Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Beitragszuschuß wird auch durch eine ausländische pflichtmäßige Krankenversicherung ausgeschlossen, zu der alle im Geltungsbereich der (ausländischen) gesetzlichen Regelung wohnenden Personen mit einkommensbezogenen Beiträgen herangezogen werden (Anschluß an BSG 1977-04-27 3 RK 70/75).

 

Leitsatz (redaktionell)

Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4 aF für einen in Kanada lebenden Rentner:

Ein in Kanada lebender Rentner, der eine Rente aus der deutschen Angestelltenversicherung bezieht und der staatlichen kanadischen Pflichtversicherung (Quebec Hospital Insurance und Quebec Health Insurance) als Pflichtmitglied angehört, der darüber hinaus bei einem kanadischen privaten Versicherungsunternehmen (Quebec Hospital Service Association) gegen Krankheit freiwillig versichert ist, hat keinen Anspruch auf den Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4 aF. Dies gilt auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten (1.5.1972) des SozSichAbk CAN vom 30.3.1971.

 

Normenkette

RVO § 381 Abs. 4 Fassung: 1967-12-21; SozSichAbk CAN Art. 6 Fassung: 1971-03-30

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 23. Juni 1976 wird zurückgewiesen, soweit der Kläger einen Beitragszuschuß für die Zeit ab 1. November 1970 fordert. Soweit der Kläger den Beitragszuschuß für die Zeit vom 1. August 1968 bis zum 31. Oktober 1970 fordert, wird seine Revision als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Beitragszuschusses.

Der Kläger lebt in M/Kanada und bezieht von der Beklagten eine Rente, seit dem 1. August 1968 als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und seit dem 1. September 1971 als Altersruhegeld. Der Kläger ist in mehrfacher Weise gegen Krankheit versichert. Er gehört seit Jahrzehnten der Quebec Hospital Service Association, einem privaten Versicherungsunternehmen, an und zahlt dazu Prämien. Er genießt weiterhin Krankenschutz bei der Quebec Hospital Insurance seit ihrer Einführung (1961), einer beitragsfreien staatlichen Pflichtversicherung, und seit dem 1. November 1970 bei der Quebec Health Insurance. Diese Versicherung erfaßt alle in der Provinz Quebec wohnenden Personen, die dafür Beiträge nach ihrem Einkommen aufzubringen haben.

Im August 1971 beantragte der Kläger, ihm einen Beitragszuschuß zu seinen Krankenversicherungen zu zahlen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. Mai 1974 ab. Dem Kläger stehe kein Beitragszuschuß zu, weil er in der Zeit vom 1. August 1968 bis zum 31. Oktober 1970 nur teilversichert gewesen sei, für ambulante Behandlungen hätten ihm keine Versicherungsleistungen zugestanden. In der Zeit ab 1. November 1970 habe er Pflichtversicherungen angehört, die zwar einer Vollversicherung entsprächen, zu denen aber kein Beitragszuschuß gewährt werde; der von ihm abgeschlossenen Zusatzversicherung habe es nicht mehr bedurft.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben und gefordert, ihm rückwirkend ab 1. August 1968 den Beitragszuschuß zu zahlen. Das SG hat mit Urteil vom 14. Februar 1975 die Beklagte verurteilt, dem Kläger einen Beitragszuschuß ab 1. November 1970 zu zahlen. Die Versicherungen des Klägers seien als private Krankenversicherungsunternehmen iS des § 381 Abs 4 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzusehen. Da er durch sie vollen Krankenschutz genieße, sei der geltend gemachte Anspruch begründet. In den Gründen des Urteils wird weiter ausgeführt, daß der Anspruch für die Zeit bis zum 31. Oktober 1970 nicht begründet sei, weil sich die damalige Versicherung des Klägers auf Leistungen bei stationärer Behandlung beschränkt habe.

Gegen dieses Urteil hat allein die Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat sie eine Auskunft des deutschen Generalkonsulats in Montreal über die Leistungen der Pflichtversicherungen der Provinz Quebec vorgelegt. Danach gewährt die Quebec Health Insurance Leistungen für Arztkosten - sowohl ambulant wie stationär -, Honorare für Narkoseärzte, Honorare für Chirurgen, Honorare für Psychiater, Geburtshilfe, zahnärztlich-chirurgische Leistungen im Krankenhaus und Leistungen für Optometristen. Die Quebec Hospital Insurance gewährt Kosten für Unterkunft und Verpflegung im Krankenhaus, Labor- und Röntgenkosten im Krankenhaus, Medikamente im Krankenhaus sowie Kosten für Benutzung des Operationssaals, Narkosematerial, Verbandsstoff, Operationsmaterial und Röntgentherapie. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 23. Juni 1976): Der Beitragszuschuß setze der Gesetzessystematik nach voraus, daß der Versicherte zu seiner Krankenversicherung einen Beitrag aufbringe. Die Zahlungen des Klägers für seine Pflichtversicherung richteten sich nach steuerlichen Grundsätzen, weil sie nach einem bestimmten Satz des Einkommens, und zwar jeder Art, bemessen würden. Sie könnten demgemäß nicht als Beitrag iS des deutschen Sozialversicherungsrechts angesehen werden. Das lasse auch Art 6 des deutschkanadischen Sozialversicherungsabkommens deutlich werden. Die vom Kläger darüber hinaus abgeschlossene Zusatzversicherung könne als Teilversicherung keinen Beitragszuschuß begründen.

Mit der zugelassenen Revision wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und fordert erneut die Gewährung von Beitragszuschuß im gleichen Umfang wie vor dem SG. Er rügt, daß das LSG seine Beurteilung der Krankenversicherungen auf eine 1974 in Kanada erschienene Schrift gestützt habe, die ihm nicht bekannt gegeben worden sei. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, seine Pflichtversicherung in der Provinz Quebec sei nicht im Kern mit einer Vollversicherung vergleichbar, weil sie keine chirurgischen Leistungen im Krankenhaus umfasse. Erst durch den Abschluß der Zusatzversicherung erreiche sein Krankenschutz den Umfang einer Vollversicherung. Schließlich meint der Kläger, der Beitragszuschuß verfolge den Zweck, dem Rentner einen Ausgleich für die finanziellen Lasten eines Versicherungsschutzes zu bieten.

Er beantragt,

das Urteil des LSG Berlin aufzuheben und ihm Beitragszuschuß ab 1. August 1968 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, daß die in Kanada erschienene Schrift dem LSG nur dazu gedient habe, das kanadische Versicherungssystem in das deutsche Krankenversicherungssystem rechtlich einzuordnen. Aus ihr seien jedoch keine Tatsachen entnommen und neu in den Rechtsstreit eingeführt worden. Im übrigen habe der Kläger in der Revision nicht dargelegt, daß sein freiwilliger Krankenschutz bei der Quebec Hospital Service Association einer deutschen Krankenkosten-Vollversicherung zumindest nahe komme.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Ihm steht kein Anspruch auf Beitragszuschuß zu.

Der Kläger fordert in der Revisionsinstanz den Beitragszuschuß für den Bezugszeitraum ab 1. August 1968. Für die Entscheidung über diesen Anspruch sich verschiedene Rechtsgrundlagen heranzuziehen.

Für den Bezugszeitraum vom 1. August 1968 bis zum 31. Oktober 1970 bedarf es keiner materiell-rechtlichen Prüfung des Anspruchs, weil das Begehren des Klägers bereits aus prozessualen Gründen scheitern muß. Diesen Teilanspruch hatte das SG als nicht begründet angesehen und insoweit auch der Klage nicht stattgegeben. Das Urteil des SG vom 14. Februar 1975 ist zwar insofern fehlerhaft, als im Urteilstenor diese Klageabweisung nicht ausdrücklich ausgesprochen worden ist. Dennoch bringen die Urteilsgründe zum Ausdruck, daß das SG auch über diesen Teilanspruch entscheiden wollte, und zwar zu Ungunsten des Klägers. Der Mangel des sozialgerichtlichen Urteils ist späterhin vom LSG erkannt worden, und es hat ihm dadurch Rechnung getragen, daß es die Klage "in vollem Umfang" abgewiesen hat. Da gegen das Urteil des SG nur die Beklagte Berufung eingelegt hat, konnte das Rechtsmittel nur den Anspruch für die Zeit ab 1. November 1970 ergreifen, weil nur insoweit die Beklagte verurteilt worden war. Der Kläger seinerseits hat kein Rechtsmittel eingelegt. Demgemäß ist das Urteil des SG, soweit es über den Anspruch für die Zeit vom 1. August 1968 bis zum 31. Oktober 1970 entschieden hatte, in Rechtskraft erwachsen. Die Revision des Klägers über diesen Teilanspruch ist mithin unzulässig und demgemäß zu verwerfen (§ 169 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Für den Bezugszeitraum vom 1. November 1970 bis zum 30. April 1972 beurteilt sich der Anspruch des Klägers nach den Vorschriften der RVO, weil das deutsch-kanadische Sozialversicherungsabkommen erst für die Zeit ab 1. Mai 1972 eingreift. Die Vorschriften der RVO enthalten keine ausdrücklichen Bestimmungen für den Fall, daß der Rentenempfänger seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in einem Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs der RVO hat. Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 28. August 1970 (BSGE 31, 288) eingehend dargelegt hat, steht der Auslandsaufenthalt dem Anspruch auf Gewährung eines Beitragszuschusses nicht entgegen. Da das Territorialitätsprinzip die Ausübung staatlichen Versicherungszwangs grundsätzlich auf das eigene Staatsgebiet beschränkt (vgl BSGE 31, 288, 290 mit weiteren Hinweisen; 32, 174, 175; vgl auch § 30 SGB, Allg. Teil), kann der Rentner mit ständigem Aufenthalt im Ausland in aller Regel nicht der Versicherungspflicht zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) unterliegen. Wenn ihm - obwohl aus dem Schutzsystem der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen - dennoch auf Grund seiner Zugehörigkeit zum deutschen Sozialversicherungssystem ein Krankenschutz zustehen soll, so kann der Rechtsgrund dafür nur aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung hergeleitet werden. Die Schutzbedürftigkeit gegenüber dem Krankheitsrisiko kann für den Auslandsrentner prinzipiell nicht anders eingeschätzt werden als für den Inlandsrentner; demgemäß muß die Rentenversicherung als zur Abdeckung dieses Risikos primär verpflichteter Versicherungszweig auch für beide Rentnergruppen vergleichbar Leistungen zur Verfügung stellen. Daraus folgt, daß sie dem Auslandsrentner einen Beitragszuschuß zu zahlen hat, wenn sie bei vergleichbarer Sachlage dem Inlandsrentner diese Leistung gewähren würde.

Die Ableitung des Beitragszuschusses ins Ausland aus den dargelegten Rechtsgrundsätzen wird noch dadurch unterstrichen, daß das Rechtsinstitut des Beitragszuschusses bei seiner erstmaligen Einführung überhaupt nur unter dem Aspekt der Gleichbehandlung begründet worden ist (vgl dazu Heinze in PKV-Dokumentation Nr 5, Zum Beitragszuschuß, S 12, 13). Die Rentnerkrankenversicherung, wie sie durch § 4 des Gesetzes über die Verbesserung der Leistungen in der Rentenversicherung vom 24. Juli 1941 (RGBl I 443) eingeführt worden war, sah zunächst für alle Rentenempfänger nur eine Pflichtversicherung vor, für einen Beitragszuschuß bot jene Regelung demgemäß keinen Raum. Erst die Neuordnung der Rentnerkrankenversicherung durch das 3. Gesetz über Änderungen und Ergänzungen von Vorschriften des 2. Buchs der RVO (Gesetz über Krankenversicherung der Rentner) vom 12. Juni 1956 (BGBl I 500) teilte den Kreis der Rentenempfänger und Rentenbewerber auf, unterwarf eine Gruppe davon - Rentner mit bestimmten Vorversicherungszeiten - der Versicherungspflicht, die anderen Rentner hingegen beließ es versicherungsfrei. Die pflichtversicherten Rentner erhielten kostenfreien Krankenschutz, für sie brachten die Rentenversicherungsträger Beiträge auf, die sie unmittelbar an die zuständigen Krankenversicherungsträger abführten (vgl § 381 Abs 2, § 385 Abs 2 und 3 RVO). Den nicht pflichtversicherten Rentnern blieb es freigestellt, sich einen Krankenversicherungsschutz zu verschaffen. Gingen sie eine freiwillige Krankenversicherung mit vergleichbarem Schutzumfang wie in der gesetzlichen Krankenversicherung ein, so stand ihnen ein Anspruch auf den Beitragszuschuß zu. Dieser war ebenfalls vom Rentenversicherungsträger aufzubringen und war im wesentlichen ebenso hoch wie der von ihm zu zahlende Pflichtbeitrag. Zweck der Regelung war es, dem nicht pflichtversicherten Rentner einen vertraglichen Krankenschutz zu ermöglichen. Die Regelung war von der gesetzgeberischen Konzeption her zunächst für Rentner bestimmt, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich der RVO hatten. Das ergibt sich schon daraus, daß die Ausgangsregelung in § 381 Abs 4 Satz 1 RVO als vertraglichen Krankenschutz auf die freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung - das ist nach der Terminologie der RVO die im 2. Buch der RVO geregelte Versicherung - abstellt.

Die seit dem 1. August 1956 geltende Regelung ist zwar durch spätere Bestimmungen, insbesondere durch das Gesetz zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil, vom 21. Dezember 1967 (BGBl I 1259), in zahlreichen Punkten geändert worden, jedoch ist für den Geltungsbereich der RVO die Unterscheidung zwischen Rentnern, die der Versicherungspflicht zur KVdR unterworfen sind (§ 165 Abs 1 Nr 3 RVO), und Rentnern, die nicht dieser Versicherungspflicht unterliegen (§ 173 a RVO ermöglicht jetzt die Befreiung von der Versicherungspflicht), erhalten geblieben. Ebenso ist der Finanzierungsmodus, den der Gesetzgeber für die Ansprüche der beiden Rentnergruppen vorgesehen hatte, bestehen geblieben. Kriterium für die Zuordnung zu einer der beiden Rentnergruppen ist einerseits die Pflichtzugehörigkeit zur deutschen gesetzlichen Krankenversicherung und andererseits die Eingehung eines vertraglichen freiwilligen Krankenschutzes. Das folgt aus § 381 Abs 4 Satz 1 RVO, denn diese Vorschrift sieht den Anspruch auf Beitragszuschuß auch für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung vor, beschränkt ihn allerdings auf den Fall, daß sie der Versicherung als freiwillige Mitglieder angehören. Die Konzeption des Gesetzes hat zur Folge, daß sich Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung und Anspruch auf Beitragszuschuß gegenseitig ausschließen. Die KVdR bezweckt, den Rentnern Krankenschutz zu verschaffen, die gesetzliche Pflichtversicherung und der vertragliche Krankenschutz stellen aber nur verschiedene Wege dar, um das gleiche Ziel - eine Sicherung gegen Krankheit - zu erreichen.

Für den sich aus dem Zweck der Regelung ergebenden Ausschluß des Anspruchs auf Beitragszuschuß durch die Pflichtzugehörigkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung ist es unerheblich, auf welchen Rechtsgrund die Pflichtmitgliedschaft zur gesetzlichen Krankenversicherung zurückzuführen ist, insbesondere ob sie lediglich durch einen Rentenbezug begründet worden ist, ob sie auf ein Beschäftigungsverhältnis zurückgeht oder ob sie auf anderen Rechtsgründen beruht. Auch wenn ein Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung, aus welchen Gründen auch immer, zusätzlich noch einen vertraglichen Krankenversicherungsschutz einginge, so könnte dadurch kein Anspruch auf Beitragszuschuß begründet werden, weil der Schutz gegen das Krankheitsrisiko bereits durch die Pflichtmitgliedschaft vermittelt wird. Zwar ist nicht zu übersehen, daß in einem solchen Fall die beiden Formen des Krankenschutzes - durch die Pflichtversicherung oder mittels des Beitragszuschusses - an sich miteinander in Konkurrenz stünden, aus dem Sinnzusammenhang der Gesamtregelung ergibt sich aber, daß der Anspruch auf Beitragszuschuß nur nachrangige Bedeutung haben soll. Wenn er dafür bestimmt ist, dem Rentner, der über keinen Krankenschutz verfügt, den Abschluß einer entsprechenden vertraglichen Sicherung zu ermöglichen, so folgt daraus, daß der Rentner, der bereits kraft Gesetzes über einen Krankenschutz verfügt, nicht zur Inanspruchnahme der Leistung berechtigt sein kann. Diese Rechtsfolge hat der Gesetzgeber zwar nicht expressis verbis in § 381 Abs 4 RVO festgelegt, sie ergibt sich aber aus einer Reihe von Einzelvorschriften. Dafür spricht zunächst schon die versicherungsrechtliche Grundsatzbestimmung in § 165 Abs 1 Nr 3 RVO, daß Rentner im Regelfall der Pflichtversicherung unterfallen, denn damit werden sie vom Beitragszuschuß ausgeschlossen. Von der Pflichtversicherung können auch gemäß § 173 a Abs 1 Satz 2 und Abs 2 RVO nicht alle Rentner befreit werden. Des weiteren bestimmt § 381 Abs 4 Satz 3 RVO, daß der Beitragszuschuß dann entfällt, wenn der Rentner durch einen Zuschuß seines Arbeitgebers nach § 405 RVO die Möglichkeit erhält, sich vertraglichen Krankenschutz zu verschaffen. Schließlich bestimmt § 165 Abs 6 Satz 1 RVO, daß die Pflichtversicherung zur KVdR dann nicht eintritt, wenn bereits eine Pflichtversicherung nach § 165 Abs 1 Nr 1, Nr 2, Nr 2 a, Nr 4 oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften vorliegt.

Damit läßt sich - zusammenfassend - feststellen, daß der Beitragszuschuß seiner Zweckbestimmung nach nur dort zu leisten ist, wo der Rentner noch nicht (pflichtmäßig) in einen Krankenschutz eingegliedert ist. Es handelt sich dabei um eine Ausprägung des die gesamte Rentnerkrankenversicherung beherrschenden Subsidiaritätsprinzips (vgl dazu BSGE 14, 181, 184; 42, 113, 114). Dieser Regelungsgehalt muß auch Anwendung finden, wenn es um die Zahlung eines Beitragszuschusses ins Ausland geht. Wenn im innerstaatlichen Bereich die Einbeziehung des Rentners in das gesetzliche Krankenversicherungssystem (Pflichtversicherung) die Gewährung eines Beitragszuschusses ausschließt, muß die Einbeziehung eines Versicherten im Ausland in ein dort bestehendes staatliches Krankenversicherungssystem jedenfalls in der Regel zum gleichen Erfolg führen. Das entspricht der Zweckbestimmung der KVdR, nur dem noch nicht gesicherten Rentner Krankenschutz zu verschaffen. Dieser Grundsatz muß jedenfalls dann Anwendung finden, wenn die ausländische gesetzliche Pflichtversicherung wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist. Die genannte Voraussetzung ist jedoch für die staatlichen Pflichtversicherungen des Klägers in Kanada - Quebec Hospital Insurance und Quebec Health Insurance - gegeben. Der Kläger hat zwar in der Revision gerügt, daß diese Pflichtversicherungen keine zahnärztlichen und chirurgischen Leistungen umfaßten und daß zumindest die chirurgischen Leistungen im Krankenhaus zum Elementarbereich der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung gehörten; ihr Fehlen mache deutlich, daß die kanadischen Pflichtversicherungen nicht als Vollversicherung anzusprechen und daher der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung nicht vergleichbar seien. Diese Rüge geht jedoch fehl. Wie die im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheinigungen des deutschen Generalkonsulats in Quebec erweisen, erbringt die Quebec Health Insurance zahnärztlich-chirurgische Leistungen im Krankenhaus, und außerdem vergütet sie die Honorare für Chirurgen; die Quebec Hospital Insurance erbringt Leistungen für Unterkunft und Verpflegung im Krankenhaus, Medikamente im Krankenhaus und vergütet die Kosten für die Benutzung des Operationssaals, für Narkosemittel, Operationsmaterial und Verbandsstoff. Dadurch werden jedoch die Kosten für chirurgische Eingriffe im Krankenhaus im wesentlichen abgedeckt, so daß dieser Bereich der medizinischen Versorgung nicht ungeschützt bleibt. Wenn die Pflichtversicherungen des Klägers nicht für die Kosten von Zahnbehandlungen eintreten, so liegt insoweit zwar ein Unterschied zur deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vor, er führt aber nicht dazu, die Vergleichbarkeit des Versicherungsschutzes zu verneinen. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl BSGE 35, 15, 18, 19), können Lücken im Bereich zahnärztlicher Versorgung nicht als derart entscheidend angesehen werden, zumal auch in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung dieser Bereich nicht in vollem Umfang durch Versicherungsleistungen abgedeckt wird (vgl jetzt § 182 c RVO, für die Zeit vor dem 1. Oktober 1974 vgl BSGE 25, 116, 119). Erbringen mithin die kanadischen Pflichtversicherungen in hinreichendem Umfang Krankenschutz, so entfällt damit gleicherweise wie bei Pflichtzugehörigkeit zur deutschen gesetzlichen Krankenversicherung die Berechtigung zum Beitragszuschuß.

Die Gewährung eines Beitragszuschusses läßt sich auch nicht mit der Erwägung begründen, daß für die (ausländische) Pflichtversicherung von dem Rentner finanzielle Mittel aufgewendet werden, die seinem Krankenschutz dienen und die durch einen Beitragszuschuß ganz oder zum Teil wieder ausgeglichen werden könnten. Dadurch erhielte der Beitragszuschuß eine Zweckbestimmung, die ihm nicht zukommt. Diese Versicherungsleistung ist weder dazu bestimmt, Krankheitskosten auszugleichen noch Beitragsbelastungen einer Pflichtversicherung zu mildern; sie ist vielmehr lediglich dafür vorgesehen, dem nicht pflichtversicherten Rentner die Durchführung einer freiwilligen Versicherung (finanziell) zu ermöglichen. Auch im Geltungsbereich der RVO muß der Rentner, der Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist - wie zB auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses gegen Entgelt -, seinen Pflichtbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung aufbringen, ohne daß er dazu den Beitragszuschuß in Anspruch nehmen könnte. Da, wie bereits dargelegt, dem Rentner außerhalb des Geltungsbereichs der RVO nur die gleiche Rechtsstellung eingeräumt werden kann, steht ihm auch kein Beitragszuschuß zu der ausländischen Pflichtversicherung zu.

Die Zugehörigkeit des Klägers zur Quebec Hospital Service Association vermag für sich allein keinen Anspruch auf Beitragszuschuß zu begründen. Abgesehen davon, daß diese Versicherung, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, nur als Zusatzversicherung zu werten ist und ihrem Leistungskatalog nach keineswegs mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung verglichen werden kann, scheidet diese freiwillige Krankenversicherung für die Begründung eines Beitragszuschusses schon deswegen aus, weil der Kläger durch eine Pflichtversicherung gegen Krankheit geschützt ist.

Schließlich steht dem Kläger auch für den Bezugszeitraum ab 1. Mai 1972 kein Beitragszuschuß zu. Für diesen Anspruch sind in erster Linie die Vorschriften des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über soziale Sicherheit vom 30. März 1971 (BGBl II 1972, 218) heranzuziehen, weil dieses Abkommen am 1. Mai 1972 in Kraft getreten ist (Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada vom 6. April 1972 - BGBl II 299) und weil es Ansprüche auf Zahlung von Leistungen für die Zeit nach dem Inkrafttreten begründet (Art 14 Abs 1 des Abkommens). Das Abkommen enthält in Art 6 eine spezielle Regelung für den Beitragszuschuß. Danach steht für die Begründung eines solchen Anspruchs die freiwillige Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung in Kanada der freiwilligen Mitgliedschaft in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung gleich. Des weiteren steht die Versicherung gegen Krankheit bei einem privaten Versicherungsunternehmen in Kanada einer solchen Versicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland gleich. Mit dieser Regelung schließt das Abkommen an § 381 Abs 4 RVO an, denn diese Vorschrift begründet in Satz 1 einen Beitragszuschuß bei freiwilliger Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung und in Satz 2 bei Mitgliedschaft in einem privaten Versicherungsunternehmen. Aus der Regelung des Art 6 ergibt sich schließlich auch - argumentum e contrario -, daß die Pflichtmitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenversicherung in Kanada keiner freiwilligen Mitgliedschaft aus den beiden Tatbeständen des § 381 Abs 4 RVO gleichsteht. Damit zeigt sich, daß die bilaterale Abkommensregelung den Rechtszustand aufrechterhält, wie er sich bereits vor ihrem Inkrafttreten durch die Anwendung des innerstaatlichen deutschen Rechts ergeben hatte. Da der Kläger der Quebec Health Insurance und der Quebec Hospital Insurance kraft gesetzlicher Pflicht angehört, erfüllt er nicht die Voraussetzung eines Beitragszuschusses.

Der vom Kläger in der Revision geltend gemachte Anspruch ist mithin in vollem Umfang unbegründet. Da das LSG im angefochtenen Urteil in diesem Sinn erkannt hatte, ist die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 45

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