Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme von Bescheiden in der knappschaftlichen Rentenversicherung
Leitsatz (amtlich)
Eine Anerkennung der knappschaftlichen Versicherungsberechtigung nach RKG § 137 S 2 durch Verwaltungsakt kann nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts mit Wirkung ex nunc zurückgenommen werden.
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Träger der Knappschaftsversicherung kann einen Bescheid, in dem er die Zugehörigkeit zur knappschaftlichen Rentenversicherung anerkennt, mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen, soweit nicht bereits über die Gewährung von Rente zu befinden ist.
2. Der dem Versicherten in RKG § 137 S 2 ausdrücklich zugebilligte Vertrauensschutz verbietet es dem Träger der Knappschaftsversicherung, die Anerkennung seiner Zuständigkeit für eine zurückliegende Zeit aufzuheben; er hat vielmehr Rentenversicherungsbeiträge bis zu dem Tage der Zustellung des Rücknahmebescheides auch dann entgegenzunehmen, wenn der Bescheid über die Anerkennung den anderen betroffenen Versicherungsträgern nicht zugestellt und daher nicht bindend geworden ist.
Normenkette
RKG § 137 S. 2 Fassung: 1923-06-23; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen zu 3) bis 98) und die Anschlußrevision der Beigeladenen zu 2) gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Dezember 1965 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Revisionsverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten im Februar 1951, ihre Arbeitnehmer in die knappschaftliche Versicherung einzubeziehen. Mit Schreiben vom 16. Mai 1951 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sich die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) in K mit der Überführung der Arbeitnehmer der Klägerin in die knappschaftliche Versicherung zum 1. Juli 1951 einverstanden erklärt habe. Von diesem Zeitpunkt an wurden daher die Arbeitnehmer der Klägerin knappschaftlich versichert.
In dem Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofes vom Februar/März 1957 wurden Bedenken gegen die knappschaftliche Versicherung der Arbeitnehmer der Klägerin erhoben. Der Bundesrechnungshof erklärte, er werde keine Bedenken erheben, wenn von einer Überweisung der von der Beklagten für Zeiten vor dem 1. Juni 1957 zu Unrecht angenommenen Beiträge an die zuständigen Versicherungsträger abgesehen werde, weil § 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) erst am 1. Juni 1957 in neuer Fassung in Kraft getreten sei.
In einer Stellungnahme vertrat die Beklagte die Ansicht, die nach dem Kriege einsetzende umfangreiche Aufschließung neuer Braunkohlenvorkommen und die durch die Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse bedingte Wohnraumnot der Bergarbeiter hätten eine umfassende und zentrale Lenkung des Bergarbeiter-Wohnungsbaues erfordert, die von den einzelnen Bergbauunternehmen nicht in eigener Regie hätten bewältigt werden können. Deshalb sei die Klägerin von den Bergbauunternehmen gegründet worden. Ihre Arbeitnehmer seien bei der Durchführung des Bergarbeiter-Wohnungsbaues entscheidend für die unmittelbaren betrieblichen Zwecke der knappschaftlichen Grubenbetriebe tätig und daher wegen Verrichtung knappschaftlicher Arbeiten auch knappschaftsversicherungspflichtig.
Das Bundesversicherungsamt (BVA) teilte der Beklagten mit Schreiben vom 29. Juli 1958 mit, daß nach § 1 RKG grundsätzlich nur Arbeitnehmer in knappschaftlichen Betrieben nach Maßgabe des § 2 RKG der knappschaftlichen Versicherungspflicht unterliegen. Die Rechtslage vor dem 1. Juni 1957, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetzes (KnVNG), möge dahingestellt bleiben. Ab 1. Juni 1957 müsse jedoch die Sozialversicherung der Arbeitnehmer der Klägerin ordnungsmäßig durchgeführt werden.
Die Beklagte stellte darauf der Klägerin den Bescheid vom 29. September 1958 zu, wonach die im Betrieb der Klägerin beschäftigten Arbeiter und Angestellten auf Grund § 1 RKG ab 1. Juni 1957 nicht mehr der Versicherungspflicht nach dem RKG unterliegen.
Der dagegen von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 1959 zurückgewiesen. In dem nachfolgenden Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Köln die Beigeladenen zu 1) bis 98) beigeladen und mit Urteil vom 31. Oktober 1962 die Bescheide vom 29. September 1958 und vom 3. Februar 1959 insoweit aufgehoben, als sie die Zeit ab 1. Juni 1957 bis zur Zustellung des Bescheides vom 29. September 1958 betreffen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Nach Ansicht des SG hat es sich bei dem Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 1951 um einen begünstigenden Verwaltungsakt gehandelt, durch den die betroffenen Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch erworben haben. Eine rückwirkende Beseitigung dieses Rechtsanspruches sei wegen der nach § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingetretenen Bindungswirkung unzulässig.
