Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann ein Versicherter iS der 2. ErgVbg AllgAbk Frankreich SozSich Art 2 Abs 2 vom 1955-06-18 (BGBl 2 1958, 757) vor dem 1918-11-11 aus der Versicherung ausgeschieden ist.
Normenkette
SozSichAbkErgVbg FRA 2 Art. 2 Abs. 2 Fassung: 1955-06-18
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 13. Juni 1969 wird zurückgewiesen.
Die Klage auf Zahlung von Witwenrente vom 1. September 1969 an wird als unzulässig abgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der ... 1889 in M/Saar geborene frühere Kläger war nach seinen Angaben nach Beendigung seiner Lehrzeit zunächst als Lagerist und Verkäufer im jetzigen Saarland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, wofür er jedoch keine Beitragsnachweise mehr besitzt; auch im Archiv der Landesversicherungsanstalt (LVA) Saarland liegen dafür keine Unterlagen vor. Zwischen 1910 und dem Ausbruch des 1. Weltkrieges war er, ausgenommen seine Militärdienstzeit von Oktober 1911 bis September 1913, als Verkäufer, Buchhalter und Vertreter in S (damals Elsaß-Lothringen) tätig gewesen. Dabei sind für ihn nachweislich vom Oktober 1913 bis Juli 1914 zehn Beiträge zur früheren Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA) entrichtet worden. Nachdem er als Soldat am ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, war er bis 1920 als Angestellter im väterlichen Geschäft in M tätig. Dabei entrichtete er keine Rentenversicherungsbeiträge mehr. Nach dem Tode seines Vaters führte er das Geschäft bis Ende 1935 allein weiter. Im Januar 1936 wanderte er aus Gründen rassischer Verfolgung nach Palästina aus. Er lebte seitdem in Israel und besaß die dortige Staatsangehörigkeit.
Am 27. Juni 1966 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung von Altersruhegeld. Über seinen Kriegsdienst im 1. Weltkrieg gab er dazu ua an, er habe vom 1. August 1914 bis zum 11. November 1918 gedauert. Hierzu legte er entsprechende eidesstattliche Versicherungen vor. Einen Militärpass oder ein Soldbuch besaß er nicht mehr.
Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 25. August 1967 ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei. Die bis Juli 1914 entrichteten Beiträge fielen gemäß Art. 2 der Zweiten Ergänzungsvereinbarung zum deutsch-französischen Sozialversicherungsabkommen in die französische Versicherungslast. Damit fehle es an anrechenbaren deutschen Versicherungszeiten (Beitragszeiten und Ersatzzeiten).
Gegen den Ablehnungsbescheid hat der frühere Kläger bei dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, für ihn sei der deutsche Versicherungsträger zuständig, weil er zuletzt der RfA angehört habe, deren Sitz B gewesen sei. Im übrigen habe S auch zur Zeit seiner Beitragsentrichtung zu Deutschland gehört. Schließlich sei er nicht vor dem 11. November 1918 aus der Versicherung ausgeschieden, weil er bis zu diesem Zeitpunkt noch Angehöriger der deutschen Armee geblieben sei.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 18. September 1968 abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die bis 1914 entrichteten Beiträge fielen gemäß Art. 2 Abs. 2 der Zweiten Ergänzungsvereinbarung zum deutsch-französischen Sozialversicherungsabkommen in die französische Versicherungslast, weil der frühere Kläger bei seinem Ausscheiden aus der Versicherung seinen Wohnsitz innerhalb der Grenzen der in Art. 2 Abs. 1 erwähnten Departements gehabt habe. Da bei dieser Rechtslage anrechenbare Beiträge fehlten, sei auch die Ersatzzeit der Verfolgung nicht zu berücksichtigen, so daß die Wartezeit für das Altersruhegeld nicht erfüllt werde.
Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin durch Urteil vom 13. Juni 1969 zurückgewiesen, indem es sich im wesentlichen der Rechtsauffassung des SG anschloß.
Das LSG hat in seinem Urteil die Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen. Der frühere Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt, er ist im Laufe des Revisionsverfahrens gestorben. Seine Ehefrau hat das Verfahren als seine Rechtsnachfolgerin nach § 65 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) aufgenommen. Sie beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Berlin vom 18. September 1968 und den Bescheid der Beklagten vom 25. August 1967 aufzuheben und diese zu verurteilen, vom 1. Juli 1965 bis 31. August 1969 Altersruhegeld und vom 1. September 1969 an Witwenrente zu zahlen.
Gerügt wird unrichtige Anwendung des § 28 AVG, des sog. Baseler Schiedsspruchs vom 21. Juni 1921 (RGBl 1921, 1289), des Allgemeinen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über soziale Sicherheit vom 10. Juli 1950 und der Zweiten Ergänzungsvereinbarung hierzu vom 18. Juni 1955. Der frühere Kläger habe nach dem ersten Weltkrieg nicht mehr in Elsaß-Lothringen gelebt, sondern im Saargebiet. Er sei deshalb vom Baseler Schiedsspruch nicht betroffen worden. Er habe am 11. November 1918 der Reichsversicherung für Angestellte angehört. Damit seien sein Kriegsdienst im ersten Weltkrieg und die Zeit ab Anfang 1936 bis zum 31. Dezember 1949 Ersatzzeiten nach § 28 AVG, womit die gesetzliche Wartezeit von 180 Beitragsmonaten erfüllt sei.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II.
Über den Anspruch auf Zahlung von Witwenrente kann nicht entschieden werden. Hierbei handelt es sich um einen neuen Anspruch. Nach § 168 SGG sind Klageänderungen im Revisionsverfahren unzulässig. Aber auch im übrigen kann die Revision keinen Erfolg haben.
Vorweg ist zu bemerken, daß die Vorinstanzen und die Beteiligten zutreffend von der durch das Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) vom 23. Februar 1957 geschaffenen Rechtslage ausgegangen sind und nicht das Gesetz über die Behandlung der Verfolgten des Nationalsozialismus in der Sozialversicherung vom 22. August 1949 (WiGBl S. 263) zugrunde gelegt haben, das im übrigen für die jetzige Klägerin und ihren früheren Ehemann ungünstiger gewesen wäre (BSG, SozR VerfolgtenG Allg. Nr. 10). Da bis Ende 1956 ein Antrag auf Zahlung von Altersruhegeld nicht gestellt war, war der Versicherungsfall des Alters bis dahin nicht eingetreten, obwohl der frühere Kläger bereits am 22. März 1954 das 65. Lebensjahr vollendet hatte (BSG 3, 24; 7, 282, 287). Somit war von § 28 AVG auszugehen (BSG 9, 92).
Sodann ist klarzustellen, daß ein Anspruch auf Altersruhegeld überhaupt erst aufgrund der Neufassungen des § 26 AVG und des Art. 2 § 8 AnVNG durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 in Betracht kam. Nach § 26 AVG idF des AnVNG hätten die nachgewiesene Beitragszeit vom Oktober 1913 bis Juli 1914 sowie etwaige frühere versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und der anschließende Kriegsdienst im ersten Weltkrieg schon deswegen nicht mehr als Versicherungszeiten angerechnet werden können, weil es an dem sog. Brückenbeitrag für die Zeit vom 1. Januar 1924 bis 30. November 1948 fehlte. Erst nach § 26 Satz 2 AVG idF des RVÄndG können jetzt vor dem 1. Januar 1924 zurückgelegte Versicherungszeiten (Beitrags- und Ersatzzeiten, § 27 AVG) ua dann angerechnet werden, wenn mit den vor und nach dem 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten eine Versicherungszeit von mindestens 180 Kalendermonaten zurückgelegt worden ist. Das wäre dann der Fall, wenn außer den bis 1914 zurückgelegten Beitragszeiten der Kriegsdienst im ersten Weltkriege und die Zeit des Auslandsaufenthalts von 1936 bis 1949 als Ersatzzeiten angerechnet werden könnten. Das setzt jedoch nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AVG voraus, daß der Kläger zum Beginn dieser Zeiträume "Versicherter" war, da § 28 Abs. 2 Satz 2 AVG ohne weiteres ausscheidet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat aber eine Versicherung vor den in § 28 Abs. 1 AVG genannten Zeiten nur bestanden, wenn ihnen nach § 26 AVG auf die Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten vorausgegangen sind (ua SozR Nr. 4 zu § 1251 RVO), wobei jetzt die neueste Fassung dieser Vorschrift maßgebend ist.
Hinsichtlich der nachgewiesenen Beitragszeiten bei der RfA hat das LSG zutreffend dargelegt, daß diese zehn Beiträge zwar ursprünglich zu einem deutschen Versicherungsträger entrichtet worden waren. Ihre Besonderheit besteht aber darin, daß der Kläger damals in Elsaß-Lothringen gewohnt hat und dort beschäftigt gewesen ist. Dieses Gebiet ist durch die Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages vom 16. Juli 1919 (RGBl 1919, 687) an Frankreich abgetreten worden. Im Zusammenhang damit ist es zunächst durch die auf Art. 312 Abs. 4 jenes Vertrages beruhende Entscheidung des Rats des Völkerbundes vom 21. Juni 1921 - Baseler Schiedsspruch - (RGBl 1921, 1289) nur zu einer Übernahme der Anwartschaften der am 1. Januar 1919 in Elsaß-Lothringen wohnhaften und an diesem Tage angestelltenversichert gewesenen Personen auf den französischen Träger der Angestelltenversicherung (AnV) in Straßburg gekommen (Art. 1 § 17 des Baseler Schiedsspruchs). Das hat sich aber später geändert. Nach dem zweiten Weltkrieg ist zwischen Deutschland und Frankreich am 10. Juli 1950 ein zweiseitiges Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen worden. In der zu diesem Vertrag getroffenen Zweiten Ergänzungsvereinbarung vom 18. Juni 1955 (innerstaatliches Recht geworden durch Gesetz vom 24. Dezember 1958, BGBl II 755, und in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. Januar 1952, Bekanntmachung vom 29. Juni 1959, BGBl II 838) haben die Vertragschließenden zwar grundsätzlich an den Bestimmungen des Art. 1 des Baseler Schiedsspruchs festgehalten, aber lediglich insoweit, als nicht in Art. 2 und 3 etwas anderes bestimmt ist (Art. 1). In Art. 2 der erwähnten Zweiten Ergänzungsvereinbarung zum deutsch-französischen Sozialversicherungsabkommen ist die Versicherungslast für Versicherungszeiten, die vor dem 1. Januar 1923 in der deutschen Rentenversicherung der Arbeiter oder der deutschen Rentenversicherung der Angestellten oder in den aus den früheren elsaß-lothringischen Gebietsteilen gebildeten französischen Departements Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle zurückgelegt worden sind, neu verteilt worden.
Diese Neuverteilung ist unabhängig davon, ob der damalige Versicherte, wie der frühere Kläger, deshalb nicht vom Baseler Schiedsspruch betroffen war, weil er am 1. Januar 1919 nicht mehr in Elsaß-Lothringen wohnte, sondern bereits im Saarland, das nach dem ersten Weltkriege dem Völkerbund unterstellt wurde (Art. 49 des Versailler Friedensvertrages). Damit erübrigt sich ein Eingehen darauf, wann der Kläger nach Beendigung des ersten Weltkrieges aus dem deutschen Heer ausgeschieden und nach Merzig verzogen ist.
Durch die erwähnte Zweite Ergänzungsvereinbarung zum deutsch-französischen Sozialversicherungsabkommen ist in Art. 2 mit seinen Absätzen 1 und 2 für diejenigen Versicherten, die noch nach dem 11. November 1918 der Rentenversicherung angehört haben, eine andere Regelung getroffen worden als für jene, die schon vor diesem Stichtag aus ihr ausgeschieden oder verstorben waren. Für den ersten Personenkreis gelten die vor dem 1. Januar 1923 in der deutschen Rentenversicherung der Arbeiter oder der deutschen Rentenversicherung der Angestellten oder in den französischen Departements Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle zurückgelegten Versicherungszeiten als nach der Gesetzgebung des Landes zurückgelegt, in welchem der Versicherungsträger seinen Sitz hat, dem der Versicherte zuletzt vor diesem Tage angehört hat. Für die zweite Versichertengruppe, die am 11. November 1918 keiner Rentenversicherung mehr angehört hat, wird demgegenüber nicht an den Sitz des letzten Versicherungsträgers, sondern an den Wohnsitz des Versicherten angeknüpft. Je nachdem, ob sich dessen Wohnsitz beim Ausscheiden aus der Versicherung oder beim Tod in Deutschland (ohne Elsaß-Lothringen) oder in den genannten (später aus Elsaß-Lothringen gebildeten) Departements befunden hat, gilt er als in Deutschland oder in Frankreich versichert.
Mit Recht ist das LSG davon ausgegangen, daß der Kläger im Sinne dieses Artikels 2 der Zweiten Ergänzungsvereinbarung bereits mit Ablauf des Monats Juli 1914 dadurch aus der deutschen Rentenversicherung ausgeschieden war, daß sein Beschäftigungsverhältnis infolge seiner Einberufung zum Heeresdienst erlosch und für ihn keine weiteren Beiträge entrichtet wurden. Der Sinn der unterschiedlichen Regelung läßt eine andere Auslegung nicht zu. Insbesondere träte anderenfalls eine nicht gerechtfertigte Entlastung der französischen Versicherungsträger zum Nachteil der deutschen Rentenversicherung ein, obwohl auf Grund der Abtretung von Elsaß-Lothringen das Land und die Bevölkerung an Frankreich gefallen waren. Deshalb kann auch die Bekanntmachung betr. die AnV während des Krieges vom 26. August 1915 (RGBl S. 531), ergänzt durch die Bekanntmachung vom 2. August 1917 (RGBl S. 680) keine andere Beurteilung rechtfertigen. Sie hat zwar für Kriegsteilnehmer die Kriegsdienstzeiten des ersten Weltkriegs zu sog. vollkommenen Ersatzzeiten im Sinne des damaligen Rechts deklariert. Nach § 1 der Bekanntmachung vom 26. August 1915 werden die Zeiten, in denen Versicherte im gegenwärtigen Kriege dem Deutschen Reiche oder der österreichisch-ungarischen Monarchie Kriegs-, Sanitäts- oder ähnliche Dienste geleistet haben, soweit sie in vollen Kalendermonaten bestehen, auf die Wartezeiten und bei Berechnung der Versicherungsleistungen an Ruhegeld und Hinterbliebenenrente nach dem Versicherungsgesetz für Angestellte als Beitragszeiten angerechnet, ohne daß Beiträge entrichtet zu werden brauchen. Ersatzzeiten wurden und werden jedoch nur für die Berechnung der Wartezeit und der Versicherungsleistungen berücksichtigt, ohne im übrigen geeignet zu sein, ein Versicherungsverhältnis zu begründen (vgl. hierzu auch die GE Nr. 5008, AN 1936, 266). Sie sind keine Beitragszeiten, sondern lediglich "Ersatztatsachen."
Ebensowenig rechtfertigt Art. 4 der Zweiten Ergänzungsvereinbarung eine andere Beurteilung. Danach werden zwar bei der Anwendung der Art. 2 und 3 auch die Zeiten der Erfüllung der Wehrpflicht sowie die Mobilmachungs- und Kriegsdienstzeiten in den kriegführenden Armeen als Versicherungszeiten berücksichtigt. Wiederum werden sie hiernach jedoch nur wie Versicherungszeiten behandelt. Das bedeutet lediglich, daß sie in die deutsche oder französische Versicherungslast fallen, je nachdem, wie die vor dem 1. Januar 1923 entrichteten Beiträge zuzuordnen sind. Ersatzzeiten bestimmten dagegen nicht selbst die Zuständigkeit des deutschen oder französischen Versicherungsträgers. Vielmehr teilten sie das Schicksal der mit ihnen in Verbindung stehenden Beiträge. Sonst wären für Kriegsteilnehmer des ersten Weltkrieges fast alle Verpflichtungen aus in Elsaß-Lothringen zurückgelegten Versicherungszeiten in die deutsche Versicherungslast gefallen, wozu nach der Abtretung dieses Gebietes an Frankreich kein Grund bestand.
Die Richtigkeit dieser Überlegung wird dadurch bestätigt, daß bei einer anderen Auslegung sich eine unverständliche unterschiedliche Regelung für Angehörige der damaligen Invalidenversicherung und der damaligen AnV ergäbe. Der Waffenstillstand des ersten Weltkriegs war am 11. November 1918 um 12 Uhr in Kraft getreten. Würde ein damaliger Kriegsdienst im deutschen Heer im Sinn des deutsch-französischen Vertragswerks eine Zugehörigkeit zur deutschen Rentenversicherung zur Folge haben, wären somit alle Kriegsteilnehmer, denen in der Invalidenversicherung oder in der AnV ihre Kriegsdienstzeit als Ersatzzeit anzurechnen war, nicht vor dem 11. November 1918 aus der deutschen Rentenversicherung ausgeschieden. Es käme somit stets Art. 2 Abs. 1 der Zweiten Ergänzungsvereinbarung zum Zuge, und maßgebend wäre, ob der Versicherungsträger, dem der Versicherte zuletzt vor dem 1. Januar 1923 angehört hat, seinen Sitz in Deutschland ohne Elsaß-Lothringen oder in Frankreich mit Elsaß-Lothringen hatte. Da aber alle Arbeiter in Elsaß-Lothringen zur LVA S gehörten, würde das bedeuten, daß nur die in Elsaß-Lothringen in der Arbeiterrentenversicherung (ArV) zurückgelegten Versicherungszeiten von Frankreich zu übernehmen waren, die dort in der AnV zurückgelegten Versicherungszeiten aber von der Bundesrepublik zu berücksichtigen wären. Dazu aber bestand schon deswegen kein Anlaß, weil das Deutsche Reich sich in Art. 77 des Versailler Friedensvertrages verpflichtet hatte, sowohl den Anteil der Straßburger Invaliden- und Altersversicherungsanstalt an den gesamten zum Zwecke der Invaliden- und Alterssicherung gesammelten Rückstellungen an den französischen Staat abzuführen als auch ua die Kapitalien und Rückstellungen, welche die RfA in B aufgrund von Verpflichtungen zugunsten von in Elsaß-Lothringen wohnenden Versicherten dieser Art schuldete. Demzufolge hatte das damalige Deutsche Reich nach Art. III des Baseler Schiedsspruchs aus Anlaß der Auseinandersetzung über die sozialen Versicherungen in Elsaß-Lothringen eine einmalige Abfindungssumme von 65 Millionen Franken französischer Währung dem französischen Staate zu zahlen, der diesen Betrag wiederum nach Art. 312 des Versailler Friedensvertrages für entsprechende Versicherungszwecke zu verwenden hatte. Außerdem wäre auch sonst kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung der in der ArV und der in der AnV zurückgelegten Versicherungszeiten zu finden.
Nach alledem liegt keine sog. Vorversicherung im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 1 AVG vor Beginn der als Ersatzzeiten in Betracht kommenden Zeiträume vor, da die vor dem ersten Weltkrieg in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten nicht bei den deutschen Versicherungsträgern verblieben sind, sondern auf Grund der erwähnten deutsch-französischen Vereinbarungen in die französische Versicherungslast gefallen sind. Denn der Kläger hatte zuletzt (1914) in Elsaß-Lothringen (Straßburg) gewohnt, und die darauf zurückzuführende Überführung seines Versicherungsverhältnisses auf den zuständigen französischen Versicherungsträger erfaßte alle vor dem 11. November 1918 liegenden Beitragszeiten, also auch die im Saarland zurückgelegten (BSG 18, 113, 114). Zugleich entfällt damit jede Möglichkeit, die Kriegsdienstzeit im ersten Weltkrieg und die Zeit des Auslandsaufenthalts des früheren Klägers von 1936 bis 1949 nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 AVG als Ersatzzeiten auf die für die Erfüllung der gesetzlichen Wartezeit von 180 Monaten erforderliche Versicherungszeit anzurechnen. Daß im übrigen die Zweite Ergänzungsvereinbarung vom 18. Juni 1955 nicht gegen das Gebot des sog. Überleitungsvertrages (vgl. die Bekanntmachung vom 30. März 1955, BGBl II 305 ff, 431) verstößt, die Vorschriften über die Entschädigung der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung nicht zu verschlechtern, hat bereits das LSG zutreffend ausgeführt (vgl. dazu auch BVerfG, SozR § 1251 RVO Bl. Ab 1 Nr. 1), desgleichen, daß weder das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz vom 7. August 1953 noch das Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz vom 25. Februar 1960 noch die Verordnungen Nr. 3 und 4 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (BGBl 1959 II 474 und 496) eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Somit war die aus der Urteilsformel ersichtliche Entscheidung zu treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen