Leitsatz (amtlich)
1. Ist wegen Beitragsrückständen, die von der Einzugsstelle einzuziehen sind, eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung der darum ersuchten Landesbehörde ergangen, so ist die Klage, mit der die Unzulässigkeit der Zwangsbeitreibung - hier wegen nach Bindung des Beitragsbescheids eingetretener Verjährung der Beitragsforderung - geltend gemacht wird, gegen die Einzugstelle zu richten und dafür der Rechtsweg zum Sozialgericht gegeben (Fortführung von BSG 1956-08-23 3 RK 78/55 = BSGE 3, 204).
2. An der Rechtsprechung über den Beginn einer neuen Verjährung nach dem Ende einer Unterbrechung (BSG 1966-06-22 3 RK 4/64 = BSGE 25, 73; SozR Nr 12 zu § 29 RVO) wird in einem Fall festgehalten, in dem der Eintritt und die Unterbrechung der Verjährung in den Jahren 1950 bis 1953 streitig sind. Hier kann eine andere Auffassung, die möglicherweise in Gesetzen des Jahres 1970 zum Ausdruck kommt, noch nicht berücksichtigt werden.
Leitsatz (redaktionell)
Bei einer Unterbrechung der Verjährung des Anspruchs auf rückständige Beträge beginnt die neue Verjährungsfrist von zwei Jahren (RVO § 29 Abs 1) - jedenfalls soweit die Unterbrechung in die Zeit vor 1970 fällt - in entsprechender Anwendung des BGB § 217 unmittelbar nach Beendigung der Unterbrechung.
Normenkette
SGG § 51 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 54 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 198 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 767 Abs. 1 Fassung: 1877-01-30, Abs. 2 Fassung: 1877-01-30; RVO § 28 Abs. 1 Fassung: 1911-07-19, § 29 Abs. 1 Fassung: 1911-07-19; BGB § 208 Fassung: 1896-08-18, § 217 Fassung: 1896-08-18
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 1. September 1970 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Umstritten ist, ob die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) zu Recht rückständige Sozialversicherungsbeiträge vom Kläger beitreiben läßt.
Die Versicherungsanstalt Berlin (VAB) stellte 1950 Beitragsrückstände des Klägers, der selbständiger Architekt war, für zwei in seinem Büro tätige Angehörige für die Zeit vom 1. Juni 1948 bis März 1950 fest. Ein Pfändungsversuch vom 4. Juni 1951 blieb erfolglos. Mit Schreiben vom 10. August 1951 erklärte die VAB dem Kläger unter Belehrung über die Möglichkeit der Beschwerde an ihren Beschwerdeausschuß, sie halte die Beitragsforderung in voller Höhe aufrecht. Der Kläger legte keinen Rechtsbehelf ein. Mit Schreiben vom 9. Dezember 1953 forderte die VAB den Kläger wieder zur Zahlung auf. Pfändungsversuche in den folgenden Jahren waren ergebnislos. Der Kläger berief sich im Schreiben vom 1. März 1959 auf eine Verjährung der Beitragsforderung. Weitere Pfändungsversuche in den Jahren 1960, 1962 und 1964 waren ohne Erfolg.
Im Dezember 1965 ersuchte die Beklagte die Vollstreckungsbehörde der Stadt B unter Bezugnahme auf § 28 Abs. 1, § 115 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) um zwangsweise Beitreibung des geschuldeten Betrages. Das Steueramt der Freien Hansestadt B erließ unter Hinweis auf das "Gesetz über das Verwaltungszwangsverfahren zur Beitreibung von Geldbeträgen vom 11. April 1930 - Brem. GBl. S. 58 - in der z. Zt. gültigen Fassung" die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 10. Januar 1966 an die B Aufbau GmbH, den Arbeitgeber des Klägers, über 1.976,35 DM. Diese überwies an die Beklagte 364,- DM. Die Widerspruchsstelle der AOK B wies den Widerspruch des Klägers zurück (Bescheid vom 24. Mai 1966).
Vom Kläger angerufen hat das Sozialgericht (SG) Bremen festgestellt, daß die Beklagte wegen Verjährung nicht berechtigt sei, die Beitragsforderung gegen den Kläger geltend zu machen (Urteil vom 24. Mai 1968).
Das Landessozialgericht (LSG) Bremen hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und das Urteil des SG dahin ergänzt, daß die Beklagte an den Kläger 364,- DM zu zahlen habe; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 1. September 1970).
Das LSG hat sinngemäß im wesentlichen ausgeführt, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß sei rechtswidrig; die Beitragsforderung dürfe wegen Verjährung nicht geltend gemacht werden. Die Frist des § 29 Abs. 1 RVO sei eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlußfrist. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in BSG 25, 73 sei § 217 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für die Unterbrechung der Verjährung entsprechend anzuwenden. Demnach beginne in der Sozialversicherung nach einer Unterbrechung der Verjährung sofort die neue Verjährungsfrist. Nach dem erfolglosen Pfändungsversuch vom 4. Juni 1951 sei die Verjährung durch den Beitragsbescheid vom 10. August 1951 erneut unterbrochen worden. Der nächste Verwaltungsakt in Gestalt der Zahlungsaufforderung vom 9. Dezember 1953 sei erst nach Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist ergangen. Die Auffassung der Beklagten, daß nicht die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften, sondern die entsprechenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des Abgabenrechts analog anzuwenden seien, überzeuge nicht. Ein Analogieschluß aus § 88 Abs. 3 des Preußischen Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (PrKAbgG) verbiete sich schon deswegen, weil es sich dort um eine vierjährige Verjährungsfrist gehandelt habe. In BSG 25, 73 und 136 sei eine entsprechende Anwendung des § 147 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (RAO) - Fassung vom 1. Dezember 1936 -, auf den § 21 des Berliner Gesetzes über Gebühren und Beiträge vom 22. Mai 1957 (GVBl 57, 516) hinweise, abgelehnt worden, weil § 147 RAO eine vereinzelte Sonderbestimmung darstelle. Auch § 20 Abs. 4 des Verwaltungskostengesetzes vom 23. Juni 1970 (BGBl I 821) - VwKostG - stelle - abgesehen davon, daß nach Absatz 1 die Verjährungsfrist drei Jahre betrage - eine Sonderbestimmung dar. Daraus könne kein allgemeiner, für das gesamte öffentliche Recht gültiger Rechtssatz entnommen werden.
In der Ratenzahlung des Klägers im Oktober und Dezember 1950 sei nicht ein abstraktes Schuldversprechen oder Anerkenntnis im Sinne der §§ 780, 781 BGB zu sehen, weil die erforderliche Schriftform fehle.
Es sei nicht festzustellen, daß der Kläger die Beiträge absichtlich hinterzogen hätte (Hinweis auf BSG 28, 61).
Die beklagte AOK hat Revision eingelegt und beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wendet sich gegen die entsprechende Anwendung des § 217 BGB auf ihre Beitragsforderungen nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG (BSG 25, 73). Sie führt aus, die Unterbrechung der Verjährung öffentlich-rechtlicher Forderungen sei in mehreren gesetzlichen Vorschriften geregelt, die für die Ausfüllung der Lücke in § 29 RVO geeigneter seien als die bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen. Zur Zeit der Entscheidung in BSG 25, 73 hätten zur Rechtsvergleichung nur § 147 RAO und § 88 Abs. 3 PrKAbgG zur Verfügung gestanden. Inzwischen seien jedoch zur Frage des neuen Verjährungsbeginns nach Unterbrechung im Beitrags-, Abgabe-, Gebühren- und Kostenrecht eine Anzahl von Vorschriften ergangen, die inhaltlich genau mit den genannten Vorschriften übereinstimmten. Hierdurch sei der allgemeine Rechtsgedanke, der in § 88 Abs. 3 PrKAbgG und § 147 RAO zum Ausdruck komme, noch deutlicher und unübersehbar zutage getreten. Diese neuen Vorschriften seien § 20 Abs. 4 VwKostG, § 1 Abs. 2 der Gebührenordnung zum Bundeswasserstraßengesetz idF der Änderungsverordnung vom 26. Oktober 1970 (BGBl I 1501) mit Hinweis auf § 20 Abs. 4 VwKostG, § 5 Abs. 4 der Verordnung über die Kosten der Kartellbehörden vom 16. November 1970 (BGBl I 1535), § 4 Abs. 4 der Kostenordnung für Nutzleistungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vom 17. Dezember 1970 (BGBl I 1745) und § 21 Abs. 2 des Berliner Gesetzes über Gebühren und Beiträge vom 22. Mai 1957. Zwar möge jede dieser Bestimmungen für sich allein betrachtet eine Sonderbestimmung darstellen. Jedoch zeige die Vielzahl der inhaltlich gleichen Vorschriften den allgemeinen Rechtsgedanken, der dem öffentlichen Beitrags-, Gebühren- und Kostenrecht einheitlich zugrunde liege, daß nach der Unterbrechung der Verjährung dieser öffentlich-rechtlichen Forderungen die neue Verjährung immer erst mit dem nachfolgenden Kalenderjahr beginne. Es sei rechtsdogmatisch nicht vertretbar, die Lücke in der RVO über die Unterbrechung der Verjährung öffentlich-rechtlicher Beitragsforderungen durch § 217 BGB zu schließen, wenn eine Vielzahl öffentlich-rechtlicher Vorschriften diese Frage für öffentlich-rechtliche Beitrags-, Abgaben-, Gebühren- und Kostenforderungen einheitlich anders regele. Dem stehe § 28 Abs. 1 RVO nicht entgegen, welcher die Beitragsforderungen der Sozialversicherungsträger den Gemeindeabgaben im wesentlichen gleichsetze.
Das BGB enthalte in § 220 selbst ein Indiz für ihre - der Beklagten - Auffassung. § 217 BGB sei nicht in der Aufzählung derjenigen Vorschriften der Verjährungsunterbrechung enthalten, die nach § 220 BGB bei den Ansprüchen entsprechend anzuwenden seien, die vor einem besonderen Gericht, Verwaltungsgericht oder einer Verwaltungsbehörde geltend zu machen seien.
Auch praktische Erwägungen sprächen für ihre - der Beklagten - Auffassung. Die Rechtslage im öffentlichen Recht, daß die neue Verjährungsfrist erst nach Ablauf des Jahres des Unterbrechungsendes beginne, finde ihren Grund darin, daß es für die öffentliche Verwaltung mit ihren zahlreichen Forderungen zweckmäßig sei, die Unterbrechung der Verjährung nicht einzeln für jede Forderung an jedem einzelnen Tag, sondern nur zum Jahresschluß zu prüfen.
Dies gelte auch für die Krankenkassen als Einzugsstellen der Sozialversicherungsbeiträge.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat von einer Stellungnahme abgesehen.
Die beigeladene Bundesanstalt ... verweist auf BSG 25, 73, 136 und auf das Urteil des BSG vom 27. Oktober 1966 - 3 RK 35/63-.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist zulässig.
Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist hier gegeben (§ 51 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Der Kläger wendet sich in seinem Angriff gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Stadt B nicht gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung durch diese Behörde. Mit seinem Hinweis auf Verjährung wendet er sich vielmehr gegen die Berechtigung der Beklagten, die Beitragsforderung geltend zu machen (BSG 22, 173). Gegenstand des Rechtsstreits ist somit eine Angelegenheit der Sozialversicherung im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG. Da der Kläger die Art und Weise der Zwangsvollstreckung nicht angreift, kann hier offenbleiben, ob in solchen Fällen etwa ein anderer Verwaltungs- und Rechtsweg gegeben wäre (vgl. § 15 Abs. 1 und 2 des in der Pfändungs- und Überweisungsverfügung genannten bremischen Gesetzes über das Verwaltungszwangsverfahren zur Beitreibung von Geldforderungen vom 11. April 1930 -Sammlung des bremischen Rechts 202-b-1; siehe auch BSG 3, 204, 208; ferner Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 20. Dezember 1971 in "SGb" 1972,293 mit Anmerkung von Richard Naumann, sowie den Aufsatz dieses Verfassers "Gesetzliche Regelungen des Vollstreckungsverfahrens in den drei Verwaltungsprozessen" in "SGb" 1972, 381).
Die auf eine Verletzung von § 29 Abs. 1 RVO, § 217 BGB - Bundesrecht - gestützte Revision (§ 162 Abs. 2 SGG) ist unbegründet. Die Entscheidung des LSG verstößt nicht gegen das Gesetz. Seinen Ausführungen ist für den vorliegenden Fall zu folgen.
Der Kläger ist durch die Pfändungs- und Überweisungsverfügung - einen Verwaltungsakt im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG - beschwert, denn die Vollstreckung der Beitragsforderung ist rechtswidrig. Zwar ist die Beitragsforderung der Beklagten bindend geworden, weil der Kläger seinerzeit keinen Rechtsbehelf gegen die Feststellung seiner Beitragsschuld eingelegt hat. Die Beklagte ist aber nicht mehr berechtigt, die Begleichung ihrer Beitragsforderung durchzusetzen.
Die Rechtswidrigkeit der Vollstreckung beruht auf Umständen, die eingetreten sind, nachdem der Beitragsbescheid bindend geworden ist, und die das Recht, die Beitragsforderung geltend zu machen, beseitigt haben. Diese Grundsätze, die in § 767 der Zivilprozeßordnung - ZPO - (§ 198 SGG) für die Vollstreckung aus Urteilen der Zivilgerichte ausgesprochen sind, gelten auch für die Begründetheit einer Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG gegen einen die Vollstreckung betreffenden Verwaltungsakt. Mit der Klage wird hier begehrt, die Vollstreckung aus einem bindenden Bescheid für unzulässig zu erklären (vgl. Baumbach, ZPO, 30. Aufl. Anm. 3 E zu § 767 ZPO). Die Klage kann sich nicht mehr gegen den Inhalt des bindend gewordenen Beitragsbescheides wenden. Aus dem Wesen der Bindung in der Sache von Verwaltungsakten folgt, daß die Grundsätze des § 767 Abs. 2 ZPO auch für die Begründetheit der Anfechtungsklage gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung gelten müssen (vgl. BSG 18, 22, 26 f; 3, 204; Renck, Die Rechtsmittel gegen Verwaltungsvollstreckungsakte, in NJW 1966, 1247; Haueisen, Verwaltungsakt und Vollstreckungsgegenklage, in NJW 1965, 2285). Der Kläger erhebt hier Einwendungen der in § 767 Abs. 2 ZPO aufgeführten Art, indem er geltend macht, die Beitragsforderung sei bei Erlaß der Pfändungs- und Überweisungsverfügung bereits verjährt gewesen (vgl. zur Verjährung Baumbach, aaO, Anm. 2 B zu § 767 ZPO).
Der Anspruch der Beklagten auf die Beitragsrückstände ist verjährt. Nach der Entscheidung in BSG 25, 73, auf die das LSG sich gestützt hat, sind die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den Zeitpunkt des Beginns einer neuen Verjährung nach Beendigung der Unterbrechung der Verjährung - § 217 BGB - analog auf die Verjährung des Anspruchs auf Rückstände nach § 29 Abs. 1 RVO anzuwenden. Das BSG hat § 147 Abs. 3 RAO, wonach eine neue Verjährung erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Unterbrechung endet (§ 147 Abs. 2 der Abgabenordnung idF vom 15. September 1965), nicht entsprechend angewendet, weil es sich bei dieser Vorschrift um eine ausdrückliche Sonderbestimmung handele. Der erkennende Senat ist gleichfalls dieser Auffassung, jedenfalls soweit Verjährung und Beginn der neuen Verjährungsfrist in die Jahre fallen, um die es in diesem Rechtsstreit geht.
Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbegründung auf Vorschriften in neueren Gesetzen hingewiesen, die den Lauf einer neuen Verjährungsfrist erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres nach dem Unterbrechungsende beginnen lassen. Diese Vorschriften (§ 20 Abs. 4 VwKostG vom 23. Juni 1970; § 1 Abs. 2 der Gebührenordnung zum Bundeswasserstraßengesetz vom 6. November 1968/26. Oktober 1970; § 4 Abs. 4 der Verordnung über die Kosten der Kartellbehörden vom 16. November 1970; § 14 Abs. 4 der Kostenordnung für Nutzleistungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vom 17. Dezember 1970 - BGBl 1970 I 821, 1501, 1535, 1745 -) lassen möglicherweise den Willen des Gesetzgebers erkennen, die Verjährung für Forderungen öffentlich-rechtlicher Stellen künftig einheitlich zu regeln. In allen diesen Vorschriften ist - wie schon in § 147 Abs. 3 RAO - gleichlautend bestimmt, daß mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Unterbrechung endet, eine neue Verjährung beginnt. In der Begründung des Entwurfs zu § 20 Abs. 4 VwKostG vom 23. Juni 1970 (BT-Drucks. VI 330) ist dazu gesagt:
"Für die Vorschriften über die Verjährung waren, weil es sich hier um öffentlich-rechtliche Geldforderungen handelt, Vorbild die entsprechenden Vorschriften der §§ 145 bis 148 der Reichsabgabenordnung (AO) idF des Gesetzes zur Änderung der AO und anderer Gesetze vom 15.9.1965 (BGBl I 1356). Auch hier gilt, wie in § 148 AO, die Bestimmung, daß der Anspruch, um klare Rechtsverhältnisse zu schaffen, durch die Vollendung der Verjährung erlischt ...Zu Abs. 3 bis 5: Die Vorschriften über die Unterbrechung der Verjährung entsprechen § 147 AO."
Diese Begründung legt es nahe, den § 147 RAO künftig nicht mehr - wie in BSG 25, 73 - als eine auf das Steuerrecht beschränkte Sondervorschrift, sondern allgemein als Vorbild für die Verjährung von Ansprüchen öffentlich-rechtlicher Stellen anzusehen. Dies ist um so mehr gerechtfertigt, als der Beitragseinzug in der Sozialversicherung mit dem Steuereinzug wesentlich mehr gemeinsam hat als mit der Geltendmachung privat-rechtlicher Forderungen. Schon die bisherige Rechtsprechung des BSG, nach der die Verjährung von Beitragsrückständen von Amts wegen zu berücksichtigen ist und die Einzugsstelle Beiträge nach Vollendung der Verjährung nicht mehr einziehen darf (BSG 22, 173, 177), stimmt im Ergebnis mit der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 3 VwKostG überein, wonach der Anspruch auf Zahlung von Kosten mit Ablauf der Verjährungsfrist erlischt.
Bei den von der Beklagten aufgeführten Gesetzen handelt es sich indessen um neues, im Jahre 1970 geschaffenes Recht. Es kann deshalb jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem die Verjährung und Unterbrechung der Verjährung in den Jahren 1950 bis 1953 streitig sind, nicht rückwirkend für eine entsprechende Anwendung bei § 29 Abs. 1 RVO herangezogen werden. Hier ist vielmehr noch von der bisherigen Rechtsprechung auszugehen. Ob etwa von 1970 an aufgrund der neueren Entwicklung eine andere Rechtsbetrachtung erforderlich ist, kann hier offen bleiben.
Die Revision der Beklagten ist deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen