Entscheidungsstichwort (Thema)
Reisekostenerstattungsanspruch bei Versehrtenleibesübungen. Anfechtung eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung
Leitsatz (amtlich)
1. Die abschließenden Mitteilungen der Verwaltung über Fahrtkostenerstattungen an berechtigte Teilnehmer an Versehrtenleibesübungen sind anfechtbare Verwaltungsakte.
2. Diese können von den Betroffenen im Sozialrechtsweg angefochten werden, auch wenn sie nicht als Adressaten der Verwaltungsakte bezeichnet sind.
3. Die Fahrtkosten für Teilnehmer an Versehrtenleibesübungen sind in entsprechender Anwendung des BVG § 24 Abs 1 und nicht nach BVGVwV § 11a Nr 3 Buchst d zu erstatten.
Leitsatz (redaktionell)
1. Hinsichtlich der bei der Teilnahme an Versehrtenleibesübungen entstehenden Reisekosten enthält BVG § 24 Abs 1 S 1 eine Lücke, die der Senat im Wege des Analogiebeschlusses zu schließen befugt ist. Der Beschädigte hat demnach - in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift - einen eigenen Anspruch gegen den Versorgungsträger auf Erstattung der ihm aus Anlaß seiner Teilnahme an Versehrtenleibesübungen entstandenen Fahrtkosten.
2. Einem Dritten steht ein eigenes und selbständiges Recht, einen nicht ihm, sondern einem anderen gegenüber erlassenen Verwaltungsakt anzufechten dann zu, wenn er dadurch betroffen und in seinen Rechten verletzt wird (vgl BSG vom 1961-09-27 3 RK 74/59 = BSGE 15, 118, 122, 125, BSG vom 1961-08-16 11/8 RV 73/57 = SozR Nr 81 zu § 54 SGG, BSG vom 1973-02-23 3 RK 66/72 = SozR Nr 140 zu § 54 SGG, BSG vom 1972-10-12 10 RV 486/71 = SozR Nr 13 zu § 19 BVG).
Normenkette
BVG § 11a Abs. 3 Fassung: 1964-02-21, § 18c Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, § 24 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07; VwVfG § 35 Fassung: 1976-05-25; BVGVwV § 11a Nr. 3 Buchst. d; BVG § 24 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 14.12.1976; Aktenzeichen L 6 V 485/74) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 21.12.1973; Aktenzeichen S 12 V 2912/70) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 1976 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Fahrtkosten zu erstatten, die ihm bei der Teilnahme an Übungsveranstaltungen der Versehrtensportgemeinschaft (VSG) E entstanden sind.
Der 1926 geborene, in S wohnhafte Kläger erhält wegen einer Vielzahl von Schädigungsfolgen Versorgungsleistungen nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 vH sowie Pflegezulage, Schwerstbeschädigtenzulage und Ausgleichsrente. Seit Januar 1967 nahm er an den von der VSG E im Mineralbad S-Bad C und später auch in der Sporthalle in H je einmal wöchentlich stattfindenden Versehrtenleibesübungen teil. Er begehrte dafür in einem von dieser VSG an das Versorgungsamt H weitergeleiteten Schreiben Fahrtkosten- und Eintrittsgelderstattung, worauf es ihr mitteilte, Eintrittsgelder seien bereits erstattet worden, Fahrtkosten könnten antragsgemäß erst für III/68 erstattet werden (Schreiben vom 27. September 1968). Außerdem teilte das Versorgungsamt H auf den Antrag des Klägers der VSG am 14. Februar 1969 ua mit, es sei einverstanden, wenn der Kläger bei der Teilnahme an den Übungsveranstaltungen seinen eigenen Pkw benutze, auch werde der Erstattung der Fahrtkosten für eine Begleitperson unter Zugrundelegung der behaupteten einfachen Entfernung von 8,5 km zu allen Übungsveranstaltungen zugestimmt. Als der Kläger bei einer Vorsprache beim Ärztlichen Dienst des Beklagten am 21. April 1969 beanstandete, er habe für die Fahrten in IV/1968 keine Kostenerstattung erhalten, obwohl er an 13 Schwimm- und Gymnastikveranstaltungen teilgenommen habe, teilte dieser der VSG E mit Schreiben vom 13. Mai 1969 mit, für dieses Quartal sei kein Antrag vorgelegt worden; die Teilnehmerlisten enthielten nur 12 Schwimmveranstaltungen. Gegen die Besuche der Übungsveranstaltungen der VSG E sei nichts einzuwenden, auch wenn es sich nicht um solche der nächstgelegenen VSG C handele, sofern keine höheren Kosten anfielen; die Entfernung von der Wohnung zu allen Veranstaltungen der VSG E sei auf 8,5 km festgelegt worden. Nachdem verschiedene vom Kläger auf diesen Fahrten benutzte Straßen wegen Bauarbeiten gesperrt worden waren, beantragte er am 12. April 1970 über die VSG E, der Berechnung der Fahrtkosten eine Entfernung zu den Schwimmveranstaltungen von 10 km, zu den Leibesübungen von 18 km zugrunde zu legen. Mit Schreiben vom 26. Mai 1970 an die VSG E hob daraufhin das Versorgungsamt Heilbronn (Ärztlicher Dienst) die Genehmigung vom 14. Februar 1969 auf und sicherte Fahrtkostenersatz für eine Entfernung von 5 km zu den Schwimm- und 8,5 km zu den Gymnastikveranstaltungen zu, da Fahrtkosten der Höhe nach nur wie bei Teilnahme an den von der nächstgelegenen VSG durchgeführten Veranstaltungen ersetzt werden könnten. Das sei die VSG Bad C, die nicht das Mineralbad Bad C und auch nicht die Sporthalle in H benutze. Diese Entscheidung gab die VSG E dem Kläger mit Schreiben vom 8. Juni 1970 mit dem Bemerken bekannt, daß Anfragen nur über die VSG einzureichen seien.
Hiergegen erhob der Kläger am 7. Juli 1970 beim Versorgungsamt H Widerspruch und bat unter Vorlage einer Auskunft des Stadtmessungsamts S vom 18. Juni 1970, wonach die Entfernung von seiner Wohnung zum Mineralbad Bad C 8,6 km betrage, so daß Kosten für insgesamt 18 km zu erstatten seien, darum, die Änderung zu berücksichtigen, derartige Fragen unmittelbar mit ihm zu regeln und im Wege eines Zugunstenbescheides die in der zurückliegenden Zeit entstandenen Fahrtkosten für einen weiteren Kilometer nachträglich zu erstatten. Er habe nach 20jährigem Besuch das Bad wegen einer Bindehautentzündung wechseln müssen. Nachdem das Versorgungsamt H beim Stadtmessungsamt S eine Auskunft über die maßgeblichen Entfernungen für die Berechnung der Fahrtkosten und vom Landesversorgungsamt (LVersorgA) Baden-Württemberg eine rechtliche Stellungnahme eingeholt hatte, teilte es dem Kläger mit Schreiben vom 20. Oktober 1970 ua mit, über die VSG E werde auf seinen Antrag vom 12. April 1970 unter Aufhebung der Genehmigung vom 26. Mai 1970 eine neue Genehmigung erteilt werden, wobei zu den Gymnastikveranstaltungen eine Fahrtstrecke von 16 km (mit einer Obergrenze von 5,- DM Erstattungsbetrag) und zu den Schwimmveranstaltungen eine solche von 7,2 km zugrunde gelegt werde; damit werde seinem Widerspruch teilweise abgeholfen. Fahrtkosten könnten für die Zeit vor dem Antrag vom 12. April 1970 nicht übernommen und die Kilometerzahlen nicht nach oben aufgerundet werden. Der Schriftwechsel sei ausschließlich mit der VSG zu führen, weil der Beschädigte keinen unmittelbaren Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten habe.
Die "gegen die Bescheide vom 26. Mai 1970 und vom 20. Oktober 1970" erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Stuttgart als unzulässig zurückgewiesen (Urteil vom 21. Dezember 1973), da gegenüber dem Kläger kein Verwaltungsakt ergangen und kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden sei.
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die vom SG zugelassene Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 14. Dezember 1976), weil es an einem Verwaltungsakt und an der Durchführung eines Vorverfahrens fehle.
Der Kläger hat die vom Senat nachträglich zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 11a Abs 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der §§ 54, 106 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das LSG habe vor allem rechtsirrig die Schreiben vom 26. Mai und vom 20. Oktober 1970 nicht als Verwaltungsakte angesehen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Der Rechtsstreit ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Zu Unrecht hat das LSG die auf Aufhebung der Bescheide vom 26. Mai und 20. Oktober 1970 und Verurteilung zur Erstattung näher bezeichneter Fahrtkosten gerichtete verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers (§ 54 Abs 1 Satz 1, 1. Alternative, Abs 4 SGG) abgewiesen. Der für eine Anfechtungsklage vorauszusetzende Verwaltungsakt ist in dem Schreiben des Ärztlichen Dienstes des Versorgungsamtes H vom 26. Mai 1970 enthalten. Da das Recht der Kriegsopferversorgung (KOV) keinen eigenen Begriff des Verwaltungsaktes kennt, kann ungeachtet des § 2 Abs 2 Nr 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vom 25. Mai 1976 (BGBl I 1253) auf den im allgemeinen Verwaltungsrecht entwickelten Begriff des Verwaltungsakts zurückgegriffen werden, wie er in § 35 Satz 1 VwVfG allgemeingültig gesetzlich umschrieben ist: "Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist" (vgl Urteile des 12. Senats vom 2.3.1978 - 12 RK 17/78 - und vom 1.3.1978 - 12 RAr 49/77 -, beide zur Veröffentlichung bestimmt). Für den Rechtscharakter des Verwaltungsakts ist es unschädlich, daß das Schreiben vom 26. Mai 1970 nicht als "Bescheid" oder in sonstiger Weise ausdrücklich als Verwaltungsakt bezeichnet worden ist. Maßgeblich ist vielmehr der Inhalt des Schreibens. Es stammt von einer Behörde, nämlich dem Ärztlichen Dienst des Versorgungsamtes H. Es enthält insofern eine Verfügung zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, als es im Über- und Unterordnungsverhältnis gegenüber der VSG E Näheres über die Erstattung der Fahrtkosten des Klägers aus Anlaß seiner Teilnahme an Versehrtenleibesübungen bestimmt. Die Versehrtenleibesübungen gehören zu den Versorgungsleistungen des dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Recht der KOV (§§ 9 Nr 1, 10 Abs 3 BVG). Dem an die VSG E gerichteten Schreiben, das deshalb unmittelbare Rechtswirkung nach außen hat, ist zwar keine Rechtsmittelbelehrung beigegeben. Das ändert jedoch nichts daran, daß es den bezeichneten Anforderungen eines Verwaltungsaktes entspricht.
Diesen Verwaltungsakt durfte der Kläger selbst anfechten, obschon er nicht ihm, sondern der VSG gegenüber ergangen ist. Indem der Ärztliche Dienst des Versorgungsamtes H sich an die VSG wandte, hat er sich ersichtlich von der - wie noch dargelegt werden wird - rechtsirrigen Vorstellung leiten lassen, daß die Erstattung der dem versehrten Kläger bei der Durchführung von Versehrtenleibesübungen entstandenen Fahrtkosten nach Nr 3d) der VV zu § 11a BVG nur über die VSG abzuwickeln sei und daß dem Kläger insoweit kein eigener Erstattungsanspruch unmittelbar gegen die Versorgungsverwaltung zustehe. Von dem Verwaltungsakt ist der Kläger als Dritter betroffen. Das berechtigt ihn, den Verwaltungsakt zunächst mit dem Widerspruch und sodann nach dem daraufhin mit Schreiben vom 20. Oktober 1970 ihm gegenüber ergangenen Widerspruchsbescheid mit der Anfechtungsklage anzufechten. In dem Widerspruchsbescheid hat der Ärztliche Dienst des Versorgungsamts H seine Auffassung über die fehlende Anspruchsberechtigung des Klägers nicht aufgegeben, wie dies etwa daraus geschlossen werden könnte, daß dieser Bescheid an den Kläger gerichtet ist. Vielmehr hat er seinen Standpunkt ausdrücklich dahin bekräftigt, daß "der Beschädigte als Teilnehmer an den Versehrtenleibesübungen selbst keinen unmittelbaren Anspruch gegen die Verwaltungsbehörde auf Erstattung von Fahrtkosten" hat.
Einem Dritten steht das Recht, einen gegenüber einem anderen erlassenen Verwaltungsakt anzufechten dann zu, wenn er hierdurch rechtlich benachteiligt wird, er also in seinen subjektivöffentlichen Rechten beeinträchtigt wird (vgl Erichsen/Martens, Das Verwaltungshandeln in: Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1978, S. 171 f; Erichsen, Das Bundesverwaltungsgericht und die Verwaltungsrechtswissenschaft, DVBl 1978, 569, hier: 573 f - Anfechtung durch belasteten Dritten bei begünstigendem Verwaltungsakt - ; ders, HRRVwR 1973, F 6+7, S. 2, 3). Auch das Bundessozialgericht (BSG) erkennt in ständiger Rechtsprechung dem Dritten ein eigenes und selbständiges Recht, einen ihm gegenüber nicht erlassenen Verwaltungsakt anzufechten an, wenn er dadurch betroffen und in seinen Rechten verletzt ist BSGE 15, 122, 125 = SozR Nr 2 zu § 1399 RVO; SozR Nrn 81 und 140 zu § 54 SGG; SozR Nr 13 zu § 19 BVG; vgl Meyer-Ladewig, SGG, § 54 Anm 12).
Die Rechtsauffassung des Beklagten, die dem Kläger einen eigenen und von ihm selbst verfolgbaren Anspruch auf Erstattung seiner Fahrtkosten als Teilnehmer an Versehrtenleibesübungen abspricht, beeinträchtigt den Kläger in seinen Rechten aus dem Versorgungsrechtsverhältnis. Das zwischen dem Beschädigten und dem Beklagten bestehende Versorgungsrechtsverhältnis verleiht dem Beschädigten Ansprüche auf Versorgung. Dazu gehören der Anspruch auf Versehrtenleibesübungen, die Beschädigten zur Wiedergewinnung und Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit gewährt werden (§§ 9 Nr 1, 10 Abs 3 BVG), und als darauf beruhender Folgeanspruch derjenige auf Erstattung der Fahrtkosten. Wie jeder Versorgungsanspruch beruht auch der Anspruch des Beschädigten auf Fahrtkostenerstattung auf dem Versorgungsrechtsverhältnis und richtet sich deshalb allein und unmittelbar gegen den Beklagten (vgl § 18c Abs 1 BVG), nicht aber gegen die VSG, der er sich angeschlossen hat, um die Versehrtenleibesübungen durchführen zu können.
Für den hier allein streitigen Folgeanspruch auf Fahrtkostenerstattung fehlt allerdings eine ausdrückliche Gesetzesvorschrift. §§ 9 Nr 1, 10 Abs 3, 11a und 24 BVG sprechen dem Beschädigten keinen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten zu, die ihm deshalb notwendig entstanden sind, weil er seinen Versorgungsanspruch auf Versehrtenleibesübungen durch seine Teilnahme verwirklicht hat. Während in §§ 9 Nr 1, 10 Abs 3 BVG von einer Fahrtkostenerstattung keine Rede ist, enthält § 11a Abs 3 Satz 1 BVG immerhin folgende Erstattungsregelung: "Den Versehrtensportgemeinschaften werden die Kosten für die Durchführung der Versehrtenleibesübungen in angemessener Höhe erstattet". Dieser Erstattungsanspruch steht der VSG zu, wie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Er erstreckt sich aber nur, was der Beklagte von Anfang an verkannt hat, auf die Kosten der VSG, nicht aber auf die dem Beschädigten selbst entstandenen Kosten für die Durchführung der Versehrtenleibesübungen. Der in § 11a Abs 3 Satz 1 BVG gemeinte Erstattungsanspruch ist die sachnotwendige Folge davon, daß der Beklagte den Versorgungsanspruch auf Versehrtenleibesübungen nicht selbst erfüllt, sondern sich im Benehmen mit den Versehrtensportorganisationen geeigneter Versehrtensportgemeinschaften zur Durchführung der Versehrtenleibesübungen bedienen kann (§ 11a Abs 1 Satz 2 BVG). Insofern wird eine vorhandene zweckgebundene Organisationseinheit, nämlich eine VSG, für Versorgungszwecke von der Versorgungsverwaltung in Dienst genommen. Durch diese Indienstnahme erfüllt die zur Dienstleistung herangezogene tatsächliche Organisation einer VSG die an sich dem Beklagten obliegende öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgabe, Versehrtenleibesübungen durchzuführen (vgl § 18c Abs 1 BVG). Die so herangezogene VSG ist in ihren verschiedenen, sich aus der Durchführung der Versehrtenleibesübungen ergebenden Funktionen ein unselbständiger Verwaltungshelfer der Versorgungsverwaltung. Sie leistet insoweit "technische Erfüllungshilfe" (vgl Udo Steiner, öffentliche Verwaltung durch Private-Allgemeine Lehren, 1975, S. 115 f). Ohne mit einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe beliehen zu sein und deshalb ohne öffentlich-rechtliche Verwaltungskompetenz, hat die VSG, indem sie für die Versorgungsverwaltung Versehrtenleibesübungen durchführt, nur einen tatsächlichen Anteil an der eigentlichen Aufgabe der Versorgungsverwaltung bei der Durchführung von Versehrtenleibesübungen (vgl Udo Steiner, aaO, S. 116 ff, 184 ff, 196 f).
Der Gesetzgeber hat der für eine öffentliche Verwaltungsaufgabe herangezogenen privaten Organisation einer VSG einen eigenen Erstattungsanspruch für die ihr durch diese Heranziehung entstandenen Kosten in § 11a Abs 3 Satz 1 BVG zuerkannt. Dies können aber der Natur der Sache nach nur der VSG entstandene Kosten sein, zB Miete einer Übungsstätte, von Turn- und Sportgeräten, von Transportfahrzeugen, Aufwendungen für die Beschaffung von Lehrmaterial, für die Vergütung von Ärzten und Personal. Die VV Nr 3a) bis d) zu § 11a BVG führen diese Kosten des näheren auf. Jedoch ist die ersichtlich um größtmögliche Vollständigkeit in Nr 3d) VV bemühte Regelung insofern einen Schritt zu weit gegangen, als sie zu den nach § 11a Abs 3 Satz 1 BVG den Versehrtensportgemeinschaften zu erstattenden Kosten auch die Fahrtkosten der Beschädigten rechnet. Damit wird aber der vorgegebene gesetzliche Rahmen des § 11a Abs 3 Satz 1 BVG bei der näheren Bestimmung der erstattungsfähigen Kosten der VSG verlassen. Insofern durfte der Beklagte die im Gesetzesvollzug zu § 11a Abs 3 Satz 1 BVG erlassene VV Nr 3b) nicht anwenden.
Auch § 24 BVG gibt dem Beschädigten keinen Anspruch auf Erstattung der hier streitigen Fahrtkosten. Freilich sind nach § 24 Abs 1 Satz 1 BVG dem "Berechtigten für sich und eine notwendige Begleitung die hierdurch entstehenden notwendigen Reisekosten einschließlich der Kosten der Verpflegung und Unterkunft in angemessenem Umfang zu ersetzen", wenn "Heilbehandlung, Krankenbehandlung oder Badekur von der Verwaltungsbehörde durchgeführt wird". Während so bei den Versorgungsleistungen der Heilbehandlung, Krankenbehandlung oder Badekur dem Beschädigten ein eigener Anspruch auf Erstattung der notwendigen Reisekosten - gesetzlich als Ersatzanspruch bezeichnet - zusteht, fehlt nun für die aus Anlaß der Teilnahme an Versehrtenleibesübungen Beschädigten entstandenen Fahrtkosten eine derartige Vorschrift. Insoweit ist § 24 Abs 1 Satz 1 BVG lückenhaft. Der Senat ist im Wege des Analogieschlusses befugt, diese Lücke zu schließen, weil sie planwidrig ist. Die Lücke ist nämlich versehentlich entstanden (vgl schon Rdnr des BMA vom 10. Juni 1974 - Vbr-5747.1 - 198/73 III nicht veröffentlicht Nr 8, wonach die Versehrtenleibesübungen zu den Maßnahmen der Heilbehandlung zählen und die Fahrtkosten (Nr 6) dem Beschädigten und nicht der VSG zu erstatten sind). Das ergibt sich aus folgendem:
Der "Versehrtensport" ist durch das 5. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des BVG (BVG-ÄndG 5) vom 6. Juni 1956 (BGBl 463) in Form der "heilgymnastischen und bewegungstherapeutischen Übung" als Teil der Heilbehandlung eingeführt worden; diese konnte als Gruppenbehandlung durchgeführt werden und hieß dann "Versehrtensport", der überwiegend von Versehrtensportvereinen oder -gemeinschaften durchgeführt wurde. Für diesen Versehrtensport als Teil der Heilbehandlung bestimmte § 24 Abs 1 BVG aF ua den Ersatz von Reisekosten (vgl VV Nr 4 Satz 7 zu § 11 Abs 1 BVG idF vom 9. August 1956 und Nr 6 der Richtlinien zur Durchführung des Versehrtensports vom 31. Juli 1956 - Anlage zu: Heft 8 BVBl 1956 - und Rundschreiben des BMA vom 16. November 1964 mit Änderung ab 1. Oktober 1964 dahin, daß bestimmte Höchstgrenzen der zu erstattenden Kosten festgelegt wurden - KOV 1965, 9). Der Beschädigte hatte daher zumindest bis zum 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl 453) kraft Gesetzes einen unmittelbaren Anspruch auf Erstattung von Reisekosten gegen die Versorgungsverwaltung. Nachdem durch das 3. NOG vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) der Anspruch auf Versehrtenleibesübungen aus dem bisherigen Anspruch auf Heilbehandlung ausgeklammert und verselbständigt wurde (§§ 9 Nr 1, 10 Abs 3, 18c Abs 1 BVG; vgl Kurzprotokolle der 20. und 25. Sitzung des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen vom 9. Dezember 1959 und 21. Januar 1960), hätte es hinsichtlich der dem Beschädigten durch seine Teilnahme an den Versehrtenleibesübungen entstandenen Kosten einer eigenen Fahrtkostenerstattungsregelung bedurft. Diese ist aber ersichtlich versehentlich nicht durch das 3. NOG in das BVG mit aufgenommen worden.
Der dem Kläger gegen den Beklagten daher in entsprechender Anwendung des § 24 Abs 1 Satz 1 BVG zustehende Anspruch auf Erstattung der ihm aus Anlaß seiner Teilnahme an Versehrtenleibesübungen entstandenen Fahrtkosten ist bisher in seiner Höhe aufgrund der von den hier dargelegten Grundsätzen abweichenden Rechtsauffassungen der Vorinstanzen gerichtlich nicht überprüft worden. Die insoweit erforderlichen Tatsachenfeststellungen, die dem Revisionsgericht verwehrt sind, wird das Berufungsgericht nachzuholen haben, an das daher der Rechtsstreit unter Aufhebung der Feststellungen des LSG zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das LSG wird auch über die Zeiträume zu entscheiden haben, für die der Kläger eine Zugunstenentscheidung begehrt hat (§ 40 KOVVfG; § 62 BVG).
Die Kostenentscheidung bleibt dem das Verfahren abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen