Beteiligte
Landesversorgungsamt Baden-Württemberg |
Landesbank Baden-Württemberg |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), die der Kläger nach dem Tode der Leistungsberechtigten (N.) auf deren Girokonto bei der Beklagten überwiesen hat.
N. ist am 8. September 1996 gestorben. Davon erfuhr der Kläger am 24. Oktober 1996. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1996 unterrichtete er die Beklagte und forderte den für den Monat Oktober 1996 überwiesenen Betrag von 667,00 DM zurück. Von diesem Betrag zahlte die Beklagte nur 183,30 DM, weil vom Konto der N. bereits am 30. September 1996 ein Dauerauftrag über 200,00 DM (zugunsten eines Sparkontos der N. bei der Beklagten) und am 2. Oktober 1996 eine Lastschrift über 283,70 DM abgebucht worden seien. Als die Beklagte das Schreiben des Klägers vom 25. Oktober 1996 erhalten habe, sei das Konto der N. deckungslos gewesen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 200,00 DM zu zahlen und ihm darüber Auskunft zu geben, „ob zum Zeitpunkt des 28.10.1996 außer dem Girokonto mit der Kontonummer 5460834 … weitere Konten der Verstorbenen bei der Beklagten bestanden und welchen jeweiligen Saldo diese Konten am 28.10.1996 aufwiesen” (Urteil vom 28. Mai 1998). Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, nachdem die Beklagte – auf Weisung der Erben N.'s – weitere 200,00 DM überwiesen und die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt hatten.
Der Kläger macht mit der Revision geltend, das Berufungsurteil verletze § 66 Abs 2 Satz 4 BVG iVm § 118 Abs 3 Satz 3 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI). Rücküberweisungen aus „einem” Guthaben könnten auch dann erfolgen, wenn zwar das Konto des verstorbenen Berechtigten, auf das die Geldleistung überwiesen worden sei, keine Deckung aufweise, wohl aber ein anderes Konto des Berechtigten bei der Empfängerbank.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Februar 1999 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Mai 1998 zurückzuweisen, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, Auskunft zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Das LSG hat zu Recht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Auskunftsklage abgewiesen. Denn der Kläger hat – entgegen der Ansicht des SG – keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte ihm die begehrte Auskunft über etwaige weitere Konten der N. und den Stand dieser Konten erteilt.
Das Gesetz regelt einen Auskunftsanspruch nur in § 62 Abs 2 Satz 4 BVG iVm § 118 Abs 4 Satz 2 SGB VI. Danach hat ein Geldinstitut, das eine Rücküberweisung mit dem Hinweis abgelehnt hat, daß über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde, der überweisenden Stelle oder dem Versorgungsträger auf Verlangen Namen und Anschrift der Personen, die über den Betrag verfügt haben, und etwaiger neuer Kontoinhaber mitzuteilen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Kläger will sich durch die verlangte Auskunft nicht Informationen über Dritte verschaffen, um dann gegen diese einen Erstattungsanspruch durchzusetzen (vgl zum Verhältnis der Zahlungsklage aus § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI zur Auskunftsklage nach Satz 2 BSGE 82, 239, 242 ff = SozR 3-2600 § 118 Nr 3). Er will vielmehr vor einer etwaigen Zahlungsklage gegen die Beklagte wissen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen einer Entreicherung vorliegen.
Ein Anspruch des Klägers auf Auskunft ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch). Im bürgerlichen Recht wird eine Pflicht zur Auskunft angenommen, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchsetzung seines Zahlungsanspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann, wohl aber der Verpflichtete sie zu geben vermag, ohne dadurch unbillig belastet zu werden (BGHZ 95, 274, 278 f; 95, 285, 288; BSG SozR 5550 § 13 Nr 1). Voraussetzung ist, daß zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten eine besondere rechtliche Beziehung besteht. Dafür genügt auch ein gesetzliches Schuldverhältnis, zB aus unerlaubter Handlung (BGH aaO). Auch wenn diese Grundsätze des bürgerlichen Rechts entsprechend im öffentlichen Recht gelten sollten (vgl dazu BSG SozR 5550 § 13 Nr 1 für den öffentlich-rechtlichen Vertrag) und die erforderliche Sonderbeziehung zwischen Versorgungsträger und Geldinstitut durch § 66 Abs 2 Satz 4 BVG iVm § 118 Abs 3 SGB VI hergestellt wäre (so Heinz, ZfS 1998, 265, 268) so bestände eine Auskunftspflicht doch nur, wenn die begehrte Auskunft geeignet wäre, über das Bestehen oder den Umfang eines anderen Rechts Aufschluß zu geben (BSG SozR 5550 § 13 Nr 1). Daran fehlt es hier.
Nach § 118 Abs 3 Satz 3 SGB VI ist das Kreditinstitut ohne Rücksicht auf zwischenzeitlich vorgenommene anderweitige Verfügungen immer dann zur Rücküberweisung eines der überzahlten Leistung entsprechenden Betrages verpflichtet, wenn dies aus einem Guthaben erfolgen kann. Darunter versteht das Gesetz nicht ein Guthaben auf irgendeinem von mehreren Konten des verstorbenen Leistungsempfängers bei dem Kreditinstitut, sondern ein Guthaben nur auf demjenigen Konto, auf das die Leistung überwiesen worden ist. Die begehrte Auskunft über etwaige weitere Konten der N. bei der Beklagten – außer dem deckungslosen Girokonto auf das die Versorgungsbezüge überwiesen worden waren – und über die Kontenstände am 28. Oktober 1996 würde dem Kläger mithin keinen Aufschluß über Bestand oder Umfang eines Rücküberweisungsanspruchs geben.
Der Senat folgt mit seiner Auslegung des § 118 Abs 3 Satz 3 SGB VI nicht der in der Literatur verschiedentlich vertretenen Auffassung, wonach das Geldinstitut zur Rücküberweisung auch dann verpflichtet sein soll, wenn zwar das Überweisungskonto bei Eingang der Rückforderung deckungslos ist, andere Konten des verstorbenen Leistungsempfängers bei derselben Bank aber ein – ausreichendes – Guthaben aufweisen (Heinz aaO 266 f; Rahn, DRV 1990, 518, 524). Diese Auffassung läßt sich nicht auf den Wortlaut des § 118 Abs 3 Satz 3 SGB VI stützen, berücksichtigt nicht den vor Einführung der Vorschrift bestehenden Rechtszustand und nimmt zu Unrecht die Gesetzesgeschichte für sich in Anspruch.
Nach § 118 Abs 3 Satz 3 SGB VI besteht keine Verpflichtung des Geldinstituts zur Rücküberweisung, soweit über den (der überzahlten Leistung entsprechenden) Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde. Damit sind lediglich anderweitige Verfügungen vom Überweisungskonto gemeint. Wie die anderweitige Verfügung im ersten Satzteil bezieht sich das im zweiten Teil des § 118 Abs 3 Satz 3 SGB VI genannte Guthaben nur auf das Überweisungskonto.
Dieses Ergebnis wird durch die Vorgeschichte des § 118 Abs 3 SGB VI (vgl dazu BSGE 83, 176, 178 ff = SozR 3-2600 § 118 Nr 4) bestätigt. Die Spitzenverbände der Kreditinstitute und die Spitzenverbände der Renten- und Unfallversicherungsträger schlossen zum 1. Januar 1982 eine Vereinbarung („Vereinbarung 1982”; wiedergegeben bei von Einem, SGb 1988, 484, 485), die den Leistungsträgern die Rechtsverfolgungslast und das Ausfallrisiko wegen der Rückforderung zu Unrecht überwiesener Beträge teilweise dadurch abnahm, daß die verbandsangehörigen Banken sich verpflichteten, überzahlte Renten (wiederkehrende Leistungen), die für Bezugszeiten nach dem Tode des Berechtigten überwiesen worden waren, unter Verzicht auf eine Aufrechnung mit eigenen Forderungen freizugeben. Der freizugebende Betrag verminderte sich um sämtliche nach Eingang der Rentenüberweisung vorgenommenen Verfügungen, die das Kreditinstitut zugelassen bzw ausgeführt hatte. Die zugesicherte Freigabe bezog sich danach auf Rentenbeträge, die dem Überweisungskonto gutgeschrieben worden waren. Denn freigegeben werden kann nur ein Betrag, der zuvor eingegangen ist. Mit dem Rentenreformgesetz 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) wurde die Vereinbarung 1982 durch die gesetzliche Regelung in § 118 Abs 3 SGB VI abgelöst, ohne daß das aufgrund der Vereinbarung 1982 jahrelang geübte Verfahren in dem hier entscheidenden Punkt geändert wurde. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte nämlich die bisherige Praxis „aus rechtsstaatlichen Erwägungen” lediglich auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, im übrigen aber fortgeschrieben werden (BT-Drucks 11/4124, S 179).
Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hat sich der Wortlaut des § 118 Abs 3 Satz 3 SGB VI zwar geändert: Unter anderem ist der Halbsatz „es sei denn, daß die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann” angefügt worden. Hieraus läßt sich jedoch nicht entnehmen, daß der Gesetzgeber in Abkehr vom ursprünglichen Entwurf (vgl die Gegenüberstellung der Fassungen in BT-Drucks 11/5490, S 82) und von der bis dahin auf der Vereinbarung 1982 fußenden Praxis nunmehr auch andere Konten als das Überweisungskonto in die Rücküberweisungspflicht einbeziehen wollte (so aber Heinz aaO). Gegen eine solche Annahme sprechen zwei Umstände: Aus den Gesetzesmaterialien (vgl dazu BT-Drucks 11/5530, S 46 f) ergibt sich, daß mit der Neufassung keine inhaltliche Änderung beabsichtigt war. Ferner: Die Regelung des § 118 Abs 3 Satz 3 SGB VI über das Geldinstitut entreichernde Verfügungen bezieht sich nur auf dasjenige Konto des Versorgungs- bzw Rentenempfängers, auf welches nach seinem Tode Geldleistungen überwiesen worden sind. Verfügungen von einem anderen seiner Konten bei demselben Geldinstitut ändern an der Rücküberweisungspflicht nichts. Die Ausnahmebestimmung zu dieser Grundregel kann keinen darüber hinausgehenden Anwendungsbereich haben. Danach hat das Geldinstitut den überzahlten Betrag nur dann ohne Rücksicht auf zwischenzeitliche Verfügungen zurückzuüberweisen, wenn das Überweisungskonto – noch oder wieder – ein Guthaben aufweist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 SGG. Aufwendungen der Behörden, der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sind nicht erstattungsfähig. Das gilt auch für die Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl § 1 Abs 1 Gesetz über die Landesbank Baden-Württemberg vom 11. November 1998, GBl S 589).
Fundstellen
BSGE, 259 |
DStR 2000, 1102 |
HFR 2001, 182 |
NJW 2000, 1062 |
br 2000, 186 |
SozSi 2000, 71 |
SozSi 2002, 108 |