Auf die von der Klägerin und den Beigeladenen zu 3) bis 98) eingelegten Berufungen hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen noch die Beigeladenen zu 99) und zu 100) beigeladen. Die Beigeladene zu 2) hat Anschlußberufung eingelegt. Die Klägerin und die Beigeladenen zu 3) bis 98) erstreben eine Fortsetzung der knappschaftlichen Versicherung auch für die Zeit nach der Zustellung des Bescheides vom 29. September 1958; die Beigeladene zu 2) ist der Ansicht, daß die Klage in vollem Umfang abzuweisen sei. Das LSG hat mit Urteil vom 9. Dezember 1965 die Berufungen und die Anschlußberufung zurückgewiesen und gegen das Urteil die Revision zugelassen.
Das LSG ist der Ansicht, daß die beigeladene Bundesrepublik Deutschland in diesem Verfahren gesetzlich nicht durch den Präsidenten des BVA sondern durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vertreten wird. In einem Schreiben des BMA vom 24. November 1965 sei jedoch eine hinreichende Vollmacht für den Präsidenten des BVA zu sehen, so daß im vorliegenden Falle die Bundesrepublik Deutschland durch den BMA und dieser durch den Präsidenten des BVA vertreten werde.
Zur streitigen Sachfrage meint das LSG, für eine knappschaftliche Versicherung der Arbeitnehmer der Klägerin bestehe zwar keine gesetzliche Grundlage; das SG habe aber dennoch zutreffend angenommen, daß die Arbeitnehmer der Beklagten bis zum 1. Oktober 1958 knappschaftlich zu versichern gewesen seien, weil eine rückwirkende Änderung der bis dahin durchgeführten knappschaftlichen Versicherung nicht möglich sei. Aus § 194 RKG ergebe sich, daß die Beklagte berechtigt sei, durch formlosen Verwaltungsakt festzustellen, ob bestimmte Personen knappschaftlich zu versichern sind oder nicht. Hierbei müsse auch die Vorfrage mitentschieden werden, ob der Versicherte in einem knappschaftlichen Betrieb tätig sei. Wenn auch der Verwaltungsakt nur gegenüber dem Arbeitgeber und dem Versicherten ergehen könne, so seien die übrigen Versicherungsträger doch an die Entscheidung des knappschaftlichen Versicherungsträgers nach § 194 RKG gebunden, denn der Sinn der Entscheidungsbefugnis nach § 194 RKG sei es, Klarheit über die Streit- oder Zweifelsfragen des Versicherungsverhältnisses herbeizuführen. Wenn auch der im Mai 1951 ergangene Verwaltungsakt vor dem Inkrafttreten des SGG erlassen worden sei, so sei doch § 77 SGG seit dem 1. Januar 1954 auch auf die vorher ergangenen Verwaltungsakte anzuwenden. Die im Bescheid vom 29. September 1958 erfolgte Beanstandung der Beiträge sei zu Unrecht erfolgt. Nach § 137 Satz 2 RKG könne ein Versicherungsträger, der für einen bestimmten Zeitraum ein gültiges Versicherungsverhältnis festgestellt habe, einen Rentenanspruch nicht mit der Begründung ablehnen, daß die Feststellung zu Unrecht erfolgt sei. Wenn diese Vorschrift zwar unmittelbar nur den Rentenanspruch betreffe, der hier nicht streitig sei, so ergebe sich daraus, daß der Versicherungsträger die Beiträge nicht beanstanden dürfe, wenn er vorher die Gültigkeit des Versicherungsverhältnisses festgestellt habe. § 137 RKG verbiete es, die auf Grund dieser Feststellung entgegengenommenen Beiträge zu beanstanden und an den an sich zuständigen Versicherungsträger zu überweisen. Aus dieser Vorschrift ergebe sich aber auch, daß der Versicherungsträger nicht für alle Zeiten an die einmal getroffene Feststellung gebunden sei. Für Zeiträume, für die er entweder keine Feststellung getroffen oder gar ausdrücklich festgestellt habe, daß er nicht der zuständige Versicherungsträger sei, habe er nach § 135 RKG das Recht und die Pflicht, die trotzdem an ihn abgeführten Beiträge zu beanstanden und an den zuständigen Versicherungsträger zu überweisen. Für die Zukunft könne ein Versicherungsträger eine nach § 194 RKG getroffene Feststellung über seine Zuständigkeit widerrufen. Die in den §§ 135, 137 RKG enthaltene gesetzliche Regelung schränke insoweit die Bindungswirkung des § 77 SGG ein, so daß diese Vorschrift dem Bescheid der Beklagten für die Zeit ab 1. Oktober 1958 nicht entgegenstehe. Die Revision wurde zugelassen.
Gegen das Urteil haben die Klägerin und die Beigeladenen zu 3) bis 98) Revision und die Beigeladene zu 2) Anschlußrevision eingelegt. Die Klägerin und die Beigeladene zu 3) bis 98) sind der Ansicht, daß es sich bei dem Bescheid vom 16. Mai 1951 um einen begünstigenden Verwaltungsakt handele, an den die Beklagte auch für die Zukunft nach § 77 SGG gebunden bleibe, so daß die beigeladenen Belegschaftsmitglieder für die Zeit ihrer Zugehörigkeit zum Betrieb der Klägerin knappschaftlich versichert blieben.
Die Klägerin und die Beigeladenen zu 3) bis 98) beantragen,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 9. Dezember 1965 aufzuheben und nach dem in erster Instanz gestellten Antrag zu entscheiden,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen.
Die Beigeladene zu 2) ist der Ansicht, daß die Beklagte berechtigt war, die mit ihrer Zustimmung angetretene knappschaftliche Versicherung der beigeladenen Arbeitnehmer der Klägerin vom 1. Juni 1957 an zu beenden. Obwohl die Gesetze der Rentenversicherung seit jeher eine dem § 137 RKG entsprechende Vorschrift über die Bindung der Versicherungsträger an ihre Anerkenntnisse enthalten, habe bereits das Reichsversicherungsamt entschieden, daß Beiträge, die von einem Versicherten zur falschen Versicherung entrichtet worden seien, auch dann beanstandet werden können, wenn der Versicherungsträger, der die Beiträge empfangen habe, diese vorher ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt habe. Bei dem § 135 RKG handele es sich um eine Sondervorschrift, die derartige Fehlversicherungen abschließend regele und deren Anwendung nicht durch andere Bestimmungen von allgemeiner Bedeutung ausgeschlossen werde. § 137 RKG könne auf den vorliegenden Fall schon deshalb keine Anwendung finden, weil durch die Beanstandung kein Rentenanspruch "abgelehnt" werde, allenfalls könne ein Wechsel des für die Feststellung und Zahlung zuständigen Versicherungsträgers eintreten. Insofern genieße der Versicherte jedoch keinen Schutz. Außerdem binde das Anerkenntnis der Beklagten über das Versicherungsverhältnis nicht die anderen in Betracht kommenden Versicherungsträger, denn das sei mit der gleichrangigen hoheitlichen Position aller Versicherungsträger als Körperschaften des öffentlichen Rechts unvereinbar. Das Gesetz gebe insoweit keinem Versicherungsträger ein Entscheidungsmonopol, sondern lasse sie voneinander unabhängig entscheiden. Hieraus erkläre sich auch, daß die Entscheidung über die für die Knappschaftsversicherung wesentliche knappschaftliche Eigenschaft eines Betriebes in Zweifelsfällen von einer übergeordneten und neutralen Instanz zu treffen sei (§ 2 Abs. 4 RKG). Die Bindungswirkung der Anerkenntnisse im Sinne des § 137 RKG könne daher immer nur die Versicherungspflicht als solche betreffen, während nachträglich festgestellte Fehler in der Versicherungszugehörigkeit regelmäßig im Rahmen des § 135 RKG zu berichtigen seien, ohne daß hierdurch ein Verlust von Beiträgen eintreten könne. § 77 SGG gebe schließlich derartigen Verwaltungsakten keine bindende Wirkung gegenüber anderen Trägern hoheitlicher Gewalt und könne außerdem nicht für Verwaltungsakte der Versicherungsträger aus der Zeit vor seinem Inkrafttreten (1. Januar 1954) gelten. Sie (die Beigeladene zu 2) sei erst durch ihre Beiladung zu diesem Rechtsstreit im Jahre 1959 auf die Fehlversicherung und den Änderungsbescheid der Beklagten hingewiesen worden. Sie habe sich sofort gegen die Fehlversicherung gewandt, denn sie billige und dulde keine fehlerhafte Versicherung, die ihr bekannt werde.
Die Beigeladene zu 2) beantragt,
unter Zurückweisung der klägerischen Revision das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es die Berufung der beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zurückweist, und das Urteil des SG dahin abzuändern, daß die Klage im vollen Umfang abgewiesen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen zu 3) bis 98) und die Anschlußrevision der Beigeladenen zu 2) zurückzuweisen.
Diesem Antrag hat sich auch die Beigeladene zu 1) angeschlossen.
Beklagte und Beigeladene zu 1) halten das angefochtene Urteil für richtig. In der Annahme von Beiträgen liege lediglich ein schlichtes Verwaltungshandeln, das nicht die Merkmale eines Verwaltungsaktes und demgemäß auch nicht die Wirkungen des § 77 SGG habe. Selbst wenn aber ein nach § 77 SGG bindender Verwaltungsakt angenommen werde, so habe dieser - jedenfalls für die Zukunft ab 1. Oktober 1958 - beseitigt werden können. § 135 Abs. 1 RKG enthalte eine spezielle gesetzliche Regelung, die im Falle der Beanstandung von Beiträgen die Bindungswirkung des § 77 SGG beseitige.
Für die Beigeladene zu 100) trägt der Präsident des BVA vor, die Bundesrepublik Deutschland werde von ihm vertreten. Der Zwischenschaltung und einer Vollmacht des BMA bedürfe es für diese Vertretung nicht. Im übrigen schließt sich die Beigeladene zu 100) dem Antrag der Beklagten an.
Die Beigeladene zu 99) hat keinen Antrag gestellt.
II
Die eingelegten Revisionen sind nicht begründet.
1.
Nach dem Schreiben des BMA vom 24. November 1965, in dem dieser dem LSG Nordrhein-Westfalen mitgeteilt hat, daß er für das vorliegende Verfahren den Präsidenten des BVA mit der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) beauftragt habe, kann dessen Vertretungsbefugnis nicht zweifelhaft sein. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann daher dahingestellt bleiben, ob der Präsident des BVA die BRD im vorliegenden Verfahren auch ohne diese Beauftragung vertreten könnte.
2.
Bei dem Unternehmen der Klägerin handelt es sich nicht um einen knappschaftlichen Betrieb im Sinne des § 2 RKG, insbesondere auch nicht - was allein in Betracht kommen könnte - um eine Betriebsanstalt oder Gewerbsanlage, die als Nebenbetrieb eines knappschaftlichen Betriebes oder mehrerer knappschaftlicher Betriebe mit diesen räumlich oder betrieblich zusammenhängt. Da die Arbeitnehmer der Klägerin auch nicht zu dem in § 1 Abs. 1 Nr. 2 RKG genannten Personenkreis zählen, können sie nach den Bestimmungen des RKG nicht knappschaftlich versichert werden. Eine sich aus den gesetzlichen Bestimmungen ergebende Versicherungsberechtigung ist von den Beteiligten im Revisionsverfahren auch nicht mehr geltend gemacht worden. Es ist also davon auszugehen, daß die Anerkennung der knappschaftlichen Versicherungsberechtigung im Bescheid vom 16. Mai 1951 zu Unrecht erfolgt ist.
3.
Es bleibt zu prüfen, ob eine Bindungswirkung des Bescheids vom 16. Mai 1951 ein Verbleiben der Arbeitnehmer der Klägerin in der knappschaftlichen Versicherung in der Zeit vom 1. Juni 1957 bis zur Zustellung des Bescheids vom 29. September 1958 oder auch noch über diesen Zeitpunkt hinaus rechtfertigt. Entgegen der Auffassung der Vordergerichte ist der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 1951, durch den die Überführung der Arbeitnehmer der Klägerin in die knappschaftliche Versicherung eingeleitet wurde, nicht nach § 77 SGG bindend geworden. Abgesehen von den Folgerungen, die sich daraus ergeben können, daß der Bescheid vom 16. Mai 1951 vor dem Inkrafttreten des SGG ergangen ist, und abgesehen davon, daß dieser Bescheid unmittelbar belastend in die Rechtssphäre anderer Versicherungsträger eingreift, die diesen Bescheid noch anfechten konnten und ihn auch rechtzeitig angefochten haben, als sie von ihm Kenntnis erhielten, bestimmt § 77 SGG daß dann, wenn der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird, der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend ist, "soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist". Diese Vorschrift muß verständigerweise dahin ausgelegt werden, daß die Bindungswirkung nur insoweit eintritt, als das Rücknahmerecht überhaupt gesetzlich geregelt ist und diese Regelung für den zu entscheidenden Fall keine Rücknahmeermächtigung enthält. Die Sperrwirkung kann dagegen nicht diejenigen Fälle erfassen, die der Gesetzgeber bei der getroffenen Regelung nicht in seinem Blickfeld gehabt hat und von denen man daher annehmen muß, daß sie von dieser Regelung nicht erfaßt werden (vgl. BSG 20, 293, 295, 296 und 21, 88, 90, 91). Unter die im VI. Buch der RVO unter "A. Feststellung der Leistungen" in § 1744 geregelte Möglichkeit einer Berichtigung von Bescheiden, die nach § 197 RKG auch für Bescheide der Knappschaften gilt, fällt der Bescheid vom 16. Mai 1951 nicht, weil durch ihn keine Leistung gewährt wird. Es handelt sich um eine Anerkennung der Versicherungsberechtigung nach § 137 Satz 2 RKG. Da die Regelungen der Knappschaftsversicherung im ganzen für den Versicherten günstiger als die Regelungen der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten sind, ist § 137 Satz 2 RKG dahin auszulegen, daß ein Träger der knappschaftlichen Versicherung, der die Versicherungsberechtigung zu diesem Versicherungszweig anerkannt hat, einen Rentenanspruch aus der knappschaftlichen Versicherung nicht mit der Begründung ablehnen kann, die Anerkennung sei zu Unrecht erfolgt, es sei daher für die Feststellung der sich aus den erbrachten Beiträgen ergebenden Rentenansprüche ein nichtknappschaftlicher Versicherungsträger zuständig. Im vorliegenden Fall ist zwar noch nicht über die Gewährung einer Rente zu befinden, doch ist der Fall, daß der knappschaftliche Versicherungsträger in einem Bescheid zu erkennen gibt, daß er aus im Vertrauen auf ein erfolgtes Anerkenntnis erbrachten knappschaftlichen Beiträgen einen späteren Rentenanspruch aus der knappschaftlichen Versicherung ablehnen wird, wie der in § 137 Satz 2 RKG geregelte Fall zu behandeln. Für solche Bescheide ist das Rücknahmerecht nicht geregelt. Die insoweit vorliegende Gesetzeslücke ist zu schließen, wobei sich, da die RVO keine Rücknahmevorschriften für ähnliche Fälle enthält, die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte anbieten. Diese gebieten die Rücknahme dieses rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Wirkung von der Zustellung des Rücknahmebescheids an (vgl. dazu Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, I. Band, 7. Aufl., S. 239 und 248). Von der ex-nunc-Wirkung der Rücknahme kann im vorliegenden Fall nicht etwa mit der Begründung abgegangen werden, der begünstigende Verwaltungsakt sei den anderen betroffenen Versicherungsträgern nicht bekannt geworden und daher sei sein Inhalt ihnen gegenüber noch nicht sachlich bindend geworden. § 137 Satz 2 RKG stellt den Schutz des Vertrauens sicher, den ein Versicherter einem derartigen Anerkenntnis gegenüber in bezug auf die Anrechnung von ihm erbrachter knappschaftlicher Beiträge auf eine Rente aus dieser Versicherung haben kann. Wenn der Verwaltungsakt ohne Wissen des oder der unmittelbar Begünstigten nicht allen Beteiligten bekannt geworden war, dann läßt es der von allen Beteiligten zu beachtende Vertrauensschutz nicht zu, daß das bestehende Anfechtungsrecht der anderen Versicherungsträger, in deren Rechtssphäre das von der Beklagten abgegebene Anerkenntnis belastend eingreift, Beiträge berührt, die in gutem Glauben an das Anerkenntnis der knappschaftlichen Versicherungsberechtigung erbracht worden sind. Das hat auch für den vorliegenden Fall zur Folge, daß die im Bescheid vom 29. September 1958 erfolgte Rücknahme des im Bescheid vom 16. Mai 1951 liegenden Anerkenntnisses durch die Beklagte das Anerkenntnis nur ex nunc zum Erlöschen bringt. Die Klägerin und die Beigeladenen zu 3) bis 98) haben daher erst für die Zeit nach Zustellung des Bescheids vom 29. September 1958 keinen Anspruch mehr darauf, auch zukünftig noch in der knappschaftlichen Versicherung versichert zu werden.
Die vorinstanzlichen Urteile waren daher im Ergebnis nicht zu beanstanden, so daß die eingelegten Revisionen und die Anschlußrevision zurückzuweisen waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen