchs bereits ab Eintritt der Schädigung und nicht erst ab 1. August 1978 - dem Antragsmonat. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 1980 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Diesen Bescheid, den der Beklagte in einer Ablichtung auch der Klägerin mit formlosen Schreiben vom 17. Januar 1980 zuleitete, ließ die Beigeladene unangefochten.
Die Klägerin hat am 17. Februar 1981 Klage erhoben und dabei Ersatz ihrer in der Zeit vom 21. Oktober 1977 bis 31. Juli 1978 für die Beigeladene erbrachten Leistungen sowie hilfsweise die Abänderung des Bescheides vom 20. August 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 1980 begehrt.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Beklagte habe mit seinen Bescheiden zu Recht erst ab dem Antragsmonat - 1. August 1978 - Beschädigtenversorgung bewilligt. Die ab 1. Januar 1979 in Kraft getretene Neuregelung des § 60 Abs 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG), wonach ausnahmsweise auch für einen Zeitraum vor der Antragstellung Versorgung zu leisten sei, sei hier nicht anwendbar. Die Klägerin müsse die Bindungswirkung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides gegen sich gelten lassen. Zwar stehe ihr eine eigene Klagebefugnis zu, da den Verwaltungsakten des Beklagten eine "Tatbestandswirkung" für ihren Ersatzanspruch nach § 19 BVG zukomme. Die Klägerin habe es jedoch versäumt, innerhalb der Klagefrist (§ 87 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) rechtzeitig gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 7. Januar 1980 Klage zu erheben. Im übrigen könne die Klägerin ihren Ersatzanspruch auch nicht damit begründen, daß der Leistungsbeginn auf einen früheren Zeitpunkt vorverlegt werden müsse. Denn die bei der Klägerin am 26. Oktober 1977 eingegangene "Verordnung von Krankenhauspflege" stelle keinen Antrag auf Versorgung nach dem OEG dar.
Die Klägerin hat die - vom SG zugelassene - Sprungrevision eingelegt. Sie rügt, das SG sei zu Unrecht von einer Bindungswirkung des Widerspruchsbescheides ausgegangen. Denn sie sei zu keinem Zeitpunkt zum Verfahren zugezogen worden, sondern habe lediglich eine Abschrift des Bescheides erhalten. Mangels Beteiligung am Verwaltungsverfahren habe für sie auch keine Klagefrist gegolten. Sie rügt außerdem eine Verletzung des § 1 Abs 1 OEG iVm §§ 1, 60 Abs 1 BVG. Das SG habe zu Unrecht in dem bei ihr gestellten Antrag auf Heilbehandlung nicht zugleich einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG gesehen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die der Beigeladenen in der Zeit vom 21. Oktober 1977 bis 31. Juli 1978 gewährten Leistungen zu erstatten, hilfsweise, unter Änderung des Bescheides vom 20. August 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Januar 1980 den Beklagten zu verurteilen, Beschädigtenversorgung zumindest ab Beginn der schädigungsbedingten ärztlichen Behandlung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die geltend gemachten Heilbehandlungskosten nach den gem § 1 Abs 1 Satz 1 OEG (vom 11. Mai 1976, BGBl I 1181) entsprechend anwendbaren Vorschriften des § 19 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 BVG idF vom 22. Juni 1976 (BGBl 1633) zu ersetzen.
Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 19 BVG in Betracht. Der Ersatzanspruch nach dieser Vorschrift setzt voraus, daß eine Krankenkasse nicht nur nach dem BVG - wie im Fall des hier nicht anwendbaren § 20 BVG aF iVm § 1 Abs 1 Satz 1 OEG, § 18c Abs 2, § 10 Abs 1 Satz 1 und Abs 6, § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 5, Satz 2 Halbsatz 1, Satz 3, § 18a Abs 1 Satz 1 und Abs 2 BVG - die Heilbehandlung zu gewähren hatte (§ 19 Abs 1 Satz 1 BVG). Im gegenwärtigen Fall hatte die Klägerin für die Beigeladene im Wege der Familienkrankenhilfe nach § 205 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm § 184 RVO Krankenhauspflege zu leisten.
Dieser Anspruch wurde nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Kind infolge einer vorsätzlichen rechtswidrigen Verletzung durch seinen Vater, den Versicherten, krankenhilfebedürftig geworden war. Diese Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung können die Berechtigten für unterhaltsberechtigte Familienangehörige "unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfang wie Versicherte" und damit, ungeachtet eines schuldhaft und rechtswidrig herbeigeführten Bedürfnisses, unbedingt und uneingeschränkt beanspruchen (vgl die Ausnahmeregelung des § 192 RVO für Krankengeld; für die Unfallversicherung: §§ 553, 554 RVO; für die Rentenversicherung: § 1277 RVO). Ein Anspruch auf Schadensersatz und damit auf Gewährung der ärztlichen Behandlung, den die Beigeladene wegen der vorsätzlichen rechtswidrigen Schädigung zusätzlich zu ihrem Unterhaltsanspruch gegen ihren Vater hat (§ 823 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-, § 223b StGB, § 249 BGB), ist als Geldersatzanspruch entsprechend § 1542 RVO aF und § 67 Abs 2 Satz 2 Versicherungsvertragsgesetz auf die Klägerin in Höhe ihrer Aufwendungen für die Krankenhauspflege übergegangen (BGHZ 41, 79, 82 ff; jetzt § 116 Abs 1 und 6 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches -SGB X- Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - vom 4. November 1982 - BGBl I, 1450). Diese Forderung, die die Versichertengemeinschaft entlastet, steht dem Sachleistungsanspruch für das Kind nicht etwa nach dem Grundsatz entgegen, daß eine Rechtsausübung unzulässig ist, wenn das Erlangte sofort an den Schuldner zurückgegeben werden muß (Staudinger/Schmidt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl 1983, § 242, Rdnr 657 ff, 661, 681, 682 mN) oder wenn ein Schadensersatzanspruch aus demselben Rechtsverhältnis besteht (RGZ 73, 343, 346; 160, 310, 312; BGH, VersR 1959, 92; BGH, NJW 1976, 1631). Die beiden Ansprüche im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Vater der Beigeladenen sind verschiedenartig und stammen aus unterschiedlichen Rechtsbeziehungen, weshalb der genannte Rechtsgrundsatz nicht anzuwenden ist.
Der Anspruch auf Familienkrankenhilfe wurde auch nicht durch einen versorgungsrechtlichen Anspruch für die Beigeladene gem § 205 Abs 1 Satz 1 RVO ausgeschlossen. Für die Zeit der Krankenhausbehandlung konnte die Beigeladene diese Leistung nicht als Heilbehandlung nach den oben genannten versorgungsrechtlichen Vorschriften beanspruchen.
Da die Klägerin mithin die Krankenhauspflege nicht kraft Auftrages für die Versorgungsverwaltung zu gewähren hatte, kann sie keinen Ersatz aus § 19 BVG aF vom Beklagten verlangen.
Die Klägerin könnte ihre Aufwendungen nur nach der Anerkennung ersetzt verlangen (§ 19 Abs 3 Satz 1 SGG; BSG SozR 3100 § 19 Nrn 7 und 9); der gegenüber der Beschädigten ergangene Anerkennungsbescheid des Beklagten hat "Tatbestandswirkung" für den Ersatzanspruch (BSGE 52, 281, 282 = SozR 3800 § 2 Nr 3; BSG 27. Januar 1982 - 9a/9 RVg 3/81 = BKK 1982, 379). Demgemäß kann die Klägerin die Änderung des Verwaltungsaktes mit dem Ziel einer Anerkennung für die Zeit ab Behandlungsbeginn im eigenen Interesse fordern (BSGE 52, 281, 283; BSG 27. Januar 1982). Dazu ist sie auch verfahrensrechtlich befugt, weil sie formlos, und zwar durch Zusenden des Bescheides und des Widerspruchsbescheides, zum Verwaltungsverfahren beigezogen worden war (BSGE 52, 281, 283; BSG USK 82139). Dies war - auch ohne ihren Antrag - von Amts wegen möglich. Eine Änderung der Verwaltungsentscheidungen hat die Klägerin - hilfsweise - beantragt.
Die Verwaltungsakte waren noch nicht vor der Klageerhebung vom Februar 1981 im Verhältnis zur Klägerin bindend und damit unanfechtbar geworden (§ 77 SGG, § 24 KOVVfG aF); denn der Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 1980 wurde der Klägerin nur formlos durch eine Abschrift bekanntgegeben, jedoch nicht in der gebotenen Form zugestellt (§ 85 Abs 3, § 63 Abs 1 und 2 SGG, § 2 VwZG), so daß die Klagefrist nicht zu laufen begann (§ 87 Abs 1 Satz 1 SGG, § 9 Abs 2 VwZG).
Indes ist der Beginn des Versorgungsanspruches nicht für die Zeit vor dem Antragsmonat - August 1978 - vorzuverlegen.
Gemäß der nach § 1 Abs 1 Satz 1 OEG entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 60 Abs 1 BVG (in der bis zum 31. Dezember 1978 gültigen Fassung, zuletzt idF des Gesetzes vom 27. Juni 1977 - BGBl I 1037) beginnt die Beschädigtenversorgung mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind, frühestens mit dem Antragsmonat. Durch das 10. Anpassungsgesetz - Kriegsopferversorgung - (10. AnpG-KOV) vom 10. August 1978 (BGBl I 1217) sind in § 60 Abs 1 BVG die Sätze 2 und 3 neu eingefügt worden. Nach Satz 2 in der jetzigen Fassung ist eine Beschädigtenversorgung auch für Zeiträume v o r der Antragstellung zu leisten, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Schädigung gestellt wird. War der Beschädigte ohne sein Verschulden an der Antragstellung verhindert, so verlängert sich nach Satz 3 diese Frist um den Zeitraum der Verhinderung.
Diese neuen Vorschriften, die einen Ersatzanspruch der Klägerin aus § 19 BVG begründen würden, sind jedoch im gegenwärtigen Fall nicht anzuwenden, wie das SG zu Recht entschieden hat.
§ 60 Abs 1 BVG nF ist am 1. Januar 1979 in Kraft getreten (Art 8 des 10. AnpG-KOV). Eine Übergangsvorschrift für den zeitlichen Geltungsbereich dieser Bestimmung enthält das 10. AnpG-KOV nicht. In einem solchen Fall muß nach allgemeinen Grundsätzen sowie insbesondere nach dem Zweck der gesetzlichen Anordnung und nach dem Zusammenhang, in dem sie steht, entschieden werden, ob sie auch zeitlich zurückliegende Fälle erfassen soll (Urteil des erkennenden Senats in BSGE 46, 127, 129 = SozR 3100 § 89 BVG Nr 6).
Nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz knüpfen neue Gesetze grundsätzlich nicht an vergangene, dh vor dem Inkrafttreten entstandene Tatsachen an (BSGE 41, 198, 199 = SozR 2600 § 45 Nr 11; BSGE 46, 127, 129 ff; SozR 3200 § 80 Nr 2; SozR 7190 § 4 Nr 1). Für eine Abweichung davon fehlt im gegenwärtigen Fall die Voraussetzung, daß der Sachverhalt noch "offen" gewesen wäre und infolgedessen vom neuen Recht erfaßt werden könnte. Die Beigeladene wurde vielmehr bereits vor dem 1. Januar 1979 geschädigt, und Versorgung für sie wurde vor diesem Zeitpunkt beantragt. Damit waren die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 1 OEG in der Vergangenheit vollständig erfüllt. Daran und als frühesten Zeitpunkt an den Antragsmonat knüpft § 60 Abs 1 BVG den Leistungsbeginn an, während dafür nicht etwa zusätzlich - wie bei einer Ermessensentscheidung (§ 40 Abs 2 SGB I; BSGE 46, 127, 130 f; vgl dazu aber BVerfGE 60, 16, 38 ff = SozR 3100 § 89 Nr 10) - eine Verwaltungsentscheidung über den Antrag erforderlich ist, die beim Inkrafttreten des 10. AnpG-KOV noch offenstand. Sinn und Zweck des § 60 Abs 1 BVG nF gebieten keine Anwendung auf solche Tatbestände, die abgeschlossen in der Vergangenheit liegen. Einem bereits vor dem Inkrafttreten gestellten Antrag wird nicht etwa rückwirkend die Kraft zuerkannt, daß er, falls er innerhalb eines Jahres nach der Schädigung gestellt wurde, auch für die Vergangenheit die Leistungen bereits beginnen läßt. Zwar soll die neue Regelung "insbesondere den Belangen von Impfgeschädigten und Opfern von Gewalttaten Rechnung" tragen, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt (BR-Drucks 138/78, S 50 zu Nr 37, Buchstabe a). Aber dies soll erkennbar nur für die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gestellten Anträge gelten, die sich allerdings auch auf zurückliegende Schadensfälle beziehen können.
Der Senat vermag sich der Auffassung der Klägerin auch nicht anzuschließen, daß ihr Ersatzanspruch deshalb berechtigt sei, weil die Beigeladene durch ihren gesetzlichen Vertreter mit der am 21. Oktober 1977 bei der Krankenkasse eingegangenen ärztlichen "Verordnung von Krankenhauspflege" nicht nur Krankenhilfe (§§ 182, 184 RVO) beantragt habe, sondern zugleich Versorgung nach dem OEG. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG für den Bereich der Kriegsopferversorgung kann ein Beschädigter Leistungen mit Rückwirkung ab Antragsmonats (§ 60 Abs 1 BVG aF) nur von dem Monat an beanspruchen, in dem er beim Versorgungsamt (§ 6 Abs 1 KOVVfG) oder bei einer anderen amtlichen Stelle oder einem Träger der Sozialversicherung (§ 6 Abs 2 aaO; § 16 SGB I) diese Versorgung beantragt hat (BSGE 34, 289, 293 = SozR Nr 13 zu § 19 BVG; SozR 3100 § 19 Nr 9). Ohne einen darauf gerichteten Willen und eine diesen Willen hinreichend deutlich zum Ausdruck bringende Erklärung dürfen weder Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen anerkannt noch die darauf bezogenen Leistungen gewährt werden. Dies gilt uneingeschränkt auch im Opferentschädigungsrecht, das insoweit auf die Regelungen des BVG verweist (§ 1 Abs 1 OEG) und das dem Antrag auf Versorgung die gleiche Bedeutung für Entstehung und Leistungsbeginn zuweist. Wenn die Eltern der Beigeladenen vor August 1978 die Krankenhausbehandlung von der Klägerin verlangten, dann beantragten sie gerade nicht zugleich Versorgung nach dem OEG. Der Antrag auf Sozialleistungen ist wie eine bürgerlich-rechtliche Willenserklärung entsprechend § 133 BGB auszulegen; er enthält wesentlich ein Willenselement (BSG SozR 5486 Art 4 § 2 Nr 2 = SGb 1977, 500 mit Anmerkung; SozR 3100 § 48 Nr 7; Nr 1 der VV zu § 6 KOVVfG). Er ist auf den Leistungsbereich beschränkt, aus dem etwas angestrebt wird (BSG SozR Nr 1 zu § 1545 RVO). Leistungen, die für den Antragsteller ungünstig sind, umfaßt er nicht (BSG SozR Nr 12 zu § 1248 RVO). Die Eltern der Beigeladenen waren wohl an einer Krankenhilfe interessiert, wollten aber gerade keinen Antrag auf Leistungen nach dem OEG stellen, der ihre Straftat offenbart hätte, und machten deshalb falsche Angaben in der Hoffnung, sie könnten dadurch ihre strafbaren Handlungen vertuschen. Die Besonderheit, daß der Behandlung eine Anerkennung nach früherem Versorgungsrecht vorausgegangen war, weshalb der Antrag an die Krankenkasse nach § 18a Abs 1 Satz 3 BVG zugleich als Versorgungsantrag gewertet werden könnte (BSG SozR 3100 § 18a Nr 2), war hier nicht gegeben. Ob ein an die Krankenkasse gerichtetes Leistungsbegehren der zu behandelnden Person auch in anderen Fällen zugleich als Antrag auf Versorgung gewertet werden kann (BSG aa0), ist hier nicht in Betracht zu ziehen. Einen derartigen Antrag stellten die Eltern der Beigeladenen als gesetzliche Vertreter bei der Krankenhauseinweisung gerade nicht. Ihr Sorgerecht und damit ihre Vertretungsbefugnis (§ 1626 BGB idF vor dem Gesetz vom 18. Juli 1979 - BGBl I 1061 -), das sie allein dazu berechtigt hätte, hatten sie zu Beginn der Krankenhausbehandlung noch nicht durch die Rechtskraft des Strafurteils verwirkt (§ 1676 BGB aF). Das Jugendamt hatte damals noch nicht als Vormund die gesetzliche Vertretung übertragen bekommen (§ 1773 Abs 1, § 1791b BGB). Die Klägerin hätte während der Krankenhausbehandlung einen Antrag nach dem OEG durch einen auf ihre Anregung zu bestellenden Ergänzungspfleger (§ 1909 Abs 1 BGB) stellen lassen können.
In der Vorlage der "Verordnung von Krankenhauspflege", in der der einweisende Arzt die stationäre Behandlung medizinisch notwendig erklärt (§ 184 Abs 1, § 182 Abs 2 RVO), kommt kein weitergehender Wille der Eltern zum Ausdruck, als er zuvor gewürdigt worden ist.
Der Klägerin steht schließlich auch kein allgemeiner Erstattungsanspruch zu. Gegenüber einem solchen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, der nunmehr in §§ 93 und 102 bis 103 SGB X geregelt ist, gehen die Erstattungsregelungen der §§ 19 und 20 BVG als Sondervorschriften vor. In diesen Bestimmungen, die durch das SGB X geändert und bestätigt worden sind, ist die finanzielle Abwicklung des gesetzlichen Auftragsverhältnisses zwischen Krankenkasse und Versorgungsverwaltung abschließend und erschöpfend geregelt (ständige Rechtsprechung; vgl BSGE 49, 250, 253 = SozR 3100 § 19 Nr 11; SozR 3100 § 19 Nrn 6, 7, 10; BSG USK 7940; BSG vom 5. März 1981 - 9 RV 35/80).
Die Klägerin hat somit - wie das SG im Ergebnis zutreffend entschieden hat - die Krankenhilfe für die Beigeladene in der Zeit vom 21. Oktober 1977 bis 31. Juli 1978 ausschließlich nach der RVO zu tragen und kann ihre Aufwendungen nicht teilweise auf den Beklagten abwälzen.
Die Revision der Klägerin war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen